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Preisexplosion bei Medikamenten

Weil die Krankenkassen sparen, wird Arznei erheblich teurer. Die Görlitzer Apotheker bekommen den Ärger ab.

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Von Marleen Hollenbach und Jenny Thümmler

Manchmal sind Apothekerin Anne-Kathrin Rausch und ihre Kollegen der Prellbock. Kunden erschrecken über deutlich teurere Medikamente und machen ihrem Ärger Luft, nicht nur in der Paracelsus-Apotheke auf der Bismarckstraße. Eine Zuzahlung von früher fünf Euro für den Blutdrucksenker Votum beispielsweise ist auf fast 70 Euro gestiegen. „Da gibt es natürlich ein paar aufgebrachte Kunden“, sagt Apothekerin Rausch. „Gerade Ältere mit vielen Medikamenten sagen uns oft, dass sie sich das bald nicht mehr leisten können.“

Grund ist ein Vorstoß der Krankenkassen. Seit 1. Juli haben sie den Festbetrag für einige Medikamente gesenkt. Das ist der Betrag, den die Kassen den Herstellern maximal für ein Medikament erstatten. Einmal jährlich wird das geprüft. Eine solche Prüfung gab es jetzt für 13 Wirkstoffgruppen – darunter Arzneimittel zur Behandlung von Bluthochdruck, Herzschwäche und Magengeschwüren. Mit der Senkung des Festbetrags wollen die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen erreichen, dass die Pharmafirmen ihre Preise reduzieren. Angeblich ein Erfolgsmodell. „Mit den Festbeträgen wurde ein Instrument geschaffen, mit dem man den zum Teil überzogenen Preisvorstellungen der Pharmaindustrie dauerhaft entgegenwirken kann, ohne dass die Versicherten Einbußen bei der Versorgungsqualität hinnehmen müssen“, sagt Johann-Magnus von Stackelberg, stellvertretender Vorsitzender des Spitzenverbandes der Krankenkassen.

Doch jetzt gibt es massive Probleme. Nicht alle Hersteller reduzieren tatsächlich ihre Preise. Mit schwerwiegenden Folgen: Der Versicherte muss die Mehrkosten tragen. „Das ist für die Patienten unzumutbar“, sagt Monika Koch, Vorsitzende des Sächsischen Apothekerverbandes. Und nicht nur das. „Die Apotheken werden auf jenen Medikamenten sitzen bleiben, die sich Patienten nicht mehr leisten können.“ Der Verband rechnet mit drei- bis vierstelligen Lagerwertverlusten pro Apotheke.

Besonders hart trifft es Patienten, die von der Zuzahlung befreit sind. Denn auch sie müssen nun bezahlen – beim Medikament Votum sind es immerhin über 64 Euro. Das stößt auf wenig Begeisterung. Auch ein Wechsel der Krankenkasse bringt nichts. Entsprechend aufgeregt hat Tatjana Förster, Inhaberin der Kronen-Apotheke auf der Biesnitzer Straße, viele Kunden in den vergangenen Wochen erlebt. Mehrere mussten 100 Euro für ihre Medikamente zuzahlen, in einem Fall wären es sogar 400 Euro gewesen. Und sie fürchtet, dass es nicht die letzte Belastung für Patienten ist. „Hoffen wir, dass die Pharmaunternehmen weiterhin ihre Preise senken“, so Förster.

Aber es gibt auch andere Erfahrungen. Apothekerin Gisela Steckel von der Mohren-Apotheke am Lutherplatz hatte seit Juli kaum verärgerte Kunden. „Die Ärzte haben die Patienten sehr gut aufgeklärt“, sagt sie. „Das ist diesmal viel besser gelaufen als bei früheren Veränderungen.“ Viele Patienten lassen sich nach ihrer Erfahrung auf eine Umstellung ihrer Medikamente ein, wenn es der Arzt erklärt und Alternativen heraussucht. Nur wenige hätten auf ihre alten Medikamente bestanden und die hohen Kosten eben hingenommen. „Große Aufstände sind in unserer Apotheke ausgeblieben.“

Dabei sind solche finanziellen Probleme nicht die einzigen für chronisch Kranke. Die Krankenkassen schreiben Wirkstoffe alle zwei Jahre aus und schließen dann mit dem günstigsten Hersteller einen Rabattvertrag. Für die Patienten bedeutet das meist eine Umstellung, hat Anne-Kathrin Rausch beobachtet. „Obwohl es derselbe Wirkstoff ist, vertragen manche Patienten die Tabletten vom neuen Hersteller nicht immer.“ Dann fangen die Ärzte in den Praxen den Ärger ab und die Apotheker in ihren Geschäften. „Dabei können wir nichts dafür und verdienen durch diese Rabattverträge auch nicht mehr.“ Der Aufwand, welches Mittel für welchen Patienten nun am besten ist und wo sich vielleicht preisgünstigere Generika anbieten, liegt trotzdem bei Arzt und Apotheker. „Manche Patienten sind inzwischen leider viel gewohnt. Nun kommt die Senkung der Festbeträge für sie noch hinzu. Schön ist das nicht.“ Zumal laut Rausch auch innovative Firmen, die viel Geld in die Forschung stecken, Probleme durch den Rückzug der Krankenkassen bekommen. „Das ist eine ganz negative Entwicklung.“Auf ein Wort