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Wie es zur Hochzeit des Jahrhunderts kam

August der Starke träumte von der Kaiserkrone. Die Vermählung seines Sohnes sollte dabei helfen. Teil 1 der neuen SZ-Serie zur Fürstenhochzeit 1719.

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Louis de Silvestre malte August den Starken und die Gemahlin seines Sohnes, Maria Josepha.
Louis de Silvestre malte August den Starken und die Gemahlin seines Sohnes, Maria Josepha. © Gemäldegalerie Alte Meister, SKD. Foto: Klut.

Die Regierung des Freistaates Sachsen hat 1997 entschieden, das Dresdner Schloss als „Monument sächsischer Geschichte und Kultur“ wiederaufzubauen und den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zu übergeben. Längst sind Museen im Schloss heimisch. Nun steht am 28. September die Eröffnung der in ihrer barocken Pracht rekonstruierten Paraderäume bevor. 

Von 1717 bis 1719 schufen die besten Kunsthandwerker Europas dieses Raumkunstwerk. August der Starke baute das Schloss zu einem Machtzentrum in Europa aus und wollte durch die Vermählung seines Sohnes mit der Habsburgerin Maria Josepha 1719 die Ansprüche Kursachsens auf die Kaiserkrone verdeutlichen.

Von Reiner Zimmermann

Als der Herzog von Sachsen Friedrich August als Dreiundzwanzigjähriger 1694 überraschend Kurfürst von Sachsen wurde, war er auf dieses Amt nicht vorbereitet. Er hatte sich zwar als tollkühner Soldat und in fremden Betten bewährt, aber sein Französisch und sein Deutsch waren mangelhaft: Er schrieb, wie er es in Dresden hörte, an seine künftige Braut Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth: 

„Durchleichtigst princessin Nachdem ich Ew. Ld. Eine geraume zeit mit schreiben nicht aufgewahrtet, so kohme ich anitzo mit disn gegenwerdigen zeillen meinen gehorsamsten Respect an ihnen, wehrdeste princessin, abzulegen, kahn auch nicht unberichtet lasen wie ich heitte das mir glickliche ja wohrt von dero herren vatter erlanget...“

Doch dank seiner raschen Auffassungsgabe und guter Berater fand er sich bald bestens in den politischen Geschäften zurecht. Schon 1695/1696 nahm August mit sächsischen Truppen als Teil des kaiserlichen Heeres mit wechselndem militärischen Erfolg am Großen Türkenkrieg in Ungarn teil. Dort traf er auf den späteren Kaiser Leopold I. und den Türkenbezwinger Prinz Eugen. 

Da im Juni 1697 der Warschauer Thron verwaist war, machte sich August Gedanken: Wie komme ich zur polnischen Krone? Ein Königstitel war notwendig, um im politischen Spiel in Europa mithalten zu können. Sein Vertrauter Jacob Heinrich von Flemming bereitete in Warschau auf raffinierte Weise die Wahl vor, indem er mehrere Kandidaten unterstützte, die sich gegenseitig behinderten. Mit viel Geld gelang es, die polnischen Magnaten zu überzeugen, sodass August am 15. September 1697 in Krakau gekrönt werden konnte.

Rückeroberung Polens als Wahlversprechen

Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation war der sächsische Herzog seit der Goldenen Bulle Karls IV. von 1356 als Erzmarschall einer der sieben Königsmacher und als Reichsvikar Stellvertreter des Kaisers. Das war 1711 nach dem Tod Josephs I. der Fall. August trug sich schon lange mit der Idee: Wir Wettiner können auch Kaiser. Warum sollten immer die Habsburger die Kaiserkrone tragen? Dazu bedurfte es einiger Voraussetzungen, für die die Zeit noch nicht ganz reif war.

Als König von Polen musste August nämlich eines seiner Wahlversprechen einlösen: dem riesigen Polen, das bis Litauen und in die Ukraine reichte, noch das nördliche Livland von den Schweden zurückzuerobern. 1700 bis 1721 dauerte der Nordische Krieg, verschlang Unsummen, belastete den sächsischen Staat und seine Einwohner und führte zu nichts.

