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Mit Giftgas gegen Holzfresser

Holzwürmer nagen am Inneren der Kirche. Spezialisten setzen dem Treiben jetzt ein Ende – und begeben sich dafür in Gefahr.

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© Lutz Weidler

Von Eric Weser

Strehla. Nein, Bammel hat Karl-Heinz Lasch nicht mehr. Nicht mit vierzig Jahren Berufserfahrung, sagt er und lacht. Dabei gäbe es eigentlich allen Grund, nervös zu sein. Denn der 63-Jährige befindet sich am Mittwoch in Strehla mitten in einer hochgiftigen Gaswolke. Karl-Heinz Lasch arbeitet als Schädlingsbekämpfer für eine Dresdner Bautenschutz-Firma. In Strehla übernehmen die Spezialisten dieser Tage den Auftrag, die Kirche mittels Begasung vom Holzwurm-Befall zu befreien .

Das Gotteshaus ist wegen Befalls von Holzwürmern jetzt begast worden.
Das Gotteshaus ist wegen Befalls von Holzwürmern jetzt begast worden. © Lutz Weidler
Wer hölzerne Gegenstände hatte, dem machte die Kirche das Angebot, sie mit in die Giftwolke zu stellen. Jemand brachte deshalb einen alten Handwagen mit geflochtenen Körben vorbei.
Wer hölzerne Gegenstände hatte, dem machte die Kirche das Angebot, sie mit in die Giftwolke zu stellen. Jemand brachte deshalb einen alten Handwagen mit geflochtenen Körben vorbei. © Lutz Weidler

Besonders am mehr als 400 Jahre alten Strehlaer Altar haben die winzigen Schädlinge im Laufe der Zeit gewütet. Kleine Holzmehl-Haufen zeigen, wo es sich die Larven des sogenannten Nagekäfers haben schmecken lassen. Mit weißen Kreidekreisen sind zig Löcher markiert, in denen die Holzwürmer zugeschlagen haben. Neben dem Altar sind auch noch einige andere Stellen im Haus befallen: die Empore zum Beispiel und die Orgel. Deshalb hat die Kirchgemeinde entschieden, die gesamte Kirche und nicht nur, wie zunächst geplant, nur den Altar begasen zu lassen.

Was allerdings einen erheblichen Aufwand bedeutet. Einerseits finanziell, denn die Aktion kostet 15 000 Euro. Andererseits dauert die Vorbereitung länger. Denn damit das Giftgas nicht nach draußen dringt, muss das Haus abgedichtet werden. „Das ist eigentlich die Hauptarbeit“, sagt Karl-Heinz Lasch und klebt eine Plastefolie an eine Außentür der Kirche. „Hundertprozentig dicht wird es natürlich nie. Aber wenn man’s ordentlich macht, merkt man draußen kaum was von der Begasung.“ Einen Tag brauchen Lasch und ein Kollege fürs Abdichten der Türen und Fenster.

Das Begasen ist dagegen ein Akt von nur wenigen Minuten. Knapp 50 Metalldosen mit je anderthalb Kilogramm Cyanwasserstoff – auch bekannt als Blausäure – werden in der Kirche von Karl-Heinz Lasch und seinem Kollegen geöffnet, ehe sich die beiden flugs durch eine Tür im Seitenflügel wieder nach draußen begeben. Der zunächst flüssige Dosen-Inhalt reagiere mit der Luft und ströme als unsichtbares Gas ins gesamte Kircheninnere aus, erklärt der Experte. Zusätzlichen Druck, wie bei anderen Begasungs-Verfahren, brauche es nicht. Nach drei bis vier Stunden sei die höchste Gas-Konzentration erreicht.

Sind die Chemie-Dosen erst einmal offen, dürften die Schädlingsbekämpfer „nicht mehr herumträumern“, so der Begasungstechniker. „Das möchte schon alles ein bisschen zügig vor sich gehen.“ Zwar schütze eine spezielle Maske Augen und Atemwege während der Arbeit in der toxischen Wolke. Bei hohen Temperaturen könne es aber auch „ein bisschen gefährlich werden“. Kopfschmerzen, Ohnmacht, Erbrechen – das sind Symptome einer sogenannten Cyanid-Vergiftung beim Menschen. „Zu Ost-Zeiten habe ich das mal erlebt“, erzählt der langjährige Schädlings-Bekämpfer. Einem damaligen Kollegen konnten Ärzte helfen. Atme man das Gas allerdings zu lange ein, bezahle man das – wie die Holzwürmer – mit dem Leben.

Karl-Heinz Lasch indes hat zahlreiche Giftgas-Einsätze überlebt – und das offenbar folgenlos. Gesundheitlich sei er fit, so der 63-Jährige. Anfang Oktober wolle in Rente gehen, seinen Beruf danach trotzdem noch weiter ausüben, erzählt er. Dass es ihn dann noch einmal für einen Begasungs-Termin in die Strehlaer Kirche verschlägt, das glaubt er aber nicht. „Ein Neubefall bei begastem Holz ist mir in all meinen vierzig Berufsjahren nicht untergekommen.“

Die Kirchennutzer bräuchten sich aber keine Sorgen machen, sagt Karl-Heinz Lasch. Wenn das Haus Ende August wieder zur Nutzung freigegeben wird, habe sich das Gas verflüchtigt. Oberflächen könne man dann auch bedenkenlos anfassen. Kein Grund für Bammel also.