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Oberhirte gesucht

Wer führt die evangelische Landeskirche mit 720 000 Mitgliedern? Vier Geistliche wollen Bischof werden.

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Von Thilo Alexe

Er soll die Kirchengremien kennen, aber auch profilierter Seelsorger sein: Die evangelische Landeskirche sucht einen neuen Bischof. Seit gestern tagt die Synode in Dresden. Das evangelisch-lutherische Kirchenparlament wählt den Nachfolger von Landesbischof Jochen Bohl. Der 65-jährige Theologe, der seit 2004 Bischof ist, scheidet aus Altersgründen aus.

Pfarrerin Margrit Klatte (47) leitete seit 2011 als Pfarrerin das Kirchspiel Dresden-Neustadt.
Pfarrerin Margrit Klatte (47) leitete seit 2011 als Pfarrerin das Kirchspiel Dresden-Neustadt. © S. Giersch
Carsten Rentzing (47) ist Pfarrer in Markneukirchen. Zudem ist er Mitglied mehrerer Synoden.
Carsten Rentzing (47) ist Pfarrer in Markneukirchen. Zudem ist er Mitglied mehrerer Synoden. © S. Giersch
Pfarrer Tobias Bilz (51) leitet seit 2007 das Landesjugendpfarramt in Dresden.
Pfarrer Tobias Bilz (51) leitet seit 2007 das Landesjugendpfarramt in Dresden. © S. Giersch
Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer (55) ist Dezernent im Kirchenamt.
Oberlandeskirchenrat Dietrich Bauer (55) ist Dezernent im Kirchenamt. © S. Giersch

Vier Kandidaten stellen sich den 80 Synodalen ab heute zur Wahl. Der Ausgang gilt – ähnlich wie bei der geheimen Papstwahl – als völlig offen. Ein Favorit hat sich in den rund eineinhalb Monaten seit Bekanntgabe der Bewerber nach Beobachtermeinung nicht herausgebildet. Chancen haben alle vier.

Zu den Anforderungen zählt, wie Synodalpräsident Otto Guse bei der Vorstellung der Kandidatennamen im April sagte, die Repräsentation der Kirche nach außen. Zudem soll der Bischof als Pfarrer in der Gemeindearbeit Erfahrung haben. Rund 720 000 Christen gehören der evangelisch-lutherischen Landeskirche an, in der verschiedene Strömungen wirksam sind.

Im Kern gilt sie – für Sachsen durchaus typisch – als konservativ. Deutlich wurde das bei der Debatte, ob und wie Pfarrhäuser für die Partner homosexueller Geistlicher geöffnet werden sollen. Vor drei Jahren löste die Frage Turbulenzen aus. Schließlich mündeten sie in einen Kompromiss, der ein kompliziertes Verfahren vorsieht. Will ein Geistlicher seinen Partner ins Pfarrhaus holen, muss er das bei der Gemeinde beantragen, der Bischof wird ebenfalls einbezogen. Vorgekommen ist das bislang nicht.

Ungeachtet der Ausrichtung verzeichnet die Kirche vor allem angesichts der demographischen Entwicklung sinkende Mitgliederzahlen. Ein verändertes Steuerverfahren hat offensichtlich die Austritte verstärkt. Dazu kommt: vor allem in ländlichen Regionen im Erzgebirge sieht sich die Kirche aktiven Freigemeinden mit geschärftem Profil und teils Zulauf gegenüber. Allerdings wäre es zu einfach, Kirchenleben generell auf die Wahrnehmung politisch-konservativer Standpunkte zu reduzieren.

Gemeinden helfen Asylbewerbern. Geistliche wie Bischof Bohl warnen immer wieder vor Rechtsextremismus. Wer glaubt, dass die Landeskirche vorwiegend von Senioren getragen wird, irrt. Nicht nur in der Martin-Luther-Kirche in der Dresdner Neustadt ist der Raum für den Kindergottesdienst oft gut gefüllt. Über den Wohlfahrtsträger Diakonie betreiben die Evangelischen unter anderem mehr als 100 Heime, fast genau so viele Sozialstationen, 249 Kindereinrichtungen und 15 Krankenhäuser in Sachsen.

Wer also führt nun ab August, wenn Bohl offiziell verabschiedet wird, die Landeskiche mit ihren 713 Gemeinden? Für Dietrich Bauer könnte seine Erfahrung im Landeskirchenamt sprechen. Auch der Markneukirchener Pfarrer Carsten Rentzing dürfte in den Gremien gut vernetzt sein. Die Dresdner Pfarrerin Margrit Klatte wäre die erste Frau an der Kirchenspitze in Sachsen. Alle drei sind Kandidaten, die die Kirchenleitung – wozu Vertreter des Landeskirchenamtes zählen – vorgeschlagen hat. Die Synode wiederum hat den Landesjugendpfarrer Tobias Bilz nominiert.

Abgestimmt wird in der Dresdner Dreikönigskirche geheim. Allerdings sind die Wahlen öffentlich. Publikum ist zugelassen. Wahrscheinlich sind mehrere Durchgänge. Denn wer Bischof werden will, muss im ersten oder zweiten Wahlgang mindestens zwei Drittel der Stimmen erhalten. Ab dem dritten Durchgang genügen mehr als die Hälfte der Stimmen. Die Mehrheits-Anforderungen reduzieren sich weiter. Maximal sind fünf Wahlgänge möglich. Gesetzlich verankert ist, dass zwischen den Wahlen mindestens drei Stunden Pause sein muss. Sollte es am ersten Synodentag zu keiner Entscheidung kommen, wird der Bischof am Sonntag gewählt.

Der nun scheidende Bischof Bohl war vor seiner Amtszeit Chef der sächsischen Diakonie. In dieser Zeit hat er sich unter anderem mit sozialpolitischen Forderungen einen Namen gemacht. Seit 2010 ist der Landesbischof auch stellvertretender Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche in Deutschland.

Sein Nachfolger dürfte intakte Strukturen vorfinden. In einem SZ-Gespräch, das Ende 2011 geführt wurde, hat Bohl darauf hingewiesen, dass die Landeskirche auf die sinkenden Bevölkerungszahlen außerhalb der Großstädte vorbereitet sei.

Für die kommenden zehn Jahre, sagte er damals, seien die Grundsatzentscheidungen gefallen: „Die Kirche bleibt im Dorf, wenn auch der Radius um die Pfarrer größer wird.“