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Probewohner werden jünger und bleiben länger

Das Görlitzer Projekt konzentriert sich künftig auf Menschen im arbeitsfähigen Alter. Sie erhalten nicht nur eine Wohnung.

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© Pawel Sosnowski

Von Ingo Kramer

Görlitz. Die Berufsbezeichnung von Robert Knippschild kann sich kaum einer merken. Der Universitätsprofessor ist Leiter des Interdisziplinären Zentrums für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (IZS) in Görlitz. Was er unter anderem macht, ist dagegen deutlich greifbarer: Er schaut, wie die Aktion „Probewohnen“ so weiterentwickelt werden kann, dass sie für Görlitz neue Erkenntnisse bringt. Und im besten Fall neue Einwohner. Die SZ hat ihn nach der Zukunft des Probewohnens befragt.

Robert Knippschild ist Universitätsprofessor in Zittau und forscht in Görlitz.
Robert Knippschild ist Universitätsprofessor in Zittau und forscht in Görlitz. © Nikolai Schmidt

Herr Professor Knippschild, das Probewohnen hat seit 2008 zweimal in der Innenstadt und einmal in der Altstadt stattgefunden. Was soll eine vierte Staffel da noch Neues bringen?

Beim neuen Durchgang, der im Januar 2019 startet, machen wir Vieles anders. Wir setzen den Fokus auf Leute im erwerbsfähigen Alter und holen sie nicht mehr für eine Woche, sondern für einen Monat, nach Görlitz. Das geht natürlich nur, wenn man ihnen neben Wohnungen auch Arbeitsräume anbietet. Das werden wir tun.

Aber nicht jeder kann mal eben für einen Monat woanders arbeiten.

Nein. Wir setzen auf freischaffende, kreative, standortungebundene Leute aus größeren Städten. Gerade die haben zunehmend Probleme, bezahlbare Arbeits- und Wohnräume zu finden. Wir gehen von der Hypothese aus, dass Städte wie Görlitz Potenzial für solche Leute haben. Wir wollen schauen, ob diese Prämisse gilt und wenn ja, unter welchen Bedingungen.

Das heißt, Rentner haben diesmal keine Chance und Menschen aus dem hiesigen Umland auch nicht?

Ja, so wird es vermutlich kommen. Wir werden noch konkrete Kriterien aufstellen. Es wird auch nicht mehr „Probewohnen“ heißen, sondern „Stadt auf Probe“.

Wo sollen die Leute arbeiten?

Wir versuchen, Räume in der Rabryka, im Kühlhaus und beim Kolaboracja-Verein zu bekommen. Wir haben schon unverbindliche Gespräche geführt und sind dort auf Interesse gestoßen. Offiziell starten die Vorbereitungen aber erst am 1. Juli. Dann wird es konkrete Gespräche geben. Vielleicht finden sich auch noch weitere Partner, die uns Räume zur Verfügung stellen wollen.

Wie viele Leute sollen die „Stadt auf Probe“ erleben?

Das Ganze läuft ein Jahr, von Januar bis Dezember 2019. Es wird wieder drei Wohnungen geben. So können wir insgesamt 36 Haushalte für je einen Monat nach Görlitz holen. Weil die Leute länger bleiben, können wir sie intensiver beforschen. Bisher gab es immer nur Fragebögen, diesmal können wir auch Interviews durchführen.

Ist die Finanzierung schon geklärt?

So gut wie. Wir haben eine 50-Prozent-Förderung beim Bund beantragt und den mündlichen Zuschlag bekommen. Mit dem schriftlichen Zuwendungsbescheid rechnen wir in den nächsten Tagen. In die anderen 50 Prozent teilen sich das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und Kommwohnen. Letztere stellen auch diesmal die Wohnungen. Wo genau, müssen wir noch besprechen. Es wird aber vermutlich nicht in der Altstadt sein. Die Stadt ist ebenfalls als Partner eingebunden.

Gibt es schon Bewerber?

Nein, wir haben die „Stadt auf Probe“ noch nirgendwo bekannt gemacht. Wir warten erst einmal die schriftliche Förderzusage ab und dann kann es losgehen.