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Der mobile Geldservice

Die Ostsächsische Sparkasse Dresden schickt fahrbare Filialen auf fünf Touren. Mitarbeiter André Voigt liebt diesen Job. Denn dabei geht es nicht nur ums Geld.

Von Bettina Klemm
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André Voigt ist freitags mit dem Sparkassenmobil in Bärenstein unterwegs.
André Voigt ist freitags mit dem Sparkassenmobil in Bärenstein unterwegs. © Egbert Kamprath

Schnurstracks steigt die ältere Dame in den roten Sparkassenbus am Markt von Bärenstein. Sie geht nach rechts und schließt die Tür mit der großen Glasscheibe hinter sich. Nach einer kleinen Weile kommt sie wieder heraus. „Ich habe Geld abgehoben. Das geht hier bequem“, sagt die fast 80-Jährige. In Bärenstein gebe es kaum noch Läden und seit 2001 auch keine Sparkasse mehr, nicht mal einen Geldautomaten. Durch den mobilen Service sei sie aber trotzdem unabhängig und müsse weder in die Nachbarorte fahren noch die Kinder oder Enkel um Hilfe bitten. Ihren Namen möchte sie, wie fast alle Kunden an diesem Tag, nicht nennen oder in der Zeitung lesen.

Inzwischen hat ein Herr, ebenfalls im Rentenalter, auf einem der drei Stühle im Vorraum Platz genommen. Wartezeiten sind hier jedoch sehr selten. Vor ihm steht ein runder Tisch, an dem Kunden Anträge ausfüllen können. Im Regal an der Wand lassen sich zahlreiche Informationsblätter finden, darunter auch eine Übersicht über die verschiedenen Sparkassenkonten. Beim Comfort- oder Premium-Konto sind die Ein-und Auszahlungen bei einem Mitarbeiter wie hier im Sparkassenmobil inklusive. Wer sich für ein Konto mit niedrigerer monatlicher Gebühr entscheidet, muss pro Zahlungsvorgang 0,99 beziehungsweise 1,99 Euro entrichten. Die gleichen Kosten fallen auch beim Einrichten eines Dauerauftrags ein. Die meisten Kunden finden das völlig in Ordnung. 

André Voigt berät Kundin Carola Löbel-Sommerschuh.
André Voigt berät Kundin Carola Löbel-Sommerschuh. © Egbert Kamprath

Eine Frau wirft nur einen Überweisungsschein in den Briefkasten im Sparkassenmobil. Sie ist sicher, dass der Auftrag schnell bearbeitet ist. Das habe immer super geklappt. Service-Mitarbeiter André Voigt kennt seine Kundinnen und Kunden, viele von ihnen freuen sich über ein kleines Schwätzchen mit ihm am Schalter. Sie haben Vertrauen zu ihm. „Herr Voigt, ich brauche am 20. März 2.000 Euro“, ruft ihm eine Frau zu. „Haben Sie bestimmte Wünsche zur Stückelung? Brauchen Sie große Scheine?“ Der Frau ist das egal. So wäre es auch kein Problem, wenn sie einfach am Schalter das gewünschte Geld gefordert hätte. Nur große Scheine muss Voigt extra ordern.

Die Spannbreite der Auszahlbeträge variiert stark. Das hängt auch vom Wetter ab, denn 90 Prozent seiner Kunden sind im Rentenalter und haben bei Schnee und Regen häufig weniger Lust, vor die Tür zu gehen. Nach dem Rentenzahltag ist der Andrang größer. Dann holen manche gleich das erforderliche Geld für den ganzen Monat ab, andere kommen jede Woche, wenige sogar zweimal in der Woche. 

Nach Weihnachten und nach Jugendweihen beziehungsweise Konfirmationen werde verstärkt geschenktes Geld eingezahlt. Diskretion ist dem Sparkassen-Mitarbeiter äußerst wichtig, deshalb spricht er weder über seine Kundschaft noch über konkrete Höhen von Ein- und Auszahlungen. An seinem Computer kann er sehen, ob das jeweilige Konto gedeckt ist. Gibt es keinen vereinbarten Überziehungskredit, muss er die Kunden unverrichteter Dinge nach Hause schicken, wenn diese im Minus sind.

