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Mit Taschenspielertricks zum Weißen Gold

Johann Friedrich Böttger wollte Gold machen und erfand das Porzellan. Doch so einfach war die Sache nicht.

Von Ralf Hübner
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In Jungfernbastei wurde das Porzellan erfunden. Dort hatte Johann Friedrich Böttger experimentiert und gelebt. Eine Explosion hat die Gewölbe später vernichtet.
In Jungfernbastei wurde das Porzellan erfunden. Dort hatte Johann Friedrich Böttger experimentiert und gelebt. Eine Explosion hat die Gewölbe später vernichtet. © Sammlung H. Naumann

Das Meißner Porzellan – er soll es erfunden haben. Gold zu machen ist ihm hingegen nicht gelungen. Dennoch gilt Johann Friedrich Böttger als einer der großen Erfinder Sachsens. Mehr noch. Böttger und das Meißner Porzellan sind Teil der sächsischen Identität. Wohl vor allem deshalb hält der Staat schützend die Hand über die Porzellan-Manufaktur. Vor 300 Jahren ist Böttger am 13. März 1719 im Alter von nur 37 Jahren in Dresden gestorben.

Die Behauptung, Gold machen zu können, hätte ihn fast den Kopf gekostet. „Tu mir zurecht, Böttger, sonst lass ich dich hängen!“, soll August der Starke dem Alchemisten ungeduldig gedroht haben. Zusammen mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus und anderen gelang es ihm schließlich, 1708 das erste weiße europäische Porzellan zu brennen. Die Erfindung des Porzellans war Teamarbeit.

Böttger hatte sich selbst in Schwierigkeiten gebracht. 1682 wurde er in Schleiz als Sohn eines Münzmeisters geboren, 1682 war die Familie nach Magdeburg gezogen. Nach dem Tod des Vaters heiratete die Mutter erneut. Im Alter von 14 Jahren begann Böttger bei dem angesehenen Apotheker Friedrich Zorn in Berlin eine Lehre und bekam Kontakt zu Alchemisten. Er wurde besessen davon, Gold zu machen und den Stein der Weisen zu finden. Der Adept Lascaris soll ihm beim Abschied aus Berlin eine Substanz geschenkt haben, mit der sich angeblich Gold erzeugen ließ. Zorn war skeptisch. Um ihn zu überzeugen, verwandelte Böttger 1701 in einem folgenschweren Experiment vor dessen Augen und drei weiteren Zeugen 15 silberne Zweigroschenstücke in pures Gold. Wie er das angestellt hat und welcher Tricks er sich dabei bediente, ist nicht bekannt. Jedenfalls bekam Kurfürst Friedrich, neuerdings auch König in Preußen, Wind von der Sache und befahl ihn auf sein Schloss.

Doch Böttger flüchtete nach Wittenberg in Sachsen. Die preußischen Häscher verlangten die Auslieferung. Der Fall kam August dem Starken zu Ohren, der Böttger streng bewacht nach Dresden bringen ließ.

Jetzt sollte Böttger für August Gold machen. August hatte das Land in den Nordischen Krieg verwickelt, brauchte dringend Geld und hielt Böttger in Arrest, obwohl dieser eigentlich nichts verbrochen hatte. Er bekomme seine Freiheit erst wieder, wenn er sein ganzes Wissen preisgegeben habe, lässt ihn August schriftlich wissen. Böttger bekommt Laboratorien für Experimente. Gottfried Pabst von Ohain, einer der fähigsten Metallurgen Kursachsens, wird mit der Aufsicht betraut. Er bekommt Mitarbeiter, erfahrene Berg- und Hüttenarbeiter aus Freiberg, und wird in weitere Projekte eingebunden.

Johann Friedrich Böttger
Johann Friedrich Böttger © meissen®

Doch das Goldmachen geht nicht recht voran. Fluchtversuche scheitern, die Aufenthaltsorte wechseln zwischen Dresden, der Albrechtsburg in Meißen, der Festung Königstein. Böttger lernt den Gelehrten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus kennen, der schon etwa 20 Jahre an der Porzellanherstellung forscht. Er überzeugt Böttger, dabei mitzumachen. In der Jungfernbastei der Dresdner Festung, der jetzigen Brühlschen Terrasse, wird 1707 ein neues Laboratorium eingerichtet. Kurz nach Weihnachten kommt August samt Gefolge zu Besuch. Hitze schlägt ihnen entgegen. Eine feuerfeste Tonkapsel wird aus der Glut geholt, die Böttger öffnet. Mit einer Zange nimmt er ein noch schwach glühendes Teekännchen heraus und wirft es in ein Wasserfass. Ein explosionsartiger Knall soll zu hören gewesen sein. Der König glaubt, das Kännchen sei in Stücke zersprungen. Doch Böttger holt es angeblich unversehrt aus dem Wasser.

Allerdings handelte es sich dabei noch nicht um das weiße, sondern um rotes Porzellan, sogenanntes Böttgersteinzeug, dessen Herstellung schon im Mai 1706 erstmals geglückt war. Doch jetzt werden die Arbeiten intensiviert. Böttgers Leibarzt Johann Jacob Bartholomaei wird eingebunden. Der notiert am 15. Januar 1708 bei einem Versuch eine Rezeptur mit hellem Ton. Diese Aufzeichnung gilt als Geburtsurkunde für das weiße Hartporzellan. Doch erst die Verwendung von Kaolin machte Böttgers Porzellan später so weiß wie das chinesische Vorbild. 1710 werden die Erfindung des Porzellans und die Einrichtung einer Manufaktur offiziell bekannt gegeben. Tschirnhaus hat das nicht mehr erlebt. Er war im Herbst 1708 gestorben.

Gold zu machen ist Böttger auch später nicht gelungen. 1714 kam er frei. Vier Jahre später erkrankte er schwer. Der jahrelange Raubbau an der Gesundheit, die ungesunden Arbeitsbedingungen, der permanente psychische Druck und die Trunksucht machten sich bemerkbar.

Das geheime Labor von einst unter der Brühlschen Terrasse gibt es nicht mehr. Das Gewölbe flog schon 1747 in die Luft, als ein Blitz in die Festungsanlage fuhr, in der sich auch ein Pulvermagazin befand.