Mit Helau-Rufen vorbei an den Zuschauern

Von Susann Metasch
Wittichenau. Um 7 Uhr klingelt der Wecker, und selten springe ich so schnell aus den Federn, wie an diesem Tag. Es ist der 22.02.2020 – ein Datum, auf das wir lange hingefiebert haben. Denn es ist Weiberfasching in Wittichenau und erstmals nehmen wir, die „Blumenfeen“, als Frauengruppe am Umzug teil. Auf ein Kostümthema hatten wir uns schon im vergangenen Jahr eingeschossen, im November dann mit Kreativ- und Bastelabenden gestartet, zahlreiche Kunstblumen bestellt und verklebt, unter Brandblasen gelitten oder manchmal auch alles wieder verzweifelt auseinandergerissen.
Doch die Mühe hat sich gelohnt und zum Maskenball liefen wir wie viele andere auf zur Premiere. Schon dort konnte man den Fleiß der anderen Kostümgruppen staunend begutachten. Unter den Froschköniginnen in ihren dunkelgrünen Gewändern befand sich zum Beispiel Prinzessin Mandy. Hier die Kakteen, dort kesse Rocker-Kirschen und daneben gleich die Kosaken – alle zeigten, „dass der Osten rockt“. Denn so lautete das Thema des diesjährigen Weiberfaschings. Doch zurück an den Frühstückstisch von Sonnabendmorgen. Flink noch die Grundlage für den Tag gelegt, dann geht es auch schon los: 9.30 Uhr treffen wir uns in unserer Gruppe, und was folgt, ist der reine Schmink-Marathon. Fast drei Stunden dreht sich alles um das perfekte Make-up mit viel Glitzer, aufwendige Frisuren mit dem pompösen Kopfschmuck und das gegenseitige Anschnüren der Kostümcorsagen. Mittlerweile sind auch die Kinder eingetroffen, die uns natürlich bei diesem aufregenden Erlebnis begleiten dürfen. Mit ihnen zusammen bestücken wir unseren Bollerwagen kiloweise mit Kamelle und Konfetti. „Das ist so viel, da können wir im nächsten Jahr noch reichlich davon zehren“, sagen wir selbstsicher, als wir das schwere Wägelchen durch die Straßen ziehen.
In der Gartenstraße angekommen, suchen wir unseren Startplatz mit der ausgelosten Nummer. Gruppe 80 von 103. Erstaunlich, wie schnell und unkompliziert sich der Zug so systematisch aufbaut und letztendlich pünktlich um 14 Uhr starten kann. Vor uns rollen die Kessen Kirschen aus Kulow auf ihren selbstgebauten Harleys Richtung Marktplatz. Hinter uns reihen sich hübsche Schneeköniginnen ein. Das bunte Treiben nimmt seinen Lauf und mit freudigen Helau-Rufen ziehen wir vorbei an tausenden Zuschauern. Bereits nach der ersten Runde schauen uns erwartungsvoll die Kinderaugen vom Straßenrand an und wir – stehen mit leeren Händen da! Über 20 Kilo Bonbons haben sich scheinbar in Luft aufgelöst ... Premieren sind dazu da, daraus zu lernen: Noch mehr Kamelle fürs nächste Jahr! Aber somit können unsere Kinder, deren Füße sie nach dem ersten Kilometer nicht mehr tragen wollen, in dem leeren Wagen Platz nehmen.
Nach dem Umzug gehen sie mit den Männern nach Hause und wir lauschen der deutsch-sorbischen Rede von Prinzessin Mandy, die uns anschließend zusammen mit dem Weiberfaschingsverein in die Mehrzweckhalle zum gemütlichen Beisammensein einlädt. Endlich sitzen. Kurz stärken und sich zu einem riesigen Gruppenfoto versammeln. Die Gruppa Karl Marx Stadt spielt deutsche und mottogerecht russische Partylieder. Das Treiben der wilden Weiberschar nimmt seinen Lauf und anschließend zieht es sie ’raus in die Bars der Stadt. Es ist bereits 21 Uhr, als wir einen Linienbus ankommen sehen. Aus Großdubrau kommt die Gruppe, die sich extra eines Reiseunternehmens bedient hat, um beim Wittichenauer Fasching mitzufeiern. Die Straßen füllen sich. Manchenorts muss man lange Wartezeiten in Kauf nehmen, um in die Partyhöhlen zu gelangen. Als wir dann auch noch auf Prinz Oli in der Gestalt von Krabat treffen und ihm gebührend „Heil dir im Siegerkranz“ singen wollen, versagen die Stimmen schon langsam. Es war ein schöner, aber sehr anstrengender Tag. Nach fast 18 Stunden auf den Beinen wird es Zeit, die Segel zu streichen und sich noch ein wenig Energie für die kommenden Tage zu bewahren. Schließlich wird der Wittichenauer Fasching noch bis Dienstag gefeiert und wir wollen an allen Tagen fröhlich mit dabei sein. So auch heute um 13.30 Uhr, wenn der Rosenmontagsumzug startet und wir ein wenig in Erinnerung schwelgen können, wie schön es doch am Sonnabend war – bei unserem ersten gemeinsamen Weiberfaschingsumzug.