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Minister in Meißen

Thomas de Maizière sprach mit Asylbewerbern sowie Nachbarn – und erzeugte Hoffnung, wo es wenig gibt.

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Von Dominique Bielmeier

Als Thomas de Maizière die kleine Dachgeschosswohnung nach rund 15 Minuten wieder verlässt, sind deren Bewohner und ihre neuen Freunde noch ein wenig verblüfft vom hohen Besuch, der da über sie hereingebrochen ist. „Wir wussten ja nur, dass irgendein Minister kommt“, sagt Regina Zschieschang mit einem glücklichen Lächeln. Die 70-Jährige wohnt mit ihrem Mann Karl-Heinz, 75, in dem Wohnblock am Albert-Mücke-Ring in Meißen. Heute sind die beiden, wie so oft in den vergangenen Monaten, bei Familie Jovic aus Serbien zu Besuch. „Ich durfte doch nicht verraten, wer genau kommt“, erklärt Kerstin Grimmer von der Diakonie Riesa-Großenhain. Daher nur die Kurzinformation. Am Ende sind alle stolz, weil es sogar der Bundesinnenminister war, der im kleinen Wohnzimmer am liebevoll gedeckten Tisch saß, ein Stück Kuchen aß und sich mit Vater Dejan, Mutter Sneia und den beiden Kindern Bogdan und Emilija über ihre Situation unterhielt. Das heißt, eigentlich übernahm das Sprechen die 16-jährige Schülerin, die nach sieben Monaten in Meißen schon überraschend gut Deutsch kann.

„So viele Chancen haben Sie nicht“

„Besuch einer dezentralen Flüchtlingsunterkunft in Meißen“ – so lautete der offizielle Titel des Termins am Freitagabend. Zu diesem waren neben der Presse auch der Flüchtlingsbeauftragte Ulrich Zimmermann, Kerstin Grimmer und Gerlinde Franke von der Diakonie, Pfarrer Bernd Oehler vom Bündnis Buntes Meißen sowie Seeg-Geschäftsführerin Birgit Richter eingeladen. Letztere vermietet über das Landratsamt mehr als 300 Wohnungen an Asylbewerber. Am Albert-Mücke-Ring leben etwa 40 Menschen, die in Deutschland ein neues Zuhause suchen. Der Kreis Meißen setzt auf dezentrale Unterbringung: Von den etwa 1 300 Asylbewerbern, die derzeit hier leben, ist ein Drittel in Wohnungen untergebracht, erklärte Zimmermann.

Ob dies die bessere Alternative zur Massenunterkunft sei, darauf hatte de Maizière keine pauschale Antwort. In Meißen scheine diese Variante jedenfalls zu funktionieren. Der Brandanschlag in der zukünftigen Asylunterkunft in der Rauhentalstraße habe ihn „traurig gestimmt“, sagte er vor dem Wohnblock. Mit der steigenden Aufnahmebereitschaft in der Bevölkerung steige auch die Zahl der immer aggressiveren Gegenstimmen und Übergriffe. „Wir haben in den sozialen Netzwerken eine Verrohung der Sprache, die spottet jeder Beschreibung“, so de Maizière. Die Radikalen, die dahinter steckten, seien in der Zahl am Ende vielleicht gar nicht so viele. „Ich glaube auch, dass Pegida-Leute unter verschiedenen Hüten diese Netzwerke betreiben“, mutmaßt der Minister. Außerdem könne man schlecht nachvollziehen, wer in rechten Gruppen wie der Initiative Heimatschutz auf Facebook tatsächlich aus Meißen komme. Vom Brandanschlag und den Hasstiraden gegen Flüchtlinge im Internet weiß Familie Jovic nichts. „Oma und Opa“ Karl-Heinz und Regina Zschieschang wollen sie mit diesen Geschichten nicht belasten. Der Minister fährt diesen Kuschelkurs im Gespräch nicht. Er fragt, woher die Möbel in der Wohnung stammen (aus Spenden), wie es um das Verfahren steht (noch nicht angehört), oder was die Eltern so die ganze Zeit treiben (einmal pro Woche Deutschkurs). Als er hört, dass die vier Serben Roma sind, sagt er ihnen ehrlich: „So viele Chancen haben Sie vielleicht nicht.“ Schon vor dem Haus hatte er erklärt, die Politik wolle Asylbewerber aus den sicheren Herkunftsstaaten wie Serbien in Zukunft gar nicht mehr erst auf Wohnungen weiterverteilen. Ihr Verfahren soll verkürzt und sie schneller zurückgeschickt werden.

Beim Ehepaar Zschieschang kommt diese Botschaft nicht an. „Wir möchten sie nicht wieder hergeben“, sagt der 75-Jährige liebevoll.