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Orgelpfeifen sind ein Fall fürs Denkmalamt

Ein Jahr lang werden die Orgelbauer mit den 1.900 Pfeifen aus Waldheim beschäftigt sein. Mindestens eine davon ist besonders interessant.

Von Peggy Zill
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Christoph Rühle begutachtet eine der Waldheimer Orgelpfeifen. Dabei hat er etwas Interessantes entdeckt: Zumindest eine Pfeife war mal besonders schön verziert. Der Orgelbauer freut sich über solche Fundstücke besonders.
Christoph Rühle begutachtet eine der Waldheimer Orgelpfeifen. Dabei hat er etwas Interessantes entdeckt: Zumindest eine Pfeife war mal besonders schön verziert. Der Orgelbauer freut sich über solche Fundstücke besonders. © Norbert Millauer

Moritzburg/Waldheim. „Diese Ferkel“, platzt es aus Christoph Rühle heraus, als er eine der Orgelpfeifen genauer betrachtet. Dieses Exemplar war mal besonders schön verziert.

Eine Art Blume schmückte das Metall. Bossiert nennt sich das in der Fachsprache. Und irgendwer hat es einfach entfernt. Nur noch ein paar schwache Kreise sind zu erkennen. Und eben nur, wenn man genau hinschaut. Über solche Fundstücke freut sich der Orgelbauer aus Moritzburg besonders. „Das gibt es nicht alle Tage.“ 

Auch wenn sie mehr Arbeit bedeuten. Denn die Waldheimer Orgel wird damit ein Fall fürs Denkmalamt. Den Experten von dort muss der Fund gezeigt und gemeinsam entschieden werden, wie man damit umgeht. Der Pfeifenbauer muss herausfinden, ob sich das wieder herstellen lässt.

Als letztes die Windladen und Bälge

Vielleicht finden sich noch mehr solcher Exemplare. Die Waldheimer Pfeifen sind noch nicht lange in Moritzburg. Christoph Rühle schätzt, dass es etwa 1.900 sind. Allein der Ausbau Anfang November dauerte drei Tage, alles muss genau beschriftet werden, damit es am Ende wieder am richtigen Fleck landet. 

Die größte Pfeife ist etwa fünf Meter lang, die kleinste nur ein paar Millimeter. Das gesamte Kirchenschiff sei damit gefüllt worden. In der Werkstatt lagern sie in Holzkisten, die mehrere Meter hoch übereinander gestapelt sind.

Rühles Opa hat sich 1932 mit dem Orgelbau selbstständig gemacht. Der gelernte Tischlermeister war Kirchenmusiker. Da es nach dem Krieg wenig Arbeit gab, habe er seine eigene Werkstatt eröffnet. Der Vater hat die Werkstatt dann übernommen, bevor sie 2007 aus Altersgründen an Christoph Rühle überging. Die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Orgelbauer hatte dieser 2004 beendet.

Die Hauptarbeit der Werkstatt liegt in der Restaurierung sehr alter Orgeln. Die bisher älteste stammte aus dem Jahr 1589. Die Orgelexperten fertigen aber auch Neubauten an. Zwei feste und ein freier Mitarbeiter gehören zum Team. 

Gern würde Rühle noch einen Orgelbauer einstellen. Aber einen zu finden, ist schwierig. Es liegt viel Arbeit in der Moritzburger Werkstatt. Ein Jahr lang werden Christoph Rühle und seine Kollegen mit der Restaurierung beschäftigt sein. Wenn die Pfeifen fertig sind, müssen auch die Windladen, auf denen die Pfeifen stehen, aufgearbeitet und die Bälge neu beledert werden.

Die Wissenschaft ist gefragt

Fast 180 Jahre alt ist die Waldheimer Kreutzbach-Orgel, manche Pfeifen haben vermutlich noch mehr Jahre auf dem Buckel. Fünf Register – also Pfeifenreihen von einheitlicher Bauart und Klangcharakteristik – sind aus anderem Material. Im Moment wird untersucht, wie die Zusammensetzung genau ist. 

Rühle hat mehrere Pfeifen eingeschickt. Dank der Wissenschaft lasse sich herausfinden, wie hoch der Anteil von Zinn und Blei ist, ob es Erzgebirgs- oder englischer Zinn ist und sogar wann er verhüttet wurde. Der Orgelbauer vermutet, dass die Pfeifen, die sich durch eine Bemalung von den anderen abheben, aus der Vorgänger-Orgel stammen, aus der Zeit zwischen 1650 und 1700. 

Aufzeichnungen, Unterlagen oder gar Fotos beziehungsweise Skizzen von Orgeln gibt es meist keine. Durch Kriege, zu DDR-Zeiten oder nach Gemeindefusionen sei vieles verschwunden.

Bekannt ist, dass einige Waldheimer Orgelpfeifen, besonders die sichtbaren Prospektpfeifen, im Ersten Weltkrieg beschlagnahmt worden sind, an die Rüstungsindustrie gingen. Der Ersatz waren Pfeifen aus Zink. Diese werden im Zuge der Restaurierung durch Pfeifen aus Zinn-Blei-Legierung ersetzt. Die sehen nicht nur schöner aus, sie klingen auch besser.

Das ist auch Ziel für die restlichen Pfeifen. Risse, Dellen und Verformungen werden ausgebessert, aufgerissene Lötnähte verschlossen. Mehr als 100 Pfeifen werden durch neue ersetzt. Neue Register, die es früher gab, rekonstruieren die Orgelbauer.

Bei vernünftiger Pflege haben die Waldheimer wieder mindestens 150 Jahre Freude an dem Instrument, sagt Rühle. „Es kommt drauf an, wie häufig es benutzt wird. Je öfter, desto besser.“ 

Denn bei Konzerten wird die Mechanik bewegt und werden die Kanäle freigepustet. Staub sorgt dafür, dass das Instrument matt und muffig klingt, wie es Rühle beschreibt. Nach 30 bis 40 Jahren empfiehlt der Orgelbauer deshalb eine Überholung. In Waldheim sei das zur Wendezeit das letzte Mal passiert. „Da wurde nur das Nötigste gemacht“, so Rühle. Die Orgel könne mehr als jetzt.

Rund 255 000 Euro kostet die Sanierung des Instrumentes. Finanzielle Unterstützung erhält die Kirchgemeinde von Bund, Land und der Landeskirche. Doch für die Kosten ringsherum muss die Gemeinde selbst aufkommen. 

Es muss zum Beispiel die Elektrik erneuert und ein Durchbruch zum Dachboden geschaffen werden. Dort soll das Gebläse hin. Dieses Windwerk war bisher sehr beengt unten untergebracht.

Einen Termin, wann es das erste Konzert auf der sanierten Orgel geben könnte, kann Christoph Rühle nicht nennen. Das hänge auch von den anderen Arbeiten, die in der Kirche noch anstehen, ab. Die staubigen sollten erledigt sein. Und die Orgelbauer brauchen Ruhe. Denn zum Abschluss hören sie sich jede einzelne Pfeife noch einmal an. „Und das nicht nur einmal.“

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