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Mit Butter und Siegel

Weinböhla liegt am Rand des Dresdner Christstollen-Gebietes. Bäckermeister Stan Schirmer stellt dort seit 20 Jahren Striezel her. Was drin steckt, ist geheim.

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Von Philipp Siebert

Weinböhla. Draußen ist es dunkel. Vom Backofen her strömt es würzig-süß. Es riecht nach Zimt, Rum und Rosinen. Jetzt – kurz vor eins – schlafen sich die meisten Weinböhlaer noch fit für den bevorstehenden Arbeitstag. Für Bäckermeister Stan Schirmer hat der schon vor etwa einer Stunde begonnen. Im weißen Arbeitshemd mit aufgesticktem goldenen Dresdner-Stollen-Siegel und schwarz-weiß karierter Hose steht der 38-Jährige vor dem Ofen, stülpt einen dicken Handschuh über, macht die Klappe auf und zieht ein Blech heraus – Stollen. Nicht irgendeinen Stollen. Stan Schirmer stellt ausschließlich originalen Dresdner Christstollen her. Der Bäcker ist einer von insgesamt vieren in der Gemeinde, die dem Stollenschutzverband angehören. Der vergibt das Siegel der Schutzgemeinschaft Dresdner Stollen e. V. Das weltweit bekannte Etikett bekommen nur Bäcker, die bestimmte Zutaten verwenden und ihre Stollen in Dresden und Umgebung produzieren. Das Geschäft von Stan Schirmer auf der Goethestraße ist der nördlichste Punkt dieses Dresdner Christstollenlandes. Der Striezeläquator endet in Weinböhla. Schon in Niederau darf kein Bäcker mehr ein Naschwerk mit gleichem Namen verkaufen. In Meißen schon gar nicht.

Mit der Hand tastet Stan Schirmer vorsichtig auf die Kruste, schaut kritisch nach dem Bräunungsgrad. „Die brauchen noch ein Weilchen“, sagt er. Bis sie goldgelb sind, bleiben die Stollen im Ofen. Mit einem Ruck schiebt er die Striezel zurück in den heißen Schlund.

Seit Ende September steckt der Chef der Bäckerei Gnauck im Stollenbackgeschäft. Noch läuft der Verkauf schleppend – wegen des Wetters. „Es ist zu warm“, sagt Stan Schirmer. Trotzdem fertigt er täglich Stollen mit Rosinen, Mandeln oder Mohn. 100 Kilogramm Stollenteig aus Mehl, Butter, Milch und Wasser verarbeitet er pro Nacht. Neben dem normalen Geschäft. Denn jeden Morgen backen Stan Schirmer und seine Frau Nastja noch Hunderte Brötchen und viele verschiedene Brote für den Verkauf in den zwei Filialen der Bäckerei. „Wir sind ein kleiner Handwerksbetrieb“, sagt der Bäckermeister stolz, „und setzen auf Qualität, nicht auf Masse.“

Die Ofenuhr klingelt. 60 Minuten waren die 25 Vierpfünder in der Hitze. Wieder tastet Stan Schirmer vorsichtig die Kruste ab. „Perfekt“, sagt er und zieht die Leiber heraus. Jetzt müssen die Stollen ruhen, bevor sie gebuttert und gezuckert werden.

Vor über 20 Jahren hat Stan Schirmer seinen ersten Stollen gebacken, damals als Lehrling bei seinem Opa Kurt. Von ihm übernahm der Weinböhlaer im Jahr 2001 auch die Bäckerei an der Goethestraße – samt dem traditionellen Stollenrezept. Ein Geheimrezept gibt es nicht, sagt er. Das Reglement für die Herstellung von Dresdner Christstollen ist streng. Es darf nur Butter verwendet werden, die Höchstmengen für Sultaninen, Zucker, Mandeln oder Trockenfrüchte sind vorgeschrieben. Jährlich wird das vom Stollenschutzverband anonym kontrolliert. Hält sich Stan Schirmer nicht an die Angaben, gibt es das begehrte Siegel nicht.

„Allein die Gewürzmischung macht den Unterschied“, sagt der kräftige Mann mit der Glatze. Und was ist drin? „Das ist eben unser Geheimnis.“

Also doch. Nur so viel sei verraten: Vanilleschoten und Muskatblüten gehören dazu. Außerdem kommt es auf die Festigkeit und die Ruhezeit des Teiges an und wie lange der Stollen bei welcher Temperatur im Ofen bleibt.