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Plötzlich abgeholzt

Ein wilder Waldstreifen an der Schaumbergerstraße wurde überraschend gerodet. Nachbarn sind sauer auf die Baufirma.

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© sächsische zeitung

Von Lars Kühl

Der Bagger kommt um halb acht. Eigentlich ist die kleine Schaumbergerstraße in Leutewitz nur für sieben Tonnen zugelassen, doch der 16-Tonner bahnt sich seinen Weg. Im Schlepptau hat er mehrere Arbeiter mit großen Motorsägen. Dann geht alles ganz schnell. Ein Wald wird einfach gerodet. Wo vorher eine wilde Idylle war, stehen jetzt nur noch abgeholzte Stubben, daneben ein blaues Dixi-Klo.

Passiert ist die überraschende Fäll-Aktion am 21. Januar. In den zwei Tagen danach fielen weitere Bäume, und große Lkw transportierten das Holz ab. Kritisch beobachtet wurden die Arbeiten von den Bewohnern des Hauses Nr. 1, das direkt an den ehemaligen Waldstreifen grenzt. Bernd Möller, einer von ihnen, schätzt das Areal auf 30 mal 130 Meter. Hinter der Rodungsfläche stehen wieder Bäume, die sich in dichten Gruppen bis zum Leutewitzer Park hinaufziehen. Das Gebiet war für die Menschen an der Schaumbergerstraße, die von der Ockerwitzer abzweigt, ein willkommener Ort zum Erholen und vor allem für die vielen Kinder ein großer Abenteuerspielplatz. Mit den Fällungen sind sie überhaupt nicht einverstanden und zeigten den Vorfall auch gleich bei der Stadt an.

Forstbehörde greift sofort ein

Die untere Forstbehörde veranlasste sofort eine Vor-Ort-Kontrolle. „Streng genommen ist das aber noch kein Kahlhieb, da als Kahlschlagsgrenze das Sächsische Waldgesetz 15 000 Quadratmeter definiert“, erklärt Jörg Lange vom Amt für Stadtgrün. Festgestellt seien „nur“ 3 000 Quadratmeter worden. Dies sei genehmigungsfrei.

Allerdings stellten die Kontrolleure noch etwas anderes fest. Der Waldboden wäre durch die Bagger abgeschoben und die Stöcke gerodet gewesen. Das stelle eine Ordnungswidrigkeit dar, erklärt Lange, und deute auf eine Waldumwandlung hin. Ein entsprechender Antrag liege bei der unteren Forstbehörde aber nicht vor.

Eigentümer der Fläche ist der Bauträger VSC aus Cossebaude. Den hat die Forstbehörde auf die Ordnungswidrigkeit hingewiesen und aufgefordert, den Streifen in den nächsten drei Jahren wieder aufzuforsten. Denn so verlangt es das Gesetz. Außerdem wurden VSC-Vertreter Ende Januar zu einer Anhörung in die Forstbehörde bestellt. Zum Ergebnis des Gespräches kann Lange nichts sagen, da das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei.

Die Anwohner befürchten nun, dass die VSC das Grundstück vor ihrer Nase bebaut, ohne eine Genehmigung dafür zu haben. Zwar drohe da ein Bußgeld von bis zu 25 000 Euro, erklärt Lange. Aber diese Strafe nehme VSC billigend in Kauf, vermutet Anwohner Möller. Die Gewinne aus dem Verkauf von Eigentumswohnungen in solch einer guten Lage wären ungleich höher. „Hier wurden Tatsachen geschaffen, ohne dass rechtliche Grundlagen da sind“, sagt Bernd Möller. Unter ihm wohnt Antje Verhooren mit Töchterchen Nele. „Man hat das Gefühl, dass alles bereits in Sack und Tüten ist. Das ist schon frustrierend“, pflichtet sie ihm bei. In der Tat will die VSC die gerodete Fläche bebauen. Zwei neue Häuser sollen hier ab Herbst hochgezogen werden. Die Aufregung um die gefällten Bäume kann Projektleiter Peter Wagner aber nicht verstehen. Schließlich seien die Pläne seit Längerem bekannt. Ursprünglich war ein Wohngebiet mit über zehn Einfamilienhäusern vorgesehen. Übrig geblieben sind lediglich die zwei Objekte im Anschluss an die bestehenden Gebäude auf der Schaumbergerstraße.

Wagner räumt aber ein, dass eine endgültige Genehmigung durch den Stadtrat fehlt und auch erst im Herbst erwartet wird. „Doch das ist nur Formsache.“ Vorher müssten die Baupläne noch offengelegt werden. Deshalb hat die VSC bauvorbereitende Arbeiten schon jetzt angeordnet. Auch, weil Rodungen nur bis Ende Februar erlaubt sind. Außerdem müsse der kontaminierte Boden von den Stellen abgetragen werden, wo zu DDR-Zeiten Gewächshäuser von Gärtnereien standen.

Eigentlich hatten die Anlieger noch vor Kurzem gehofft, dass die wilde Waldidylle dem Leutewitzer Park angegliedert wird, wie die Sächsische Zeitung im Mai 2014 berichtet hatte. Im Idealfall sollte es in der Verlängerung der Schaumbergerstraße einen Fußweg zum Naherholungsgebiet geben. Das wiederum würde die VSC unterstützen, erklärt Wagner, allerdings nur bis zur Grenze ans kommunale Grundstück. Für den Rest des Pfades zum Park wäre die Stadt verantwortlich. Die lehne solch einen Weg aber aus finanziellen Gründen ab.

Antje Verhooren hat beobachtet, dass viele Vögel, die sonst Dauergäste vor ihrem Balkon waren, jetzt schon wegbleiben. Dafür seien nun immer häufiger Gaffer zu sehen, erzählt Möller. Die bleiben stehen und wundern sich, wo denn der Wald hin ist.