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Neue Töne aus alter Orgel

Am Sonntag erklingt die restaurierte Buckow-Orgel das erste Mal in Nieder Seifersdorf. Und das ohne Strom.

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© André Schulze

Von Steffen Gerhardt

Nieder Seifersdorf. Von der Handhabung und dem Klang der Nieder Seifersdorfer Kirchenorgel ist Martin Strohhäcker begeistert. Der Professor an der Hochschule für Kirchenmusik in Dresden überzeugte sich am Dienstag davon. „Ich gebe am Sonntagabend ein Konzert an der Orgel, heute habe ich mir einen Eindruck verschafft, wie die Werke klingen“, sagt er als Orgelspieler. Denn wer Kirchenmusik lehrt, muss auch Orgel spielen können – und das macht Martin Strohäcker gern. So nahm der 59-Jährige dankend das Angebot der Kirchgemeinde an, der erste Musiker an der frisch restaurierten Orgel zu sein. Sein erstes Publikum hatte der Professor bereits Dienstagvormittag. Nieder Seifersdorfer Grundschüler besuchten im Rahmen des Religionsunterrichtes die Wehrkirche. Umso glücklicher waren sie, dass jemand da war, der die Orgel spielte. „Das hat die Kinder schon interessiert und sie haben mich mit Fragen gelöchert“, sagte Martin Strohäcker.

Mit dem Konzert am Sonntag wird der musikalische Schlusspunkt unter die fast eineinhalb Jahre dauernde Restaurierung der Orgel gesetzt. Pfarrer Andreas Fünfstück wertet das Konzert als einen Neubeginn für die Orgel und damit die Kirche. Denn schon lange brauchte die Königin der Instrumente eine Generalüberholung. Aber dafür musste erst einmal Geld besorgt werden. 104 000 Euro sind für die Sanierung des Instrumentes vorgesehen. Die Hälfte der Summe brachte im November 2016 der damalige Bundestagsabgeordnete Michael Kretschmer (CDU) in Form eines Fördermittelbescheides nach Nieder Seifersdorf. Freude und Erleichterung in der Kirchgemeinde, war damit die finanzielle Last auf ihren Schultern verringert. „Seit 2009 haben wir für die Orgel gesammelt und dank vieler Spender und Sponsoren sowie dem Bund die Summe zusammen bekommen. Dafür möchte ich mich bei allen recht herzlich bedanken“, betont Pfarrer Fünfstück. Sein Dank richtet sich auch an die Handwerksbetriebe, die an der Orgel schafften und dabei nicht auf den Euro und die Stunde schauten.

Der Löwenanteil der Arbeiten fällt auf die Orgelbaufirma Ekkehart Groß aus Waditz in der Gemeinde Kubschütz. Sie brachte das Innere der Orgel auf Vordermann, sowohl was die Mechanik betrifft, als auch die Erneuerung der Pfeifen. Um die elektrischen Dinge an dem Instrument kümmerte sich der Elektrofachbetrieb Renner aus Nieder Seifersdorf und für einen neuen Anstrich der Orgel sorgte Malermeister Riedel aus Arnsdorf. Die Restaurierung des Orgelprospekts lag in den Händen von Anke und Jan Großmann aus Radebeul.

Nicht alle der schätzungsweise 1 000 installierten Pfeifen wurden ersetzt, aber zumindest die Reihen der sichtbaren Pfeifen am Orgelprospekt. Der Austausch wurde dringend notwendig, erläutert der Pfarrer. So wie im 2. Weltkrieg die Kirchenglocken, mussten im 1. Weltkrieg die Orgelpfeifen der Waffenindustrie zur Verfügung gestellt werden. Das Metall wurde eingeschmolzen für Kriegsgeräte. Auch die 1841 vom schlesischen Orgelbaumeister Carl Friedrich Ferdinand Buckow (1801-1864) erbaute Orgel blieb davon nicht verschont. Nach dem Krieg wurden die entfernten Pfeifen wieder ersetzt, aber das Zinkblech war von minderer Qualität. Es  hatte nicht den Klang wie die jetzigen Pfeifen, die aus einer Zinn-Blei-Legierung sind und der Orgel einen neuen Glanz geben.

Auf den Schrott sind die alten Pfeifen aber nicht gewandert. „Acht große Exemplare wollen wir am Sonntag unter den Gästen versteigern“, sagt Andreas Fünfstück. Dabei sollten die Bieter Geld in dreistelligen Beträgen in der Tasche haben, denn die ersten Interessenten gibt es schon. „Die Einnahmen kommen der weiteren Restaurierung der Kirche zugute. Denn nachdem wir eine schöne Orgel haben, soll auch der Innenraum verschönert werden“, erklärt der Pfarrer.

Wenn am Sonntag Martin Strohhäcker die Orgel zum Klingen bringt, dann wird das ohne Strom passieren. Für die Luftzufuhr sorgt nicht wie üblich ein Elektromotor, sondern menschliche Beinkraft, die einen Blasebalg tritt. Auserkoren dazu sind die besten „Treter“, die an einem Casting anlässlich eines Orgelmarathons am 29. Oktober sich dem Wettbewerb stellten. Insgesamt 50 Frauen und Männer beteiligten sich an dem Casting, bei dem Rhythmus und Ausdauer gefragt waren.

„Stromlos Nr. 1“ nennt sich das erste Konzert an der restaurierten Buckow-Orgel am Sonntag in der Wehrkirche Nieder Seifersdorf. Es beginnt 19.30 Uhr, eine halbe Stunde zuvor wird eine Laudatio auf die Orgel gehalten. Der Tag selbst ist ausgefüllt mit einem Festgottesdienst um 8.45 Uhr mit Kantorin Hannelore Schulz und einem Frühschoppen ab 10 Uhr in der Alten Pfarre. Eine Orgelführung mit den Restauratoren beginnt 10.30 Uhr. Ab 12 Uhr erklingt Musik von der Orgel aus.