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Plattenbauten als Dorfersatz

Als Teile von Olbersdorf der Kohle geopfert wurden, entstand eine neue Siedlung. Vor 30 Jahren rollten die Umzugswagen.

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© Rafael Sampedro

Von Heike Schwalbe

Das Olbersdorfer Niederdorf ist auf Kohle gebaut, das wussten schon unsere Vorfahren. Bereits 1709 wurde beim Brunnenbau die Braunkohle beim Graben eines Brunnens entdeckt.

Blick auf das Olbersdorfer Niederdorf mit der Kirche. Die Kirche wurde 1984 wegen des Kohleabbaus gesprengt, der Friedhof an seinen jetzigen Standort verlegt.
Blick auf das Olbersdorfer Niederdorf mit der Kirche. Die Kirche wurde 1984 wegen des Kohleabbaus gesprengt, der Friedhof an seinen jetzigen Standort verlegt. © SZ-Archiv / Dietmar Ullrich

Zur DDR-Zeit bestätigten geologische Untersuchungen reiche Kohlenlagerstätten unter dem Niederdorf, die bis zum Gebirgsrand reichten. Daraufhin wurde beschlossen, dieses Gebiet der Kohle zu opfern. Der Bodenschatz lag nur wenige Meter tief, was den Abbau im Tagebau erleichterte und die Kosten minimierte, auch die Qualität war zufriedenstellend. 1976 wurde die Region zum Bergbauschutzgebiet erklärt.

Doch die Unruhe unter der Bevölkerung wuchs. Was sollte aus den Bewohnern des betroffenen Gebietes werden? 1984 fassten die staatlichen Organe den Beschluss, im Oberdorf ein neues Wohngebiet mit sämtlichen zum Leben notwendigen Einrichtungen zu schaffen. Wie die SZ damals berichtete, sollten 1 545 ferngeheizte Wohnungen des neuen Wohnungsbautyps WBS 70 in Großplattenbauweise entstehen. Das Heizwerk bekam einen 100 Meter hohen Schornstein. Auch die Bereitstellung von Wasser und Energie und Beseitigung der Abwässer klärte man, ebenso den Transport der riesigen Platten durch Zittau. Damit einher ging der Abriss von Teilen des Dorfes. Ein erstes sichtbares Zeichen war die Sprengung der neugotischen Kirche. Erst 1883 war diese geweiht worden. Nach ihrer Entweihung 1984 brachten Sprengladungen am 13. November 1985 den Turm zu Fall. Ein bitterer Anblick für die Olbersdorfer, und nicht nur für sie. Die Silhouette des Dorfes war zerstört, auch wenn auf dem geborgenen Grundstein der Kirche im Oberdorf ein neues Kirchgemeindezentrum gebaut und 1986 eingeweiht wurde. Die Gräber des alten Friedhofes setzte man um.

1987 begann der Bau der heutigen Grundbachsiedlung.. Der erste Sechsgeschosser wurde an der späteren Hochwaldstraße hochgezogen. Bis zu 5  000 Bürger sollten hier ein neues Zuhause finden, nicht nur aus dem Niederdorf, auch aus Zittau-Süd. Viele Gespräche wurden mit den von der Grubenerweiterung Betroffenen geführt und ihnen ihre künftigen Wohnungen zugewiesen. Bald rollten die ersten Möbelwagen vom Nieder- ins Oberdorf.

Die meisten Häuser entstanden 1988, in jenem Jahr gab es auch die meisten Umzüge. Fast täglich räumten Möbelträger Hausrat aus Wohnungen und Häusern und brachten sie ins Neubaugebiet, das der Volksmund auch wegen der nicht in die Landschaft passenden Häuser „Golan-Höhen“ nannte. Manche, besonders die Besitzer eines eigenen Hauses, waren recht unglücklich über die Umsiedlung, andere freuten sich auf das neue Zuhause mit Fernheizung, Bad und Balkon. Der Staat zahlte einen Ausgleich sowie den Umzug.

Insgesamt waren fast 1 700 Wohnungen entstanden. Es folgten in den nächsten Jahren der Bau von Gemeindeverwaltung, Einkaufszentrum, Schule und Kitas. Die Buslinie nach Zittau und ins Gebirge führte nun auch durch das Wohnviertel.

Für das fast leer gezogene Niederdorf kam die Wende zur rechten Zeit. Nach und nach wurden die einst geräumten Häuser wieder bezogen. Viele Bauten waren aber in der Zwischenzeit so marode geworden, dass sie abgerissen werden mussten. Neues Bauland entstand, es folgten weitere Zuzüge. Der Olbersdorfer See, entstanden für die 2. Sächsische Landesgartenschau 1999 aus dem einstigen Tagebauloch, brachte dem Niederdorf weitere Aufwertung.

Da in der Folgezeit immer weniger Leute in die Grundbachsiedlung zogen, kam es bald zu Leerstand. So begann im Sommer 2011 der Rückbau einiger Wohnblöcke. Dabei wurde auch an eine Aufwertung des Umfeldes gedacht.