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Nazi-Codes: Landkreis gegen Neuregelung

Seit 2017 wurden in der Region mehr Kennzeichen mit doppeldeutigen Kombinationen zugelassen. So reagiert das Landratsamt.

Von Theresa Hellwig & Daniel Krüger
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"HH" und ""88": Diese Zeichen nutzen viele Rechtsextreme, wie hier in Ostritz, um ihre Ideologie öffentlich zu zeigen.
"HH" und ""88": Diese Zeichen nutzen viele Rechtsextreme, wie hier in Ostritz, um ihre Ideologie öffentlich zu zeigen. © Paul Sander

1888? Das ist nicht nur eine Jahreszahl. Polizei und Verfassungsschutz beobachten, dass Rechtsextreme immer öfter mit bestimmten Codes operieren. Weil Symbole wie das Hakenkreuz in der Öffentlichkeit verboten sind, nutzen Neonazis mittlerweile Zahlen- und Buchstabenkombinationen, um sich zu "outen".

Auch vor Autokennzeichen macht diese Praxis nicht Halt. Unter anderem beim berüchtigten "Schild und Schwert-Festival" in Ostritz ist so manches Nummernschild wiederholt aufgefallen. 

Was ist verboten, was erlaubt?

Besonders beliebt in der Szene sind recht eindeutige Kombinationen wie SS (Schutzstaffel), SA (Sturmabteilung), KZ (Konzentrationslager), NS (Nationalsozialismus) oder HJ (Hitlerjugend). Die sogenannte Fahrzeug-Zulassungsverordnung verbietet diese Abkürzungen nicht, sondern spricht lediglich von "guten Sitten", gegen die bei Nummernschildern nicht verstoßen werden darf. 

Doch die dazugehörige Verwaltungsvorschrift empfiehlt, Kombinationen, die nationalsozialistisch verstanden werden könnten, nicht zuzulassen. In Sachsen beschränkt sich diese Regelung auf die oben genannten fünf Abkürzungen.

Laut Verfassungsschutz zählen aber auch Kombinationen wie AH (Adolf Hitler), 18 (Nummern des Alphabets, die zu "AH" führen), HH (Heil Hitler) und 88 (Entsprechende Nummern im Alphabet) zu Symbolen, die "eine rechtsextremistische Gesinnung" verdeutlichen, die "in Insiderkreisen bekannt sind". 

In Görlitz verboten, in Pirna erlaubt

Der Landkreis Görlitz geht deshalb seit 2013 verschärft gegen Kennzeichen dieser Art vor. Seitdem werden die Kombinationen AH 18, WP 18 ("White Power"), HH 18, HA 18, SH 18 (steht für "Sieg Heil") und SH 204 (kennzeichnet den Geburtstag Hitlers) und die Zahl 88 nicht mehr zugeteilt, wie die Behörde informiert. 

Auch in Bayern und Brandenburg ist man strikt. In Brandenburg  werden seit Dezember 2009 von den Kfz-Zulassungsstellen keine Kennzeichen mehr neu vergeben, die mit 88, 188, 888, 1888, 8888 oder 8818 enden. Auch die Kombinationen "HH 18" und "AH 18" sind verboten. 

"Bei den Buchstabenkombinationen AH und HH sollte kein Erkennungszeichen in Kombination mit den Zahlenkombinationen 18, 88 erfolgen", erklärt eine bayerische Ministeriumssprecherin.

Letztlich kann jedes Bundesland und jeder Kreis selbst entscheiden, ob und wie weit gegen mögliche Nazi-Codes auf Nummernschildern vorgegangen wird. Wie behandelt der Landkreis Sächsische-Schweiz-Osterzgebirge das Thema?

"Für das Land Sachsen sind die fünf Kennzeichenkombinationen (s.o., Anmerkung der Redaktion) verboten, weitergehende Regelungen gibt es nicht", sagt der Amtsleiter für Sicherheit und Ordnung im Landratsamt Pirna, Steffen Klemt. 

"AH" und "HH" erfreuen sich größerer Beliebtheit

Gleichzeitig informiert die Behörde auf Sächsische.de-Anfrage darüber, wie häufig bestimmte Kombinationen in den letzten Jahren zugelassen wurden. So zeigt sich: Die Abkürzungen "AH" und "HH" sind seit 2017 beliebter geworden. 

In Freital tauchte das Kürzel "AH" damals auf 52 Fahrzeugen auf, aktuell sind es 84 Fahrzeuge. Auch "HH" kann rund um die Dresdner Straße mittlerweile öfter gesichtet werden, hier stiegen die Zahlen von 31 auf 48 zugelassene Kennzeichen. Konstant oft sind "HH" und "AH" in der Region Pirna vertreten. 341 mal gab es das Nummernschild dort 2017, 349 mal ist es heute registriert. Die Zahlenkombination 1888 kommt nach Informationen des Landratsamtes hingegen gar nicht vor. 

Obwohl im Landkreis grundsätzlich auch Kombinationen aus Buchstaben und Ziffern möglich sind, die auf rechtsextreme Gesinnungen verweisen können, wie etwa "AH 18" oder "AH 88" sieht Klemt keinen Handlungsbedarf. 

Sein Argument: Die öffentliche Wahrnehmung. "Da es sich um ausschließlich in den linken und rechten Szenen bekannte Symboliken und Codes handelt, sind weiterführende, verschärfende Regeln nicht notwendig", sagt der Amtsleiter. Das sieht man in anderen Regionen Sachsens und Deutschlands zwar anders. 

Klar ist bei der Diskussion aber auch: Nicht immer lässt sich vom Erkennungszeichen auf eine politische Gesinnung schließen. Im vergangenen Jahr etwa machte im Kreis Bautzen das Kennzeichen BZ AH 8888 Schlagzeilen. Die Polizei hatte damals nach dem Auto gefahndet, weil es gestohlen worden war. Kurz darauf stellte sich jedoch heraus, dass es sich dabei um das Wunschkennzeichen eines Syrers handelte, dessen Initialen AH sind.

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