Gegner war der schwedische König Karl XII., der einer Koalition von Österreich, Sachsen und Russland gegenüberstand und militärisch so geschickt taktierte, dass er 1702 in Warschau einmarschieren konnte. August musste mit seinem teuren Hofstaat schleunigst nach Dresden ausweichen. Karl setzte Stanislaw Leszczyński als Gegenkönig ein. 

Dieser zog 1704 mit 1 000 Mann und 400 Pferden, zusätzlich mit 2 000 Schweden, die seine Sicherheit garantierten, nach Leisnig und residierte zwei lange Jahre auf Schloss Mildenstein, ganze 70 km von Dresden entfernt, wo August die Füße stillhalten musste. In Markranstädt bei Leipzig diktierte der Pole einen schmachvollen Frieden, demzufolge August auf die polnische Krone verzichten musste. Karl rückte mit seiner Armee in Sachsen ein und stand bei Radeberg.

Der Zar kam zu Hilfe

Voltaire berichtete in seiner Biografie über Karl: „Als er so nahe an Dresden vorüberkam, hatte ihn nämlich die Lust angewandelt, dem König August einen Besuch zu machen. Er war nur von drei bis vier Generalen begleitet in die Stadt geritten. Am Tore fragte man sie nach dem Namen; Karl sagte, er heiße Karl und sei Trabant. Jeder nahm einen falschen Namen an. 

Als der Graf Flemming die Gesellschaft kommen sah, konnte er seinen Herrn kaum noch benachrichtigen. Alles, was man bei einer solchen Gelegenheit etwa tun könnte, fuhr dem Minister durch den Kopf; er sprach mit August davon, aber Karl trat bereits gestiefelt und gespornt ins Zimmer, ehe August Zeit hatte, sich zu fassen. 

Er war gerade im Schlafrock; und zog sich nun in aller Eile an. Karl frühstückte mit ihm wie ein Reisender...“ Karl äußerte sich später: „Ich habe mich auf mein Glück verlassen; einen Augenblick war es übrigens nicht ganz sauber. Flemming hatte Lust, mich nicht so bald aus Dresden fortzulassen.“

August soll bei dieser Gelegenheit aber eine Probe seiner Stärke abgegeben haben und Karl mit einer Eisenstange kurzzeitig umschlungen haben.

Dank guter Beziehungen zum russischen Zaren Peter I. konnte August 1709 auf den polnischen Thron zurückkehren. Das russische Heer besiegte an der Poltawa die Schweden und brach deren Vormachtstellung in Europa.

Jetzt stabilisierten sich in Sachsen die politischen und ökonomischen Verhältnisse, indem der Kurfürst die Generalkonsumtionsakzise, eine Art Mehrwertsteuer, für sich beanspruchte. Sie machte ihn finanziell wieder beweglicher. Zudem zahlte sich der sächsische Fleiß aus. Obwohl das Land nach dem Dreißigjährigen Krieg schwer gebeutelt war, entwickelten sich Handel und Gewerbe rasch.

Es gelang August allerdings nicht, in Polen eine Erbmonarchie einzurichten. Nach dem Tod seines Sohnes endete die Sächsisch-Polnische Union, und die Krone fiel wieder an polnische Adlige, von denen der letzte, Stanisław II. August Poniatowski, 1791 die fortschrittlichste europäische Verfassung ausrief. Zur Strafe wurde Polen in der Folgezeit dreimal von Preußen, Österreich und Russland geteilt. 

Bereits 1704 schien August die Ehe seines Sohnes mit einer Habsburger Prinzessin vorteilhaft. Der große Nachbar saß auch in Schlesien, das August auf seinen ständigen Reisen nach Warschau durchqueren musste. Sich mit Wien gut zu stellen, war also politisches Kalkül.

Dr. Reiner Zimmermann leitete von 1991 bis 2003 die Abteilung Kunst im Sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst. Er ist Herausgeber der Reihe „Denkmäler der Tonkunst in Dresden“ und seit 2015 Vorsitzender der Gestaltungskommission für den Westflügel des Dresdner Schlosses mit den Paradesälen.