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Nie wieder „geboren in Radebeul“

Die Geburtsklinik soll zum 1. Januar 2014 schließen. Die Proteste sind nach dem Kreistagsbeschluss nicht geringer.

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Von Ines Scholze-Luft

Es ist besiegelt. Die Kreisräte haben in Mehrheit ihre Hand gehoben. Es soll in wenigen Wochen keine Geburten mehr im Radebeuler Krankenhaus geben. Als die Elblandkliniken diese Woche ihren vom Kreistag gebilligten Entwicklungsplan vorstellten, waren die letzten Hoffnungen auf eine Chance für die Geburtshilfe in Radebeul dahin. Sie schließt zum 1. Januar nächsten Jahres. Endgültig.

Noch keine zwei Monate ist die Information alt. Radebeuls Stadtführung erfuhr im Sommer davon. Die Bürger der Stadt erst im September. Den Beschluss wollen viele so nicht hinnehmen. Zu denen, die diese Entscheidung besonders bedauern, gehört die Radebeulerin Birgit Andert. Die 39-jährige Journalistin kennt die Gründe dafür. Zumindest die, die offiziell genannt wurden. Zu wenig Kinder, 700 müssten es sein, Radebeul bringt es nur auf eine Geburt pro Tag. Die fehlende Kinderklinik, weshalb schon manche werdende Mutter für die Entbindung Dresden wählte. Auch Birgit Andert. Als sich die Geburt von Sohn Ole vor sieben Jahren ankündigte, riet ihr die Frauenärztin, auf Nummer sicher und in ein Krankenhaus mit Kinderklinik zu gehen. Die junge Frau wählte Dresden-Neustadt. Wo sie sich angesichts des Andrangs wie am Fließband behandelt fühlte.

Sie nennt diese Erfahrung schrecklich. Drei Jahre später entschied sie sich deshalb, Tochter Jule in Radebeul zur Welt zu bringen. Trotz der fehlenden Kinderklinik. Was sie nicht bereut hat. Denn dort fand sie eine entspannte, familiäre Atmosphäre vor, eine stillfreundliche Station, Beratung und Begleitung auch bei der Nachbetreuung. „Neustadt ist sicher effektiver. Aber es zählt auch, wo ich mich wirklich wohl und sicher gefühlt habe.“ Leider würde nun durch die Schließung die Möglichkeit vertan, von Anfang an eine gute Bindung zu diesem Haus aufzubauen.

Oberbürgermeister Bert Wendsche (parteilos) wartet immer noch auf konkrete Zahlen, die die Schließung der Geburtsstation und die weitere Entwicklung der Radebeuler Klinik begründen. Er habe bisher nicht erfahren, welche Investitionen geplant sind und wie das Ganze finanziert werden soll. Auch zur Frage der Parkplätze und zum Verlegen der Rettungszufahrt ist bei ihm nichts angekommen. Doch zum medizinischen gehöre auch das wirtschaftliche Konzept. Solange nichts Belastbares bei der Stadt vorliegt, werde Radebeul seine Position aufrecht erhalten. Der OB und die Fraktionschefs im Ältestenrat – außer der SPD – hatten eine Resolution gegen die Schließung der Geburtsklinik verabschiedet und an Landrat Arndt Steinbach (CDU) und den Klinikchef geschickt.

Während auf politischer Ebene die Standpunkte zur Klinikschließung zwischen Stadt und Kreis auseinandergehen, sind viele gebürtige Radebeuler enttäuscht über das Ende der Station. Fotograf Harald Hauswald, der seit langem in Berlin wohnt, kam 1954 in Radebeul zur Welt. Der Mitbegründer der Berliner Fotoagentur Ostkreuz sagt: „Es ist schon etwas Besonderes, ein gebürtiger Radebeuler zu sein.“ Für ihn verbindet sich mit der Lößnitzstadt nun sogar der Geburtsort seiner Frau – er heiratete vor wenigen Monaten. Mit den gebürtigen Radebeulern gehe doch auch der Name der Stadt in alle Welt. Dass das nicht mehr so sein wird, bedauert er sehr.

Die Radebeuler Künstlerin Dorothee Kuhbandner ist gleich mehrfach mit der hiesigen Klinik verbunden. Durch ihre Umschulung zur Krankenschwester und die Geburt ihres Sohnes Friedrich, 24. Sie findet es besonders tragisch, dass die Station gerade geschlossen wird, wo das Haus so einen guten Ruf hat und die Stadt sich so verjüngt. Für junge Leute sei die Möglichkeit, vor Ort zu entbinden, wichtig.

Ähnlich denkt Peter Krampen, geboren im Februar 1974 im Radebeuler Krankenhaus, Mitinhaber der „Schmiede“ in Altkötzschenbroda. Er nennt es nicht gut, dass Kliniken und Krankenhäuser jetzt nur noch nach marktwirtschaftlichen Aspekten geführt werden. „Ich finde es einfach traurig, dass eine so große und junge Stadt wie Radebeul vor den Toren Dresdens mit so vielen Familien künftig keine eigene Geburtsstation mehr hat. Perspektivisch wird diese Stadt doch mehr wachsen als zum Beispiel Meißen.“

Schauspieler Tilo Schmitz, 1959 in Radebeul zur Welt gekommen, bringt eine kleine Hoffnung auf gebürtige Radebeuler ins Spiel. Seit 1989 lebt er als freiberuflicher Synchronsprecher in Berlin, arbeitet auch für Sat1 und N24. Freunde und Familie verbinden ihn immer noch eng mit Radebeul. Das sei doch keine kleine Stadt, da gehöre eine solche Station einfach dazu. Er hofft, dass vielleicht mehr Hausgeburten praktiziert werden und die Lößnitzstadt so weiter im Ausweis steht. (mit big)

www.openpetition.de/petition/online/gegen-die-schliessung-der-geburtstation-radebeul