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„Perba ist falsch gelaufen“

Der Ausländerbeauftragte Geert Mackenroth über Gewalt in Asylheimen, verlorene Pässe und warum Pegida wichtig war.

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© kairospress

Geert Mackenroth (CDU) ist seit nunmehr fünf Monaten der oberste Ansprechpartner bei Asylfragen im Freistaat. Der Staatsminister der Justiz a.D. und bis vor Kurzem Kreisvorsitzende der CDU Meißen ist verheiratet und lebt in Radebeul. Die SZ sprach mit ihm über Probleme der Asylpolitik und Lehren aus den Pegida-Demonstrationen.

Herr Mackenroth, ihr Wahlkreis umfasst die Region Riesa. Vorbehalte Ausländern gegenüber sind dort besonders stark. Wie muss man dem begegnen?

Das Rezept heißt Aufklärung. Wir schaffen Akzeptanz nur durch Ehrlichkeit, rechtzeitige Informationen und offene Diskussionen. Geheime Entscheidungen hinter verschlossenen Amtsstuben mit Überraschungseffekten sind völlig kontraproduktiv. Wir müssen den Leuten sagen, wie viele Menschen warum und woher kommen. Brauchen wir sie, brauchen wir sie nicht? Handelt es sich um Zuwanderung, um unsere humanitären Verpflichtungen? All das müssen wir klar auf den Tisch legen. Wir müssen sagen, wo wir sie unterbringen, was wir mit ihnen machen und was für eine Perspektive sie haben. Das ist in den letzten Monaten nicht immer ausreichend geschehen, da hat die Politik sich überraschen lassen von der Explosion der Zahlen. Mittlerweile aber, so scheint mir, ist die Lektion gelernt.

Unter der Bevölkerung herrscht trotzdem viel Verunsicherung und auch das ein oder andere Vorurteil, was Asylsuchende angeht. Muss hier noch mehr Aufklärungsarbeit geleistet werden?

Auch der Ausländerbeauftragte ist dabei gefordert. Alle zwei Monate gebe ich ein aktualisiertes Faktenblatt heraus, das über meine Homepage bezogen werden kann. Darin stehen die Grundinformationen – Zahlen, Hinweise zum Verfahren, zu den Geldleistungen, wer darf arbeiten oder unsere Sprache lernen und so weiter. Außerdem mache ich jede Woche zwei, drei Veranstaltungen mit Bürgern. Wenn man ganz nüchtern sagt, so sind die Fakten, das sind die rechtlichen Verpflichtungen, das sind die europäischen, das die bundesdeutschen Rahmenbedingungen – übrigens alle beileibe nicht optimal –, dann nimmt man dadurch nach meiner Erfahrung viel Luft aus der aufgeregten Diskussion.

Asylgegner fühlen sich bestätigt durch Fälle von Gewalt in Heimen. In Dresden erstach ein Marokkaner kürzlich einen Landsmann. Auch in Chemnitz, Torgau oder Zittau gab es Messerattacken. Wie kommt es zu solchen Eskalationen?

Gewalt in Asylbewerberunterkünften ist natürlich ein Thema. Die Ursachen dafür sind vielfältig: räumliche Enge von Personen, die nicht besonders gerne freiwillig zusammenleben, Konflikte in Mehrbettzimmern über ganz banale Dinge – Ruhestörung, Rauch, Sauberkeit. Dann Konflikte zwischen ethnischen Gruppen, zwischen Leuten, die schon länger da sind und Neuankömmlingen. Es gibt kaum Rückzugsräume, kaum Privatsphäre. Manche sind krank, traumatisiert, und bringen Konflikte aus anderen Krisenregionen mit. Kulturelle Eigenheiten prallen aufeinander. Über dem Ganzen liegt die Ungewissheit über den Ausgang des Asylverfahrens, was ja teilweise Monate andauert.

Wie lassen sich Konflikte vermeiden?

Zum Beispiel durch professionelle soziale Betreuung. Und man muss den Menschen etwas zu tun geben, damit sie abends nicht auf dumme Gedanken kommen. Wir müssen sie einbinden in Arbeit, in den Gemeinschaftsunterkünften, in der Wirtschaft und in unserem Mittelstand. Und wir müssen sie auch intelligent verteilen. Wir können nicht ethnische Konfliktgruppen, die sich zu Hause streiten, in ein Zimmer stecken. Und schließlich müssen wir Freizeitangebote vorhalten. Das sind Dinge, die sich in vielen Fällen bewährt haben.

Halten Sie eine dezentrale Unterbringung generell für besser?

