Von Juliane Richter
Voller Sorge blickt Robert Gärtner auf den Beginn des nächsten Schuljahres. Der 41-Jährige engagiert sich als Elternsprecher in der 106. Grundschule und weist auf die drohenden, für ihn unzumutbaren Zustände hin. „Das Schulverwaltungsamt plant, statt bisher vier nun fünf erste Klassen an der Schule zu eröffnen. Aber schon jetzt ist es hier zu eng.“ 434 Kinder werden derzeit an der Schule an der Großenhainer Straße unterrichtet. Setzt die Stadt die Pläne um, sollen es laut Schulleiter Jürgen Lange im September etwa 470 sein. Der 57-Jährige zuckt beinahe hilflos mit den Achseln. „Die Kinder sind nun einmal da. Niemand ist glücklich über die Situation“, sagt er.

Grund für die unerwartete Fünfzügigkeit, wie die Verwaltung die Belegung nennt, sind die weiter steigenden Schülerzahlen. Laut Sächsischer Bildungsagentur haben sich für das neue Schuljahr rund 5 000 Erstklässler an den öffentlichen Grundschulen angemeldet. Einige fallen durch Umzug und Annahme an einer privaten Grundschule noch aus der Statistik. Am Ende rechnet die Bildungsagentur laut Sprecherin Katrin Reis aber dennoch mit etwa 4 500 Abc-Schützen. Das wären immer noch fast 320 mehr als im Vorjahr (die SZ berichtete). Um die Steigerung im Schulbezirk Pieschen abzufangen, sollen nun die Schüler in der 106. Grundschule enger zusammenrücken.
Die Elternsprecher befürchten jedoch, dass sich dadurch die Lernbedingungen verschlechtern. Sie beklagen schon jetzt hohen Stundenausfall und glauben, dass die Lehrer dem ständigen Druck nicht gewachsen sind. Schulleiter Jürgen Lange sagt dazu: „Die Kollegen werden nicht jünger, und die gesundheitlichen Probleme nehmen zu. Und natürlich ist es nicht so einfach, eine erste Klasse mit 28 Schülern zu händeln.“ Kleine Klassen seien deshalb angebrachter.
Die Eltern vermuten aber auch schlechtere Hortbedingungen. Denn wenn eine zusätzliche Klasse entsteht, muss das Bau- und Spielzimmer der Schule zu einem regulären Klassenraum umgestaltet werden. Damit sind dann bis auf einen Raum alle Zimmer der Schule in Doppelnutzung – für Unterricht und Hort. Die Nachfrage nach dem Hortangebot der Schule ist aber groß. Derzeit gibt es 400 Hortkinder, was beinahe der gesamten Schülerzahl entspricht. In den Klassenräumen heißt es deshalb schon jetzt, nachmittags Tische und Stühle zu rücken. Für Elternsprecher Robert Gärtner ist die Steigerung der Schülerzahl auch deshalb verheerend, weil er außerdem eine Zunahme sozialer Konflikte befürchtet. In den letzten Monaten hätten die Eltern immer wieder festgestellt, dass sich die Schüler mitunter sehr aggressiv verhalten. Gärtner glaubt, dass es daran liegt, weil sich die Kinder in der vollen Schule nur schwer aus dem Weg gehen können. Schulleiter Lange widerspricht jedoch. „Natürlich steigt das aggressive Verhalten mit der Schülerzahl prozentual an. Aber wir haben hier keine Gewaltherrschaft.“
Keine Zusage für Container
Das städtische Schulverwaltungsamt will zu dieser Befürchtung keine Aussage machen. Leiter Falk Schmidtgen weist lediglich darauf hin, dass sich die Lage an dieser Grundschule 2016 entspannen kann. Dann könne das ebenfalls im Gebäude vorhandene Zimmer der Jugendzahnklinik genutzt werden. Ein Jahr später soll außerdem die neue 147. Grundschule in der Maxim-Gorki-Straße an den Start gehen. Diese werde zweizügig eröffnet. Das würde für die 106. und auch die 56. Grundschule an der Böttgerstraße bedeuten, dass sie dann nur noch drei- bis vierzügig betrieben werden.
Für die verbleibende Zeit hat Schmidtgen jedoch keine Lösung, die zur Entspannung beitragen könnte. Die Elternsprecher der 106. Grundschule hatten zuletzt vorgeschlagen, mithilfe von Containern zusätzlichen Raum zu schaffen. Das lehnt Schmidtgen jedoch mit Verweis auf die dadurch reduzierte Freifläche ab. Um die Fünfzügigkeit zu verhindern, wollen die besorgten Eltern als Nächstes den Kreiselternrat einschalten. Denn sie haben auch die Angst, dass die Fünfzügigkeit nicht nur für ein Jahr bestehen wird. Dem widerspricht Schmidtgen jedoch.
Zur allgemeinen Situation an den Grundschulen sagt er: „Eine Platznot in dem Sinn, dass nicht genug Schulplätze verfügbar sind, liegt nicht vor.“ Er spricht vielmehr von einer steigenden Nachfrage. Hier würden weitere neue Schulen Abhilfe schaffen. So etwa die schon eröffnete 107. Grundschule, die 144. Grundschule die in diesem Sommer eröffnet werden soll. Und auch die geplanten 146. und 147. Grundschulen.