SZ +
Merken

Neue Freunde, neue Heimat

Yazan Abouras’ Start in Dresden ist steinig. Doch dann bekommt er unerwartete Hilfe.

Teilen
Folgen
NEU!
© sächsische zeitung

Von Linda Barthel

Kochen konnte Yazan nie. Trotzdem ist das Lamm nicht angebrannt, die Reiskörner sind weder zu hart noch zu weich, und im Joghurt-Gurken-Dip fehlt kein Salz. Vor einigen Monaten wäre dem 22-Jährigen dieses Menü sicher noch nicht so schmackhaft gelungen. Die Not lässt eben jeden schnell dazulernen. Yazan Abouras brachte sich aber nicht nur das Kochen bei. Er musste lernen, wie man ein fremdes Land zu seiner neuen Heimat macht. Vor einem Jahr kam der Syrer als Flüchtling nach Dresden. Alleine, ohne Eltern und Geschwister. Die ersten Monate waren sehr schwierig. Doch dann traf Yazan ein Paar, das ihn auf seinem Weg in ein neues Leben begleitete.

Yazan Abouras (M.) ist leidenschaftlicher Gitarrenspieler. Seine Freunde Ronny von Loh und Nicole Griesbach hören gerne zu. Foto: Christian Juppe
Yazan Abouras (M.) ist leidenschaftlicher Gitarrenspieler. Seine Freunde Ronny von Loh und Nicole Griesbach hören gerne zu. Foto: Christian Juppe

„Seine Herzlichkeit ist wirklich beeindruckend“, sagt Nicole Griesbach, als der junge Mann einen Teller nach dem anderen auf den Wohnzimmertisch stellt. Die 26-Jährige und ihr Freund Ronny von Loh lernten den Syrer vor einiger Zeit bei einem Kochabend vom Netzwerk Willkommen in Löbtau kennen. „Wir sind gleich ins Gespräch gekommen. Yazan spricht sehr gut Englisch“, sagt die Versicherungsangestellte. Aufs gemeinsame Kochen folgen mehrere Kino- und Neustadtabende. Aus Bekannten werden Freunde. Freunde, deren Hilfe Yazan gut gebrauchen kann.

Im August vergangenen Jahres hat der 22-Jährige seine Heimat Damaskus verlassen. „In Syrien konnte ich nicht länger bleiben. Es ist nicht mehr das Land, das es einmal war.“ Mit Rucksack, Laptop und Gitarre fährt er zunächst nach Beirut, fliegt dann nach Istanbul und weiter nach Mailand. Von dort aus geht es schließlich mit dem Zug nach München und Dresden. Anfangs lebt Yazan in einer Acht-Mann-WG in Gorbitz. Oft muss er Pöbeleien über sich ergehen lassen. Nachdem ihn Fremde auf offener Straße attackieren, packt der Syrer seine Sachen. Er fährt nach Berlin und lebt zwei Monate bei einem Freund aus der Heimat. Doch auch hier kommt Yazan nicht zur Ruhe. Er fühlt sich in der Großstadt unwohl, muss außerdem zurück nach Dresden, um einen Ausweis zu beantragen. Eine Herausforderung, denn alle Formulare sind auf Deutsch. Sein gutes Englisch hilft Yazan da nicht weiter.

Aber Nicole und Ronny tun es. Gemeinsam füllen sie alle Bögen aus und schicken sie an die Behörden. Danach begeben sich die drei im Internet auf Wohnungssuche. In der Gorbitzer WG möchte der Syrer nicht bleiben. Doch bis die passenden vier Wände gefunden sind, dauert es. „Wir haben einige Vermieter angeschrieben, und ich habe die nötigen Anrufe bei den Ämtern gemacht“, sagt Ronny. In der Pirnaischen Vorstadt findet Yazan schließlich eine Wohnung, sucht dann bei Ebay Kleinanzeigen nach Möbeln. Doch der Syrer traut sich nicht, die Besitzer selbst zu kontaktieren. „Er hat die Sachen immer abfotografiert, mir geschickt und gesagt: Schreib du dem bitte“, sagt Ronny. Abgeholt hat Yazan die Möbel aber selbst.

Seine Familie konnte der junge Mann den neuen Freunden noch nicht vorstellen. Die Eltern und vier Geschwister leben in Syrien. Kontakt halten sie über das Internet. „Meine Familie weiß noch nicht, ob sie nachkommt. Sie haben Angst vor dem Krieg, würden das Land aber nie auf einem Boot verlassen“, sagt der junge Mann. „Ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehe. Ich hoffe bald. Niemand ist gern von seiner Familie getrennt.“ Yazan lässt sich seine Trauer kaum anmerken. Doch es gibt auch andere Momente. „Manchmal sagt er, dass es ihm nicht so gut geht. Dann will er alleine sein oder abgelenkt werden“, so Nicole.

Der 22-Jährige hat in der Zwischenzeit zwei Kartons mit arabischer Aufschrift aus der Küche geholt. „Meine Eltern schicken mir manchmal Süßigkeiten.“ Während Yazan die Plätzchen verteilt, erzählt er von seinen Zukunftsplänen. Der Syrer möchte so schnell wie möglich Deutsch lernen, um das in Damaskus begonnene Architekturstudium hier fortzusetzen und zu beenden. Seit Juli geht er täglich in eine Sprachschule und kann sich mittlerweile schon auf Deutsch verständigen. Ronny und Nicole helfen Yazan beim Lernen. Der freut sich: „Ich habe in Dresden wirklich tolle Freunde gefunden.“