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Mindestlohn gefährdet Lebenstraum

Andreas Perge weiß nicht, ob er seine Kantine halten kann. Viele Kunden wollen den höheren Preis nicht zahlen.

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Von Maria Fricke

Die Kantine im Landratsamt, für Andreas Perge ist sie ein Lebenstraum. Vor acht Jahren hat der gelernte Koch diesen in die Tat umgesetzt und sich selbstständig gemacht. Vier fest angestellte Mitarbeiter sowie fünf Aushilfen haben den 49-Jährigen anfangs beim Kochen, Servieren und Ausfahren der Speisen unterstützt. Seit der Einführung des Mindestlohns zum 1. Januar muss er auf zwei Kräfte verzichten. Bei den anderen Mitarbeitern hat er die Stunden herabgesetzt. Auch die Preise für das Essen hat der Kantinenbetreiber angehoben. Aber gebracht hat all das kaum etwas.

2 000 Euro mehr im Monat kommen seit dem 1. Januar auf ihn zu. Durch die Preiserhöhung wäre das Geld wieder reingekommen, doch 30 Prozent der Kunden waren nicht bereit, mehr zu zahlen. Also musste Perge am Personal einsparen. Die jetzige Situation, sie stellt ihn noch nicht zufrieden. „Entweder ich muss noch mehr entlassen und das Geschäft weiter eindampfen oder ich muss schließen“, erklärt der Döbelner seine Alternativen.

Mit seinen Sorgen steht er nicht allein da. Auch Gisela Hitschke, die in Döbeln mehrere Geschäfte betreibt, Werner Busch von der Monsator Hausgeräte Dresden GmbH und Simone Kroll von der Pflege- und Betreuungs gGmbH der Arbeiterwohlfahrt haben ihre Schwierigkeiten mit dem Gesetz. Sei es die Anrechnung der Pensionskasse auf den Lohn, der Aufwand beim Ausfüllen der Arbeitszeitnachweise oder die generelle Anhebung der Löhne für alle Beschäftigten, die der Mindestlohn zur Folge hat. Die Probleme sind vielfältig.

„Der Mindestlohn ist nicht bis zur letzten Konsequenz durchdacht“, sagt Werner Busch, der 1997 die Monsator Hausgeräte Dresden GmbH gegründet hat. Bis zu 50 000 Euro an Mehrkosten kommen auf das Unternehmen, das inzwischen von seinem Sohn geleitet wird, pro Jahr durch den Mindestlohn und dessen Auswirkungen dazu. Zwar betraf es nur sieben Mitarbeiter, die zuvor unter 8,50 Euro pro Stunde bekommen haben. Doch damit in Zukunft der gerade erst ausgelernte Azubi nicht den gleichen Lohn wie sein Kollege bekommt, der schon seit vielen Jahren dabei ist, müsse auch dessen Lohn angehoben werden. Und das ist politisch durchaus gewollt, wie SPD-Bundestagsmitglied Daniela Kolbe deutlich macht. Die Leipzigerin ist Sprecherin der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales im Bundestag.

Woher die Unternehmen das Geld jedoch nehmen sollen, ist unklar. Ziel des Mindestlohnes sei es auch, dass sich die Preise auf dem Markt entwickeln. Doch nicht jeder Unternehmer kann beliebig die Preise erhöhen. Für Monsator beispielsweise sei die Konkurrenz zu Ketten wie Mediamarkt einfach zu groß. Auch bei den Kosten für Reparaturen lasse sich wenig machen. „Dann lässt keiner mehr seine Waschmaschine reparieren“, meint Busch.

Viele Unternehmen sind zudem verunsichert, weil sie auf einige Fragen keine Antworten bekommen. „Warum sind die Regularien so unklar?“, fragt sich Simone Kroll als Chefin von 150 Mitarbeitern. Die Antwort der SPD darauf bleibt ausweichend. Das Gesetz selbst umfasse nur wenig Text, sagt Daniela Kolbe. Vieles würde im Fragen-Antwort-Katalog des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geklärt. Zudem gebe es verschiedene Hotlines für die Unternehmen. Doch auch dort bekämen die Chefs nicht immer eindeutig Auskunft, wie Simone Kroll schildert. Dr. Ulf Spanke, Justiziar der Industrie- und Handelskammer (IHK) Chemnitz, kritisiert, dass der Katalog ganze 41 Seiten umfasst. Auf die Frage, warum er so ausführlich sei, gibt es von Kolbe kein Antwort.

Nicht eingetroffen nach über 100 Tage Mindestlohn ist bisher die befürchtete große Entlassungswelle. Das bestätigt auch die Agentur für Arbeit aus Freiberg. Bis zu 30 Prozent der Arbeitnehmer aus Sachsen hätten von der Einführung des Mindestlohns profitiert, sagt Daniela Kolbe. Mit der gerechten Bezahlung per Gesetz verfolgten die Politiker auch das Ziel, vor allem die jungen Leute in Sachsen zu halten. Arbeit solle entsprechend vergütet werden.

Die Döbelner Unternehmer begrüßen den Mindestlohn, sind gern bereit, mehr zu zahlen. Doch vielen fehlt einfach das Geld. Zudem fürchten sie die Kontrollen durch den Zoll. Dann werde es schon zum Problem, wenn einer mal eine halbe Stunde länger arbeite, weil viel zu tun sei, meint Perge. Einige Firmen aus dem Landkreis haben die ersten Kontrollen bereits hinter sich. Deren Chefs kritisierten vor allem, dass die Beamten in voller Montur und mit Dienstwaffe die Geschäfte und Betriebe besuchen, so Thomas Kolbe, Präsident der IHK Regionalversammlung Mittelsachsen. „Für die Gäste ist das natürlich nicht schön, zumal der Zoll immer den Eindruck von Schwarzarbeit erwecket“, meint Andreas Perge, der bisher noch nicht kontrolliert worden ist. Am Dienstag wird sich in Döbeln ein Mitarbeiter des Zolls den Fragen und Kritiken der Unternehmer aus der Region stellen (siehe Kasten).