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Obstanbau wird schrumpfen

Viele Äpfel, niedrige Preise und Mindestlohn. Im Supermarktregal wird hiesiges Obst immer mehr Importen weichen.

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Von Heike Wendt

Noch werden auf einigen Apfelplantagen die letzten späten Sorten gepflückt. Die Früchte sind dank zeitigen Frühjahrs und ausreichender Niederschläge kräftig gewachsen. Doch die gute Obsternte in diesem Jahr trägt einen bitteren Beigeschmack. Zwar freuen sich sächsische Erzeuger über Spitzenergebnisse. Für dieses Jahr werden knapp 83 000 Tonnen geerntete Äpfel erwartet. Das sind rund zwölf Prozent mehr als im vorigen Jahr. Sächsischer Spitzenreiter ist die Sorte Gala, sie macht etwa zehn Prozent aller geernteten Äpfel aus. Deutschlandweit wird mit einer Jahresproduktion von einer Million Tonnen gerechnet.

Die Freude über die reiche Ernte ist jedoch getrübt. „Es gibt zwei Faktoren, die uns das Leben momentan schwermachen“, sagt Udo Jentzsch, Geschäftsführer des sächsischen Obstbauverbandes. Das sind einerseits ruinöse Preise und zweitens der Mindestlohn. Der Preisverfall ist schon bemerkbar. Mit Werbeangeboten wie beispielsweise zwei Kilo Äpfeln für 99 Cent versucht der Handel, die frische Ware möglichst schnell umzusetzen. „Auch der Standard-Kilopreis für Tafeläpfel von 2,49 Euro ist schon auf 1,99 Euro gesackt“, sagt der Verbandschef. Weniger extrem ist der Einbruch bei Direktvermarktern. Obstbauern, die ihrer Früchte direkt ab Hof oder in einem Hofladen verkaufen, mussten aber den Verkaufspreis um rund zehn Prozent senken, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Was den Verbraucher freut, bereitet den Erzeugern Sorgen. Nur etwa 50 bis 60 Prozent von dem, was voriges Jahr gezahlt wurde, bekommen die Obstproduzenten jetzt für Tafeläpfel. Noch extremer sind Preise für Mostäpfel gesunken. Hier ist es nur noch ein Drittel vom Vorjahresbetrag.

Um die gesunkenen Preise abzufangen, müsste der Marktanteil deutscher Äpfel erhöht werden. Momentan liegt er bei 65 Prozent. Doch immer stärkerer Preisdruck kommt aus Richtung Osten. „Die Apfelerzeugung kostet in Polen 20 bis 30 Prozent weniger als hier“, erklärt Udo Jentzsch. Wesentlicher Einsparfaktor sind die Lohnkosten. Polnische Obstpflücker arbeiten für einen Stundenlohn von 3,20 Euro. Auf deutschen Apfelplantagen sind ab nächstem Jahr 7,20 Euro zu zahlen. Bis 2017 soll der Mindestlohn, auch für Saisonarbeitskräfte, auf 9,10 Euro steigen.

Zusätzlich erschweren Sanktionen gegenüber Russland in diesem Herbst den Absatz. Für die Erzeugergemeinschaft Veos mit Sitz in Borthen geht es konkret um fünf bis zehn Prozent der Exporte, die nach Russland hätten gehen sollen, sagt Udo Jentzsch. Kurzfristig neue Absatzmärkte beispielsweise in Asien zu finden, sei nicht realistisch. Lieferverträge werden langfristig aufgebaut und ausgehandelt. Ein schneller Ersatz sei somit nicht zu finden. Seine Hoffnung: der deutsche Einzelhandel. „Der deutsche Markt ist noch aufnahmefähig und es liegt in der Hand der Kunden, nach deutschen Äpfeln zu greifen.“

Dass reihenweise Äpfel an den Bäumen hängenbleiben, ist jedoch nicht zu befürchten. Kein Obstbauer würde sich damit einen Gefallen tun, im Gegenteil. Fauliges Obst in den Plantagen bringt zusätzliche Arbeit. „Wer im nächsten Jahr wieder ernten will, kümmert sich um seine Plantagenhygiene“, sagt der Obstbau-Chef.

Einen Wandel im Obstbau werde es dennoch geben. Erdbeeren, so Udo Jentzsch, können kaum noch kostendeckend regional angebaut werden. Ähnlich sei es bei Sauerkirschen. „Auch bei Äpfeln wird das passieren.“ Die Umstrukturierung wird schrittweise erfolgen. Ältere Obstanlagen, die nicht mehr rentabel sind, werden gerodet, auf Neupflanzungen verzichtet.

Stattdessen rechnet der Obstbauverband damit, dass deutlich mehr Äpfel aus dem östlichen Nachbarland auf den deutschen Markt kommen. Zurzeit sind noch relativ wenig polnische Äpfel in hiesigen Regalen zu finden. „Das wird sich ändern“, prophezeit Jentzsch. Polens Jahresproduktion an Äpfeln soll von aktuell 3,5 Millionen auf 4,5 Millionen Tonnen in den nächsten Jahren steigen.