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Nette Nachbarn

Axel Lindner beobachtet seine Nachbarn. Nicht etwa hinter der Gardine. Nein, ganz ungeniert. Er schaut ihnen aus dem geöffneten Fenster zu, zückt manchmal sogar das Fernglas und rückt ihnen nicht selten auf die Pelle.

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Axel Lindner beobachtet seine Nachbarn. Nicht etwa hinter der Gardine. Nein, ganz ungeniert. Er schaut ihnen aus dem geöffneten Fenster zu, zückt manchmal sogar das Fernglas und rückt ihnen nicht selten auf die Pelle. Was die Nachbarn so treiben, will Axel Lindner genau wissen. Denn die Störche vor seinem Fenster sind nur ein paar Monate da. Und endlich wieder! Axel Lindner ist ein Fan der Störche, der erste und letzte Blick am Tag gehört diesen beiden Vögeln. Die Störche gehören bei Lindners praktisch zur Familie. Sind sie da, ist Frühling und Lindners wieder auf ihrem Wachposten.

Sie wohnen am Mühlenweg in Frankenthal. In einem hübschen Haus mit viel Grün ringsherum und bestem Ausblick auf das Zuhause der Störche. Nur ein paar Schritte sind es bis zum Nest direkt an der Hauptstraße. Es ist eines der letzten „Häuser“ im Dorf in Richtung Goldbach – und das höchste. Meterhoch thront es auf einem Strommast. Frankenthal liegt den Störchen zu Füßen, Wiesen und ein Teich mit bestem Futter ebenfalls.

Axel Lindner nimmt seine Tochter Luise an die Hand. Sie flitzen schnell mal rüber, den Störchen Hallo sagen. Seit Ende März sind die Tiere da. Eines steht gerade auf dem Nest. „Der andere sitzt bestimmt auch mit drin“, sagt Axel Lindner. Zu sehen ist es nicht. Vater und Tochter blicken hinauf. Es nieselt. Es macht den beiden nichts aus, den Vögeln über ihren Köpfen auch nicht. Oder doch? Plötzlich ist Bewegung im Nest. Beide fliegen auf und davon. An den neugierigen Gästen wird es nicht liegen, sagt Axel Lindner. Die Frankenthaler Störche seien daran gewöhnt. „Es halten immer wieder Leute an und fotografieren“, sagt er. Das störte sie nicht. „Die haben ja sogar gebrütet, als unter ihnen die Straße komplett saniert wurde.“

Das milde Wetter machte den Start in die Saison leicht. Die Frankenthaler Störche sind putzmunter. Axel Lindner beobachtet, wie sie über seinen Komposthaufen im Garten staksen und Futter suchen. Wie sie auf der Wiese Heu und Federn sammeln und damit ihr Nest bequem machen. Sie sind gut drauf. Sie klappern immer zur Begrüßung, ganz laut. „Sie haben sich auch schon oft sehr gern gehabt“, sagt Axel Lindner und zwinkert mit den Augen. Sein Töchterchen steht daneben. Sie ist erst fünf. Doch hofft wie der Papa auf Nachwuchs im Storchennest. Ist doch egal, wie er zustande kommt. Gemeinsam sind sie ganz nah dran am Treiben der netten Nachbarn auf Zeit. „Früher stand das Nest noch dichter an unserem Haus“, sagt Axel Lindner. Nach Angabe von Mathias Hüsni von der AG Weißstorchschutz war es einer der ersten Horste überhaupt in der Region. 1934 wurde es angelegt und Jahr für Jahr neu bezogen. Gepflegt wurde es von Menschenhand nie, deshalb war es für einen heftigen Sturm um das Jahr 2000 wohl ein Leichtes, es auf die Freileitung abstürzen zu lassen. „Es wurde dann ein neues Nest gebaut, eben nur wenige Meter an der Hauptstraße“, sagt Axel Lindner. Doch es dauerte einige Zeit, bis sich die ersten Störche wieder dauerhaft niederließen. Axel Lindner glaubt sich zu erinnern, dass erst 2008 erstmals ein Pärchen hier brütete – und Nachwuchs flügge wurde. „Ihre ersten Flugversuche unternahmen die Jungtiere von unserem Dach aus“, sagt Axel Lindner.

Nöte im Nest

Doch seitdem steht der Horst in Sachen Nachwuchs unter keinem guten Stern. Lindners beobachteten auch Nöte im Nest. Sie mussten ansehen, wie sich erst kleine Köpfchen in die Höhe reckten und später nie mehr zu sehen waren. Dramatisch war die Lage vor allem im vergangenen Jahr, dem schlechtesten seit 20 Jahren, als Kälte und Nässe junge Störche sterben ließen. Auch in Frankenthal. Nur ein einziges Jungtier im Bischofswerdaer Land schaffte es. Nur im Nest auf der Bühlauer Hexenburg trotzte tapfer ein Jungtier den Wetterkapriolen und wurde flügge. Wer weiß, vielleicht ist er schon wieder im Lande. Denn wieder ist Frühling, wieder Hoffnung auf ein gutes, ein besseres Storchenjahr.

Denn nicht nur nach Frankenthal sind die Störche zurückgekehrt. Auch auf einem Schornstein im ehemaligen Rittergut in Putzkau, auf der Hexenburg in Bühlau und den Dächern des Barockschlosses Rammenau klappern sie. Und ganz bestimmt noch in vielen anderen Nestern. Die umtriebigen, ehrenamtlichen Naturschützer der AG Weißstorchschutz werden in jedes ganz genau gucken und akribisch notieren, wo sich Nachwuchs einstellt. Jedes Tier ist ein Erfolg in Zeiten bedenklich stark schrumpfender Populationen. Die Naturschützer sehen einen Grund im Nahrungsmangel. Sie meinen, wenn Mais und Korn auf Feldern zu hoch stehen, gibt es für Störche kaum Chancen, Mäuse zu fangen.

Die zwei Frankenthaler Störche kommen gerade zurück nach Hause. Sie werden den Trend nicht aufhalten können. Und geben dennoch ihr Bestes. Axel Lindner sieht sie jetzt auffallend oft im Nest sitzen. Bestimmt brüten sie. Er wird Bescheid geben, wenn kleine Köpfchen aus dem Nest gucken.