Meißens westlichster Weinberg

Käbschütztal. Gerade noch euphorisch, der 2019er Wein ist in Flaschen abgefüllt, da zeigt wenige Tage später die Natur all ihre Unvorhersehbarkeit. Fast die gesamte Ernte 2020 fällt den Eisheiligen zum Opfer. „Es war eine widerliche Wetterlage. Zuerst eine unglaublich feuchte Luft. Um 23 Uhr klarte der Himmel auf und aus nördlicher Richtung zog Polarluft herein“, erzählt Winzer Martin Biedermann.
Vor zehn Jahren erwarb der 35-Jährige den knapp einen Hektar großen Weinberg im Käbschütztaler Mauna. Vor zwei Jahren reichte die Ernte erstmals für 2.000 Flaschen Wein, der 2019er Jahrgang ergab 5.000 Flaschen. Cuvée, Scheurebe, Grauburgunder, eine Art Frühburgunder – ein Weißwein aus Rotweintrauben und Riesling.
Biedermann, der als Kellermeister im Rothen Gut arbeitet, kommt ins Schwärmen: Denn erstmals in diesem Jahr wurde der Rebensaft auch auf dem Hof in Mauna abgefüllt. „Das war spektakulär“, sagt Biedermanns Geschäftspartner Dirk Dobiéy. Der 49-jährige Betriebswirt aus dem Nossener Ortsteil Gallschütz und Biedermann lernten sich vor Jahren beim Fußballspielen kennen.
Die gemeinsame Leidenschaft für die Reben, die ökologische Produktion und den gemeinschaftlichen Handel ließ sie die Cambium Compagnie gründen – eine GbR. Der ökologische Gedanke kommt nicht von ungefähr: So gehörte Biedermanns Ur-Großvater zu den Demeter-Pionieren. 1937 wurde seine Süßmost-Kelterei als erste nach den strengen Richtlinien dieses Bioverbandes zertifiziert.
Nach seiner Winzerlehre bei Schloss Wackerbarth und Schloss Proschwitz studierte Martin Biedermann in Geisenheim Weinbau. 2010 übernahm er den seit vielen Jahren brach liegenden Weinberg, der gerade noch als letzter Zipfel zum Meißner Weinbaugebiet gehört. Er rebte auf und „2015 hatte ich die ersten Träubchen zum Naschen“, sagt der Winzer. 2017 konnte er die ersten 500 Sektflaschen abfüllen. „Eigentlich sollte es ein reines Sektgut werden. Es ist der westlichste Wein von Sachsen. Nicht die Toplage. Aber eine sehr gute Sektlage.“ Doch die Jahre 2018 und 2019 waren sehr warm, „gute Bedingungen für guten Wein“, sagt Biedermann.

Eröffnung der Besenwirtschaft zu Himmelfahrt
Auch 2020 könnte ein gutes Weinjahr werden, zumindest gehen Prognosen wieder von einem warmen Sommer aus. Doch fast alle jungen, zarten Triebe sind erfroren. Martin Biedermann zeigt die Schäden in seinem Weinberg. Die Feuer in der unteren Hanglage konnten nicht viel ausrichten. „1.30 Uhr bin ich raus und um 4.30 war mir klar, dass fast die gesamte Ernte vernichtet wurde.“
So etwas hatte der Winzer in all den zehn Jahren noch nicht erlebt. Aber er ist dennoch optimistisch. Mit etwas Abstand betrachtet, sagt er: „Eine Woche später geht man ganz anders damit um. Jetzt liegt es an mir, aus den übrig gebliebenen Trieben trotzdem noch richtig guten Wein zu machen. Und am Ende sollen die Kunden entscheiden, wie der Spätfrostjahrgang war.“
Die Einstellung des Weinbauers kommt auch von seiner Überzeugung. Denn angefangen hatte er mit konventionellem Anbau. 2016 setzte er das letzte Mal synthetische Pflanzenschutzmittel, außer Kupfer und Schwefel, ein. „Meine innere Einstellung änderte sich. Ich fragte mich: Was will ich den Pflanzen und dem Boden zuführen?“
Seitdem beschäftigt sich Biedermann damit, wie er die Bodenfruchtbarkeit erhöhen kann. „Wir spielen mit Einsaaten wie Klee, der ein guter natürlicher Stickstoffdünger ist. Schafe sollen das Unkraut zwischen den Reben fressen und gleichzeitig düngen. Fünf Tiere gibt es schon. Ein paar müssen allerdings noch hinzukommen. „Man braucht für einen Hektar Fläche 20“, sagt Biedermann. Und das Fell der Schafe wird zwischen die Rebstockreihen gelegt. Es dient als Stickstoffdünger und speichert Wasser.
„Seit ich mich für den ökologischen Anbau entschieden habe, bin ich noch mehr im Berg, näher an den Reben. Ich bin noch fürsorglicher geworden“, beschreibt Biedermann seine Arbeit. Voriges Jahr hat er dann mit dem Bio-Kontrollverfahren begonnen, sodass er 2023 seinen ersten offiziellen Bio-Wein anbieten kann.
Wer den Rebensaft im Weinberg Mauna über Meißen in malerischer Umgebung probieren will, der kann das erstmals am Himmelfahrtstag. Ab 15 Uhr öffnet eine Besenwirtschaft bis zum Sonnenuntergang. Für den „Mauna-Beach“ wird extra Sand angefahren, Liegestühle werden aufgestellt, Lichterketten aufgehängt. Eben alles, was dazugehört, erzählt Dobiéy. Das Angebot bleibt aber keine Einmaligkeit. Jeden Freitag, Sonntag und Feiertag kann dann ein edler Tropfen ebenso genossen werden wie Bier und alkoholfreie Getränke. Und ein Pizzaofen verspricht kulinarische Kostbarkeiten.