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Messer auf Polizisten geworfen?

Ein hörsehbehinderter Mann aus Döbeln soll erst seine Frau geschlagen und dann zwei Beamte attackiert haben.

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© Symbolfoto: dpa

Von Tina Soltysiak

Döbeln. Hat ein gehörloser, stark sehbehinderter Mann ein Messer auf zwei Döbelner Polizisten geworfen? Diese Frage musste Richterin Marion Zöllner am Dienstag am Amtsgericht Döbeln klären. Angeklagt ist der Mann wegen des Versuchs der gefährlichen Körperverletzung sowie wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Laut Staatsanwaltschaft soll der Mann seine Ehefrau geschlagen haben. Die verständigte daraufhin per Notruf-Fax die Polizei. Sie ist ebenfalls hörgeschädigt. Als die Beamten eintrafen, habe der Angeklagte im Wohnzimmer gesessen. In der Hand hielt er ein Küchenmesser und deutete an, sich die Pulsadern aufschneiden zu wollen. Dann sei er aufgestanden und mit dem Messer in der Hand voraus auf die Polizisten zugegangen. Als diese den Rückzug antraten, habe er laut Anklageschrift das Messer in Richtung der Beamten geworfen. Es verfehlte beide knapp. Der Mann wurde daraufhin festgenommen.

Damit der Angeklagte dem Prozess folgen konnte, wurden ihm zwei Gebärdendolmetscherinnen zur Seite gestellt. Sie übersetzten auch seine Aussage. Er gab zu, seine Frau geschlagen und beim Eintreffen der Beamten ein Messer in der Hand gehabt zu haben. Er bestritt jedoch vehement, es geworfen zu haben. Er sagte, er sei mit dem Messer in der Hand auf die Polizisten zugelaufen. Als diese die Wohnung verließen, sei er ihnen hinterhergegangen, habe das Messer auf den Boden gelegt und sich danach widerstandslos festnehmen lassen. Seine Ehefrau stützte in ihrer Zeugenvernehmung vor Gericht diese Aussage. Im Vergleich zu ihrer polizeilichen Aussage vom Tatabend, dem 29. Juli 2016, hätten sich jedoch Widersprüche ergeben. Zur Erklärung verdeutlichte die 53-Jährige: Die Aussage sei ohne einen Gebärdendolmetscher zustande gekommen. Sie habe sich mit der Beamtin mit Händen und Füßen verständigt sowie durch Lippenlesen. Das Vernehmungsprotokoll habe sie zwar unterschrieben, ohne jedoch dessen Inhalt geistig voll erfassen zu können. Die vor Gericht anwesenden Gebärdendolmetscherinnen verdeutlichten, dass die deutsche Sprache in Wort und Schrift für Gehörlose beziehungsweise Hörgeschädigte wie eine Fremdsprache zu werten sei.

Schwierige Kommunikation

Vor Gericht sagte einer der beiden Polizisten aus. Er habe gewusst, dass die Verständigung mit dem Ehepaar schwierig werden würde. Woher er die Information am Einsatzabend hatte, daran erinnerte er sich nicht mehr. Er habe dem Angeklagten durch lautes Ansprechen sowie mithilfe von Gestiken vermitteln wollen, das Messer aus der Hand zu legen. „Als der Angeklagte mit dem Messer in der Hand auf mich zugelaufen kam, habe ich auf mein Bauchgefühl gehört und mich gemeinsam mit meinem Kollegen aus der Wohnung rückwärtslaufend ins Treppenhaus zurückgezogen.“ Normalerweise würden Messerangriffe mit der Dienstwaffe abgewehrt. Das kam ihm in Anbetracht der Umstände aber nicht angemessen vor. Er habe die Hand an der Dienstwaffe gehabt, diese aber – entgegen der Aussagen des Angeklagten und dessen Frau – nicht gezogen.

Sein Kollege sei bereits einen Treppenabsatz hinabgelaufen. Er habe auf halber Treppe gestanden, Blickrichtung Wohnungstür, als diese sich öffnete und der Angeklagte nahezu unvermittelt das Messer in ihre Richtung geworfen hätte.

Ein Gutachter attestierte dem Angeklagten aufgrund seines langjährigen, regelmäßigen, starken Alkoholkonsums eine verminderte Schuldfähigkeit. Es sei davon auszugehen, dass er zum Tatzeitpunkt einen Blutalkoholwert von über 2,8 Promille hatte. Seine Hörsehbehinderung sei jedoch nicht strafmildernd zu werten, da er geistig prinzipiell fit genug sei, um zu wissen, was er tut. Sollte es zu einer Verurteilung mit Gefängnisstrafe kommen, rät der Gutachter von einer Unterbringung in einem Maßregelvollzug ab. Die dortige Therapie werde dem Angeklagten aufgrund seiner besonderen Erkrankung nicht gerecht. Zudem stelle der Angeklagte keine Gefahr für seine Mitmenschen dar. Und er ist nicht vorbestraft.

Die Verhandlung wird am 1. Februar fortgesetzt. Aufgrund der erheblichen Unterschiede in der Schilderung des Tatablaufs sei es doch dringend erforderlich, den zweiten Polizisten persönlich zu hören, meinte Richterin Marion Zöllner. Zudem soll die Beamtin geladen werden, die die Vernehmung mit der Ehefrau des Angeklagten geführt hat.