Das kommt darauf an. Es gibt da keinen Königsweg. Das Verhältnis in Sachsen ist im Moment ungefähr fifty-fifty. Es gibt gute Argumente dafür, Familien grundsätzlich dezentral unterzubringen und gelegentlich problematische Gruppen in Gemeinschaftsunterkünften einzuquartieren. Schon deshalb, weil die soziale Betreuung dort einfacher zu gewährleisten ist.

Bei dezentraler Unterbringung kann es jedoch dazu kommen, dass Asylbewerber in Dörfern wie Perba landen, was dann von deren Einwohnern – teilweise zu Recht – kritisiert wird.

Perba ist kommunikativ falsch gelaufen. Irgendwann hieß es, dass in dieses 120-Seelen-Dorf 100 Asylbewerber kommen sollen. Das geht natürlich nicht. Da braucht es ein bisschen Fingerspitzengefühl. Meine Erfahrung ist, dass die knapp 30 Menschen, die jetzt in Perba leben, dort außerordentlich gut und freundlich aufgenommen worden sind und sich die Situation vollständig entspannt hat. Das hätte man einfacher haben können, wenn man von Anfang an sensibler an die Geschichte herangegangen wäre.

Ihr Kollege Thomas de Maizière spricht sich für schnellere Asylverfahren aus. Schnellere Verfahren sind unbedingt wünschenswert. Besonders bei Bewerbern aus den sicheren Herkunftsländern kann es nicht sein, dass sich eine Entscheidung jahrelang hinzieht. Und wir brauchen natürlich die Gewissheit, dass diejenigen, die nicht bleiben dürfen, auch tatsächlich wieder zurückgehen.

Sind schnellere Verfahren rein personell überhaupt machbar?

Das Bundesamt in Nürnberg mit seiner Außenstelle in Chemnitz wird personell gerade gewaltig verstärkt. Ich habe trotzdem keine große Hoffnung. Oft folgen auf die BAMF-Entscheidung Gerichtsverfahren, die ebenfalls noch einmal sehr lange dauern. Es ist wichtig, dass wir dann, wenn das Verfahren endlich abgeschlossen ist, die Entscheidung auch konsequent vollziehen. Es darf nicht sein, dass derjenige, der Rechtsmittel einlegt oder das Verfahren absichtlich verzögert, zum Schluss auch noch prämiert wird dadurch, dass er hierbleiben darf.

Indem er seinen Pass verliert.

Zum Beispiel. Für dieses Problem hat die Politik immer noch keine Lösungen gefunden. Wer keinen Pass hat, der kann nicht zurückgeführt werden, weil jedes Land sagt, der gehört nicht zu mir. Derjenige, der offen und ehrlich mit uns umgeht und die Gesetze beachtet, ist am Schluss der Dumme. Das gefällt mir nicht.

SPD und Linke im Kreis Meißen haben die Einführung eines hauptamtlichen Ausländerbeauftragten für die Region angeregt. Halten Sie das für sinnvoll?

Ja. Das steht auch in der Vereinbarung der Regierungskoalition auf Landesebene, und hierfür setzt sich auch die Staatsregierung ein. Meißen ist der einzige Kreis im Freistaat, der noch keinen hauptamtlichen Ausländerbeauftragten hat. Nach meiner Kenntnis prüft der Kreistag derzeit, ob die Voraussetzungen gegeben sind und eine solche Stelle geschaffen werden kann. Ich wünsche mir auch in Meißen einen solchen Ansprechpartner.

Die Pegida-Bewegung scheint langsam auszubrennen, wöchentlich kommen immer weniger Menschen zu den Demos. Wie haben die Proteste die Politik verändert?

Sie haben Defizite aufgezeigt. Inhaltliche – das habe ich zum Teil schon genannt: Unser Ausländerrecht ist unübersichtlich, nicht stringent, und wir halten uns teilweise selbst nicht an die Regeln. Aber auch Defizite in der Kommunikation: Die Politik hat mit den Menschen zu wenig geredet. Diese Probleme bleiben auf der politischen Agenda, unabhängig davon, wie sich Pegida weiterentwickelt. Ich fände es schade, wenn man mit dem Verschwinden nun auf einmal wieder zur Tagesordnung übergehen würde. So kann es nicht sein. Wir müssen Pegida mindestens als politischen Warnschuss begreifen. Wenn wir da nicht weiterarbeiten und die Probleme lösen, dann wird es irgendwann eine Neuauflage von Pegida oder einer vergleichbaren Bewegung geben. Spätestens dann wird es kritisch, und die Akzeptanz für unser rechtsstaatliches Gesamtsystem gerät in Gefahr.

Dann ist es also gar nicht so schlecht, dass es Pegida gab?

So ist es. Warnschüsse sind manchmal hilfreich. Wer sie überhört, lebt gefährlich.

Das Gespräch führte Dominique Bielmeier.