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Noch allein auf weiter Flur

Heiner Seibt ist der einzige Schulsozialarbeiter derzeit im Landkreis. Das soll sich aber bald ändern.

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© Nikolai Schmidt

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Heiner Seibt ist der Einzige seiner Art im gesamten Landkreis. Der einzige Schulsozialarbeiter. Seit fünf Jahren teilen sich die Stadt Görlitz und der Landkreis die Finanzierung seiner Stelle am Förderschulzentrum in der Kreisstadt. Doch nun besteht Hoffnung, dass der 34-Jährige nicht mehr lange allein auf weiter Flur ist. Der Freistaat hat ein Programm gestartet, mit dem ab dem neuen Schuljahr rund 20 Sozialarbeiter an Schulen im Landkreis angestellt werden können. Seibt findet das sehr gut. „Angebote von Schulen und Jugendhilfe zu vernetzen, um sich Problemen bei Kindern frühzeitig zu stellen, ist überfällig und absolut notwendig“, sagt er. Bis 30. April müssen die Gelder mit einem regionalen Gesamtkonzept beantragt werden. Rund eine Million Euro stehen für den Landkreis zur Verfügung.

Alle Fach- und Kommunalpolitiker im Landkreis begrüßen das Landesprogramm. Petra Zimmermann vom Jugend- und Schulamt im Görlitzer Rathaus hofft, dass an jeder Schule in Görlitz Schulsozialarbeiter künftig zum Einsatz kommen, der Zittauer Oberbürgermeister Thomas Zenker sieht vor allem an den Grund- und Oberschulen seiner Stadt den Bedarf, die Nieskyer Oberbürgermeisterin Beate Hoffmann verbindet damit die Hoffnung, dem steigenden Konfliktpotenzial an Schulen entgegenzuwirken, und Weißwassers Oberbürgermeister Torsten Pötzsch würde lieber heute als morgen einen Sozialarbeiter an seiner Oberschule einsetzen.

Bislang wurde Schulsozialarbeit in Sachsen nur über befristete Förderprogramme finanziert. Immer wieder mal gab es zwei, drei Jahre laufende Projekte, die dann aber wieder einschliefen. Das letzte erhielt Geld aus dem Europäischen Sozialfonds. Darüber wurde beispielsweise in Zittau an drei Oberschulen jeweils ein Sozialarbeiter beschäftigt. „Doch da sich die Förderbedingungen geändert haben, war ab dem Schuljahr 2016/2017 eine Weiterfinanzierung nicht mehr möglich“, sagt Zittaus Stadtsprecher Kai Grebasch.

Auch dieses Mal streiten sich die Kommunen mit dem Freistaat noch um die Finanzierung. 20 Prozent der Kosten sollen nämlich der Landkreis oder die Städte und Gemeinden übernehmen. Dagegen richtet sich robuster Widerstand. Verena Hergenröder, erfahrene Bürgermeisterin von Ebersbach-Neugersdorf im Oberland, sagt: „Hier werden Städte und Gemeinden mit Aufgaben per Gesetz versehen, die nicht dorthin gehören“. Auch Beate Hoffmann im Nieskyer Rathaus sieht vor allem den Freistaat in der Verantwortung, „eine dauerhafte soziale Betreuung aller Schüler zu gewährleisten“. Weißwassers OB Pötzsch sieht kein Geld in seinem Haushalt, um freiwillig Zahlungsverpflichtungen einzugehen. Mittlerweile hat auch der Sprecher der Städte und Gemeinden im Landkreis, Rosenbachs Bürgermeister und CDU-Kreisrat Roland Höhne, eine Stellungnahme nach Dresden geschickt. „Schule ist Landesaufgabe“, sagt er. Die Kommunen würden ihren Beitrag mit der Finanzierung von Sekretärinnen und Hausmeistern sowie bei den Investitionen liefern. „Aber die Schulsozialarbeiter soll der Freistaat allein bezahlen.“ Für den Freistaat ist Schulsozialarbeit aber keine Aufgabe von Schulen, sondern der öffentlichen Jugendhilfe, für die die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig sind, auch finanziell. Deswegen fördert die Landesregierung, wie die Sprecherin des Sozialministeriums, Annett Hofmann, erklärt, als Anteilsfinanzierung bis zu 80 Prozent der zuwendungsfähigen Aufgaben. Aber eben nicht 100 Prozent. Die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses des Kreistages sorgten sich zuletzt, dass das Land zwar eine Anschubfinanzierung zur Verfügung stellt, sich dann aber zurückzieht. Diesen Eindruck hat Wolfgang Müller von der Landesarbeitsgemeinschaft Schulsozialarbeit in Dresden aber nicht. Er ist dort als Bildungsreferent tätig. Der Freistaat hätte sich zur dauerhaften Finanzierung bekannt, sagt er. Deswegen hält die Vertretung der Schulsozialarbeiter auch das Landesprogramm für einen richtigen Weg. Wenn dann noch ab 2019 über das Schulgesetz zusätzlich für jede Oberschule Schulsozialarbeiter vom Freistaat finanziert werden, stünde Sachsen auch bundesweit gut da.

Bis dahin sind neben der Finanzierung noch weitere Details zu klären. Das Sozialministerium will den Erfolg der Mitarbeiter auch davon abhängig machen, ob die Schulabbrecherquote verringert, ein höherer Schulabschluss erreicht oder gar der Notenspiegel der Schüler verbessert werden. Alles Dinge, die einem Hilfslehrer sehr nahe kommen. Und das wollen die Schulsozialarbeiter nun gerade nicht sein. „Das irritiert uns“, sagt Wolfgang Müller. Auch Heiner Seibt weiß um die Schwere, den Erfolg seiner Arbeit nachzuweisen. Doch auf diese Diskussion freut er sich – im Kreise seiner künftigen Mitstreiter.