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Nachwuchs aus dem Netz

Noch strömen die Görlitzer Jugendlichen in die Sportvereine. Trotzdem könnte sich in Zukunft einiges ändern.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sabrina Winter

Philipp Schmidt sitzt in seinem Bürostuhl, in den Händen hält er eine halbvolle Coke, an deren Deckel er dreht. Der 26-Jährige ist Gründer und Manager des GBC Squirrels e.V., dem größten Basketballverein in Görlitz. Nachwuchsprobleme? Er schüttelt den Kopf. Seit der Vereinsgründung vor vier Jahren kommen immer mehr Mitglieder dazu, auch im Bereich der Unter-18-Jährigen. Erfolgsgeheimnis? „Es hilft, wenn ein Sport international angesagt ist. Mit Dirk Nowitzki und Dennis Schröder spielen gerade zwei Deutsche in der NBA“, sagt Schmidt. Doch das ist nicht alles: „Wichtig ist heutzutage, im Internet hip und interessant zu wirken, oder zumindest präsent zu sein. Einfach auf die Tradition des Vereins zu setzen, reicht oft nicht.“

Durch eine vielfältige Präsenz in den neuen Medien, dazu gehört natürlich an erster Stelle Facebook, komme man ganz anders an Talente – und sie umgekehrt an den Verein, den sie suchen. So war es auch bei Irwin Springer. Der kleine Spanier, der mit seiner Familie erst vor Kurzem nach Görlitz kam, ist der jüngste Neuzugang bei den Squirrels. Mit sieben Jahren ist er nebenbei noch das jüngste Eichhörnchen aller Zeiten. Darauf ist auch der Vereinschef Phillip Schmidt stolz. Und darauf, dass Irwins Mama den Verein im Internet fand.

Schmidt selbst kam damals durch seinen Onkel zum Basketball, der ihn mal zum Training mitnahm. „So lief das früher oft, da gab es die Tradition, dass Vater oder Großvater schon für den Verein gespielt hatten“, sagt er. „Aber heute funktioniert Nachwuchsgewinnung anders.“

Das bestätigt Marko Weber-Schönherr. Er ist Geschäftsführer des Kreissportbunds Görlitz und hat alle Vereine der Region im Blick: „Ohne Homepage geht es fast gar nicht mehr. Jeder Verein weiß, dass es Konkurrenzangebote gibt. Da ist es wichtig, sich im Internet zu zeigen, oder an Schulen Kinder anzusprechen.“ Um junge Leute zu erreichen, muss man die gleichen Kanäle nutzen wie sie, oder eben dort sein, wo sie sind. Eigentlich ist es heute leichter: Mit ein paar Klicks gestaltet man einfach Eigenwerbung. Einige Vereine machen das gut, beim Schwimmen etwa der SV Lok, beim Handball der SV Koweg oder der Europamarathon-Verein. Doch mit Namen tut sich Weber-Schönherr schwer: „Die Vereine geben alle ihr Bestes, man erwähnt immer wieder die gleichen. Das ist nicht gut.“

Egal, ob Vereine Websites, Facebook und Co. für sich nutzen, oder nicht: Nachwuchsprobleme haben zumindest diese Vereine keine. Bei den Jugendlichen, die jünger als 18 Jahre sind, klettere die Kurve in der Statistik bergauf. Bei allen zwischen 18 und 50 Jahren knickt sie nach unten. Eine Begründung dafür ist leicht gefunden: Wer mit Abitur oder Ausbildung fertig ist, zieht oft weg. Denn größere Städte bieten größere Arbeitsmärkte.

Marko Weber-Schönherr sieht noch ein anderes Problem: Es gibt zu wenige Übungsleiter. „Dort haben wir einen riesigen Bedarf!“ Außerdem hat Görlitz nicht genug Turnhallen. „Die Kapazität reicht bei Weitem nicht. Der Schulsport dauert bis 16.30 Uhr. Erst danach können die Vereine in die Hallen, es bleibt nur wenig Zeit für sie“, sagt Weber-Schönherr. Er und Phillip Schmidt wünschen sich, dass der Sport einen höheren Stellenwert in der Bevölkerung hätte. Schmidt erklärt: „Der Verein wird zum Dienstleister: Man bezahlt und erwartet etwas dafür. Früher haben sich die Leute ehrenamtlich eingebracht, heute sinkt die Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren.“ In der Zukunft steht der Sport vielleicht gar nicht vor dem Problem, dass es zu wenig Nachwuchs gibt. Viel mehr könnte es niemanden geben, der diesen trainiert.

Aber zumindest bei den Görlitzer Basketballern ist das momentan kein Problem. Hier engagiert sich der Trainer noch weit über das hinaus, was man erwarten könnte. So führt Philipp Schmidt nicht nur die Geschäfte des Vereins und ist Chef- und Nachwuchstrainer, sondern er sitzt viele Abende daheim am PC und führt für jeden Einzelnen der 120 Spieler ausführlich Statistiken. Für ihn gehört das dazu, er nennt es Transparenz schaffen. So könne jeder schnell sehen, wo er steht. Oder Eltern die Trainingsfortschritte der Kinder verfolgen. „Das ist zwar sehr zeitintensiv, aber mir ist es das wert.“ Letztlich ist das auch eines der Erfolgsgeheimnisse, warum es der Verein von anfangs sieben Leuten auf heute 120 Mitglieder geschafft hat.