Carola Löbel-Sommerschuh bringt ihm hingegen Geld. Es sind die Einnahmen aus ihrem kleinen Laden, der sich wenige Meter weiter am Liebenauer Weg befindet. Sie führt dort im Wohnhaus ihre Schneiderei, verkauft Kurzwaren, bietet Servicedienste für Post Modern und Hermes sowie einen Onlinehandel an. 25 Jahre lang gab es ihren Textil-Shop „Caroline“ direkt am Markt. Doch das sei nicht mehr gegangen. Nun erklärt die 53-Jährige: „Ich habe nicht viel Zeit und bin froh, die Bankgeschäfte hier schnell in der Mittagspause erledigen zu können.“

Gute Beziehungen zu den Kunden seien der Sparkasse sehr wichtig, versichert die stellvertretende Unternehmenssprecherin Linda Menzel. Seit Mitte der 90er-Jahre sind die „Fahrenden Filialen“ der Ostsächsischen Sparkasse in den ländlichen Regionen unterwegs. „Derzeit bieten wir fünf Routen mit insgesamt 102 Haltepunkten an. Die Touren werden ja nach Bedarf immer wieder angepasst“, sagt Menzel und spricht von gelebten Kundenbeziehungen. Im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge werden drei Touren gefahren, zwei weitere im Landkreis Bautzen. Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit den Sparkassenbussen unterwegs. 

Das Sparkassenmobil ist nicht zu übersehen.
Das Sparkassenmobil ist nicht zu übersehen. © Egbert Kamprath

Voigt sitzt hinter einer Glaswand an seinem Schalter. Er lächelt auf die Frage nach der Sicherheit: „Würde es ein Problem geben, könnte ich die Türen automatisch verriegeln und den ungebetenen Gast direkt zur Polizei fahren.“ Grund zur Sorge habe der 52-Jährige noch nie gehabt. Zudem seien die Anwohner in den Dörfern recht aufmerksam. 

Nach langem Zögern erzählt er dann doch von einem blinden Passagier. Eine getigerte Katze war hinter ihrem Frauchen in den Bus geschlüpft und muss sich dort versteckt haben. Als Voigt dann am nächsten Halt die Tür öffnete, sprang das Tier heraus und verschwand. Glücklicherweise war die Katze zwei Wochen später wieder bei ihrer Besitzerin.

André Voigt arbeitet seit 1992 bei der Sparkasse. Mobiler Servicemitarbeiter ist er seit 2000. Sein Arbeitstag beginnt um 7.30 Uhr in Pirna. Da er in Dippoldiswalde lebt, kommt noch die Anfahrt hinzu. Heute ist von 8.45 bis 10.15 Uhr sein erster Halt in Kipsdorf. Die Fahrzeuge haben in der Regel ein Gewicht von 7,5 Tonnen und sind acht Meter lang. Für die spezifischen Bedürfnisse des Geldinstituts wurden Mercedes-Lkws umgerüstet. 

Voigt fährt heute jedoch einen 10-Tonner. Der ist seit 2013 im Einsatz und wurde zusätzlich mit einem Geldautomaten ausgestattet. Auch wenn der Automat nur zu Veranstaltungen wie Stadtfesten genutzt wird, muss sich Voigt an die Vorschriften halten. Konkret bedeutet das für ihn eine 45-minütige Pause nach viereinhalb Stunden Einsatz. So kommt er dann erst um 11 Uhr nach Bärenstein. 

Nach eineinhalb Stunden geht es zum Nacharbeiten zurück nach Pirna – ein überschaubarer Freitag. Es gibt aber auch Touren mit sieben Haltestellen bis in den Nachmittag hinein. Donnerstags steht das Gefährt auf der Müglitztalstraße in Dohna sogar bis 17.15 Uhr. Bis zu 100 Kilometer legen die fahrbaren Sparkassen-Filialen pro Tag zurück. André Voigt liebt seinen Job und möchte noch lange mit dem acht Meter langen Fahrzeug unterwegs sein. 

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