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Rasende Fahrt in den Tod

Ein Zugunglück bei Schrebitz kostete vor 100 Jahren fünf Menschen das Leben. Eine kleine Ursache hatte katastrophale Wirkung.

Von Sylvia Jentzsch
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Das historische Foto vom Zugunglück hängt im Museum des Schrebitzer Heimatvereins in der Kulturschule. Zur Sonderausstellung anlässlich des 100. Jahrestages des Unglücks wird es ebenfalls gezeigt.
Das historische Foto vom Zugunglück hängt im Museum des Schrebitzer Heimatvereins in der Kulturschule. Zur Sonderausstellung anlässlich des 100. Jahrestages des Unglücks wird es ebenfalls gezeigt. © Archiv Schrebitzer Heimatverein

Schrebitz. Es war eines der schwersten Unglücke in der Geschichte der sächsischen Schmalspurbahnen: Am 18. November 1919 starben bei Schrebitz fünf Menschen, als ein Personenzug von einer Brücke stürzte. 17 Menschen wurden schwer und acht leicht verletzt.

Drei Vereine aus der Region wollen nach 100 Jahren an dieses tragische Ereignis erinnern und an der Unglücksstelle eine Gedenktafel aufstellen. Dafür sammeln der Schrebitzer Heimatverein, der Mügelner Heimatverein „ Mogelin“ und der Förderverein „Wilder Robert“ Spenden.

„Die Fahrgäste waren von Mügeln in Richtung Döbeln unterwegs. Um 12 Uhr fuhr der Zug ab. 25 Minuten später passierte das tragische Unglück“, sagte die Vorsitzende des Schrebitzer Heimatvereins Birgit Müller. Gemeinsam mit den anderen beiden Vereine wurde schon viel Material zum Zugunglück zusammengetragen.

Der Personenzug 5750 sei damals fahrplanmäßig auf dem Bahnhof in Töllschütz eingefahren. Güter wurden verladen. Fahrgäste stiegen ein oder aus. „Dann geschah alles blitzschnell“, so Birgit Müller. Der Güterzug 10 889 war aufgrund des Schneetreibens nicht vor der Einfahrtsweiche stehengeblieben. Er fuhr auf den Personenzug auf. Durch den Zusammenstoß geriet dieser auf der ab Töllschütz abschüssigen Strecke in Richtung Schrebitz ins Rollen.

„Nach Berichten soll der Zug führerlos gewesen sein“, sagte Birgit Müller. Der Personenzug sei mit steigender Geschwindigkeit den Berg hinabgerollt. In einer großen Kurve, in der eine acht Meter hohe Brücke stand, entgleisten die ersten Wagen und stürzten die Böschung hinab. Dabei rissen sie die nachfolgenden Personenwagen und die Lokomotive mit. Alle Wagen des Zuges wurden mehr oder weniger zertrümmert. Der größte Teil der Wagen blieb unter der Brücke am Weg nach Kiebitz liegen.

„Es muss schrecklich ausgesehen haben“, sagte die Vorsitzende des Schrebitzer Heimatvereins. Sie weiß aus Erzählungen, dass die Wagen zerschmettert und ineinandergeschoben wurden und obenauf die Lokomotive gelegen hat. Zwei Fahrgäste, die abspringen konnten, weil sie auf der Plattform standen, machten das Unglück bekannt. „Aus Mügeln trafen Ärzte und Sanitätsmannschaften ein. Kurze Zeit später sollen Helfer mit Tragbahren gekommen sein. Durch das Schneetreiben und den späteren Regen wurden die Rettungsarbeiten sehr erschwert“, schrieb damals die Zeitung.

Die Leichtverletzten sollen sich, so gut es ging, selbst versorgt haben. Andere erhielten in umliegenden Gebäuden Verbände. „Die Schwerverletzten dagegen mussten mit Schlitten oder mit der Bahn ins Bezirkskrankenhaus nach Mügeln gebracht werden“, heißt es im Zeitungsbericht. Von Döbeln kamen nach kurzer Zeit ein Arztwagen mit drei Ärzten und aus Chemnitz Sanitätspersonal zum Unglücksort. Auch aus Leipzig rollte ein Hilfszug mit fünf Ärzten und Helfern an. 

Vier der Todesopfer wurden gleich gefunden. Sie stammten aus Oschatz, Obersteina, Crellenhain und Döbeln. Bei den Aufräumungsarbeiten wurde später eine weitere Leiche entdeckt. Dabei handelte es sich um einen russischen Kriegsgefangenen, der sich auf dem Weg in die Heimat befunden haben soll. „Seine Identität konnte nie festgestellt werden“, sagte Birgit Müller. Er ist auf dem Schrebitzer Friedhof begraben.

Die Nachricht von dem Unglück sorgte damals schon für Katastrophentourismus. Gaffen ist kein Phänomen der Neuzeit. Die Zeitung schrieb: „Von weit und breit strömten kurz nach bekannt werden des Unglücks unzählige Menschen an die Unfallstelle. Auch an den beiden nachfolgenden Tagen hielt das Interesse an.“

100 Jahre nach dem Unglück wollen drei Vereine eine Tafel an der Unglücksstelle aufstellen, um an das schreckliche Ereignis zu erinnern. Sie soll als Anlaufpunkt in die Sächsische Dampfbahn-Route aufgenommen werden.

Am 16. November wird die Tafel feierlich enthüllt. Gleichzeitig eröffnet eine Sonderausstellung im Museum des Schrebitzer Heimatvereins. Auch einen Vortrag soll es geben. Nicht nur das Sammeln von Spenden haben die drei Vereine auf ihrer Agenda.

Sie haben auch schon einen Entwurf, wie die Tafel aussehen soll. Denn sie kann nicht einfach so aufgestellt werden. Birgit Müller hat die verschiedenen Träger öffentlicher Belange über das Vorhaben informiert und sich entsprechende Genehmigungen eingeholt.

Spendenkonto: Kennwort „Eisenbahndenkmal“ Bankverbindung 
DE79 8605 5592 2901 0077 60. Auf Wunsch werden Spendenquittungen ausgestellt.