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Mildners stehen auf Vogelhochzeit

Die Neschwitzer Bäckerei gibt es in der dritten Generation. Das Gebäck zum sorbischen Brauch lieben auch Bautzener.

Von Kerstin Fiedler
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Ingrid (l.) und Kathrin Mildner führen die Bäckerei in Neschwitz. Den Brauch der Vogelhochzeit finden Mutter und Tochter gut, auch wenn sie keine Sorben sind. Das Gebäck für diesen besonderen Tag, den 25. Januar, bieten sie gern schon ab Anfang Januar an.
Ingrid (l.) und Kathrin Mildner führen die Bäckerei in Neschwitz. Den Brauch der Vogelhochzeit finden Mutter und Tochter gut, auch wenn sie keine Sorben sind. Das Gebäck für diesen besonderen Tag, den 25. Januar, bieten sie gern schon ab Anfang Januar an. © Foto: SZ/Uwe Soeder

Neschwitz. Mit der ersten Woche im Januar geht es los. Da entstehen in der Bäckerei Mildner in Neschwitz die ersten Kokos-, Keks- und Creme-Nester. Aber auch Schaumvögel und Teignester werden hier angeboten. Kathrin Mildner weiß, dass viele ihrer Kunden vor allem die Teignester lieben, „weil die so schön luftig sind“, sagt sie. Am Freitag wird dann noch einmal eine große Menge vorbereitet, denn schon allein die DRK-Kita Max&Moritz in Neschwitz und der Hort der Fichte-Schule in Bautzen haben insgesamt 215 kleine Nester bestellt. 

Dass das Gebäck bis nach Bautzen gelangt, verdanken die Neschwitzer einer Erzieherin, die in Wetro wohnt und Kunde bei Mildners ist. Mit dem Vogelhochzeitsbrauch, den Kathrin Mildner und ihre Mutter Ingrid mögen, obwohl sie keine Sorben sind, überbrücken sie die kleine Flaute zum Anfang des neuen Jahres.

Übernahme mit einer Bedingung

Die Backtradition bei Mildners hat mit den Eltern von Ingrid Mildner zu tun. Der Vater stammte aus Neukirch, hat in der Zwiebackfabrik gelernt. Seine Frau kam aus Schmölln, hatte aber nichts mit dem Bäckerhandwerk zu tun. Nach der Ausbildung arbeitete der Opa von Kathrin Mildner an verschiedenen Orten. In der Handwerksrolle ist die Gründung der Selbstständigkeit mit 1949 eingetragen. Über die Stationen Lehndorf, einem Ortsteil von Panschwitz-Kuckau, und Uhyst a. T. kamen Mildners dann nach Puschwitz. Dort gab es neben der Backstube nur ein Zimmer, in dem die Familie dann schlief. 

Nachdem der frühere Besitzer der Bäckerei in Neschwitz ums Leben gekommen war, bewarb sich die Familie um Haus und Bäckerei. „Wir waren der vierte oder fünfte Bewerber“, erinnert sich Ingrid Mildner an das Jahr 1968. Doch da gab es eine Bedingung für die Übernahme: Der Vater des Vorbesitzers hatte dort noch zwei Zimmer. Und nur, wer zusagt, ihn dort auch mit Frühstück und Abendbrot zu betreuen, kam infrage. „Meine Mutter hatte so eine soziale Ader, da haben wir das eben gemacht“, sagt die heute 61-Jährige. Ende 1968 zog die Familie um. Das Grundstück in Puschwitz wurde behalten. Dort steht sonnabends immer der mobile Verkaufswagen.

Den Meister gemacht

Ingrid Mildner hatte dann auch Bäcker gelernt und den Meister gemacht. Sie hat sehr viel von ihrem Vater gelernt. „Opa und seine Backstube“, lacht Kathrin Mildner, die nun in der nächsten Generation die alten Rezepte weiter nutzt. Als der Opa 1999 starb, übernahm Ingrid Mildner das Geschäft. Für Kathrin Mildner war es nicht selbstverständlich, auch ins Geschäft einzusteigen. Sie lernte erst einmal einen kaufmännischen Beruf und kam durch ein Praktikum zur Firma Böpple-Bau in Königswartha. Dort konnte sie nach Abschluss der Ausbildung auch arbeiten. Als aber Stellen abgebaut wurden, hat sie überlegt, was sie macht. Und hat sich letztlich noch einmal für einen neuen Beruf entschieden.

„Ich habe Bäcker gelernt und gleich die Meisterausbildung angehängt“, sagt die sympathische Frau. 2008 wurde sie dann in der Bäckerei angestellt. Wie gut diese Entscheidung war, zeigte sich 2011. Da hatte ihre Mutter einen Schlaganfall, konnte nicht mehr arbeiten. Da mussten die beiden Frauen überlegen, wie es weitergeht. Sie haben sich für die Bäckerei entschieden. 

Ingrid Mildner ist weiter Inhaberin und hilft ab und zu noch einmal mit. Wenn sie dann das Rentenalter erreicht hat, wird ihre heute 39-jährige Tochter die Bäckerei übernehmen. Aber schon heute ist sie für die Backstube und das Kaufmännische zuständig. „Und die Bestellungen bei Hochzeitstorten, die werden nur bei mir gemacht“, sagt Kathrin Mildner. „Da pfusche ich gern noch mit“, lacht sie, obwohl sie auch eine Konditorin eingestellt hat. Insgesamt arbeiten fünf Mitarbeiter in der Backstube und drei im Verkauf. 

Arbeitstag beginnt 2 Uhr

Das Sortiment ist sehr vielfältig. Insgesamt bieten sie neun verschiedene Sorten Brot an – nur das Mischbrot gibt es jeden Tag, die anderen Sorten immer abwechselnd. Besonders beliebt sind Körner-Sorten, aber auch Roggenbrot. Beim Kuchen geht der Schmandkuchen besonders gut weg. Den gibt es zweimal in der Woche. Und wenn Kathrin Mildner mal etwas Neues ausprobiert, werden die Kunden über die Inhaltsstoffe informiert und nach einer Woche befragt, ob es geschmeckt hat. „Dann weiß ich ja, ob es ankommt und es lohnt, das Brot ins Sortiment zu nehmen“, sagt sie.

Der Arbeitstag in der Woche beginnt in der Backstube um 2 Uhr, sonnabends bereits um Mitternacht. Schließlich ist auch ein Verkaufsmobil unterwegs, das die Verkäuferinnen abwechselnd fahren. Donnerstags geht es über Land, gut angenommen werden am Sonnabend die drei Standorte in Luga. 

Dass ein Bäcker ungewöhnliche Arbeitszeiten hat, findet Kathrin Mildner nicht schlimm. „Da gibt es wenigstens eine Regelmäßigkeit. Schlimmer finde ich versetzte Schichten“, sagt sie. Gearbeitet wird dann bis um 12 Uhr. Dann hat Ingrid Mildner schon das Mittagessen auf dem alten Kohleofen zubereitet. Danach geht es ins Bett, damit sie abends auch noch etwas vom Tag hat, lacht Kathrin Mildner.