SZ +
Merken

Mehr Herren in den Kindergarten!

An Görlitzer Grundschulen und in Kitas gibt es nur vereinzelt männliche Mitarbeiter. Die aber stehen dort hoch im Kurs.

Teilen
Folgen
NEU!
© nikolaischmidt.de

Von Daniela Pfeiffer

Jeden Mittwoch marschiert eine kleine Mannschaft vom Kindergarten in die Sporthalle des Augustum-Annen-Gymnasiums. Fußballtraining mit Sylvio steht auf dem Programm. Sylvio Mai ist Kindergärtner. Einer von acht männlichen Erziehern in den städtischen Kindergärten und Horten. Damit ist er nicht mehr ganz der Außenseiter in einer Frauendomäne, aber so ein bisschen schon noch.

© Pawel Sosnowski/80studio.net

Die Kinder der Kindervilla „Hundert Sprachen“ jedenfalls wissen, was sie an ihrem Sylvio haben. Denn mit ihm gibt es auch eine Werkstatt, wo gebohrt, geschraubt und gebastelt werden kann. Bis ins vergangene Jahr hatte es mit Sylvio Mai in der Kita sogar eine Unihockeymannschaft gegeben. Als die meisten Spieler in die Schule kamen, hat man gemeinsam entschieden, jetzt mal Fußball auszuprobieren. Nicht weniger professionell. Mit Trikots und einem Namen: SV Kröte. So haben sie schon ein Turnier mitgespielt.

Sylvio Mai ist in seinem Traumjob angekommen. Gelernter Kaufmann ist er eigentlich, fand irgendwann keine Erfüllung mehr in diesem Beruf und überlegte, was ihm noch Spaß machen würde. Mit 33 Jahren setzte er sich noch mal auf die Schulbank, machte eine Ausbildung zum Erzieher, die er bis auf den letzten Cent selbst finanzierte. „Ich habe es nie bereut“, sagt der heute 37-Jährige, der daheim zwei Söhne hat. „Ich gehe jeden Tag gern zur Arbeit.“

Solche wie ihn würde die Katholische Elternschaft Deutschland (KED) gern mehr in Schulen und Kitas sehen. Sie fordert bis 2025 eine Männerquote von 40 Prozent in Lehrer- und Erziehungsberufen. Begründung: Man stelle eine Benachteiligung von Jungen im Bildungssystem fest. Sie bräuchten beim Heranwachsen auch erwachsene Bezugspersonen des eigenen Geschlechts.

Genauso sieht es Silvia Drunkemöller, stellvertretende Leiterin der Kindervilla „Hundert Sprachen“ und eine von neun Kolleginnen von Sylvio Mai. „Wir Erzieherinnen sind ja so der Mama-Ersatz“, sagt sie. „Aber Kinder brauchen auch andere Identifikationsfiguren, den starken Mann.“ Daher seien alle ganz froh über Sylvio Mai.

Ines Fabisch, die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises, würde das sofort unterschreiben. „Der Trend geht schon zu mehr männlichen Erziehern, und das bringt wirklich etwas“, sagt sie. „Kinder sollten Regeln von Männern und Frauen gesagt bekommen.“ Die Realität sei aber immer noch, dass viele Kinder in der Oberstufe zum ersten Mal mit Männern als Lehrer zu tun bekommen. Verwunderlich sei das wenig – bei der geringen Wertschätzung, die der Lehrer- oder Erzieherberuf hat. „Wenn die nicht steigt, werden sich weiterhin wenig Männer für diesen Beruf entscheiden“, ist Fabisch überzeugt. Sie als Gleichstellungsbeauftragte versucht, festgefahrene Vorstellungen von Männer- und Frauenberufen aufzuweichen – etwa durch den Girls-/Boys Day, der jährlich im April stattfindet. „Wir haben da viele Jungs in Kitas oder in der Altenpflege, dort können sie testen, ob das was für sie wäre.“

Martin Cichon hat die Entscheidung für den Lehrerberuf vor langer Zeit getroffen. Er leitet heute die neue Freie Evangelische Oberschule in Görlitz und unterrichtet gleichzeitig acht Stunden pro Woche an der Dietrich-Heise-Grundschule. Als einziger männlicher Kollege. Die Herzen der Kinder kämen ihm dort förmlich entgegengeflogen: „Das fehlt denen“, glaubt er. Warum aber gibt es nicht mehr wie ihn? „Weil die Umstände nicht stimmen, der Lehrerjob ist ja prima als Teilzeitbeschäftigung geeignet. Aber man muss eben auch davon leben können.“ Er hätte gern mehr männliche Kollegen in Görlitz, weiß aber aus eigener Erfahrung, wie schwer jemand zu finden ist.

Zumindest an der August-Moritz-Böttcher-Grundschule ist der Männeranteil gar nicht so schlecht. „Wir sind recht gut gemischt“, sagt Schulleiterin Almut Hentschel. Zwei Lehrer gibt es hier, außerdem werden viele Projekte wie das Theater ausschließlich von Männern betreut.

Auf ein Wort