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Rechtsextremismus ist ein massives Problem

Zittauer Unternehmer haben sich über die radikale Szene informiert – und Angst vor den Folgen des schlechten Images.

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© xcitepress/ce

Von Jan Lange

Oberlausitz. Beim „Schild und Schwert“-Festival im April in Ostritz haben die Teilnehmer ganz offen ihre Gesinnung auf den T-Shirts präsentiert. „Nazi“, „Arische Bruderschaft“, „Deutsche Jungs“, „Kampf der Nibelungen“, „Obersalzberg“ oder „HKNKRZ“ – Abkürzung für Hakenkreuz – war zum Beispiel darauf zu lesen. „Wer in dieser Szene ist, weiß worum es geht. Er weiß, woher die Symbole kommen und nutzt diese auch bewusst“, erklärt Henry Krentz vom Landesamt für Verfassungsschutz den Unternehmern aus der Zittauer Region, die am Donnerstagabend in die Hillersche Villa gekommen waren, um mehr über Rechtsextremismus in Sachsen zu erfahren. Der Allgemeine Unternehmerverband (AUV) hatte zu dieser Veranstaltung eingeladen. Anlass dafür sind das rechtsextreme Festival in Ostritz und auch die jüngsten Ereignisse in Chemnitz gewesen.

AUV-Vorsitzender Bert Handschick erklärte denn auch zur Eröffnung, dass sich die Wirtschaft nur dort gut entwickeln kann, wo man nicht im Fokus von schlechten Nachrichten stehe. Dem kann Matthias Schwarzbach, Leiter der Zittauer IHK-Geschäftsstelle, nur zustimmen. Vom Image einer Region hänge auch der wirtschaftliche Erfolg ab, meint er. Die rechten Ausschreitungen und Treffen könnten deshalb zum Nachteil für den Wirtschaftsstandort Sachsen werden, befürchten die Unternehmer. Was die AUV-Mitglieder vom Mitarbeiter des Verfassungsschutzes erfahren haben, macht viele sprachlos. Die Anzahl der Rechtsextremisten im Freistaat bleibt weiter auf hohem Niveau. Die Szene umfasst etwa 2 600 Personen, davon kommen gut sieben Prozent aus dem Landkreis Görlitz. „Wir haben ein massives Problem“, erklärt Verfassungsschützer Krentz.

Vor allem die Zahl der Neonationalsozialisten habe sich nach Einschätzung des Verfassungsschutzes in den vergangenen beiden Jahren mehr als verdoppelt. Als neonationalsozialistische Gruppierung gründete sich im Vorjahr das „Kollektiv Oberlausitz“ in Weißwasser, das aktuell aber keine Aktivitäten mehr entfalte, so Henry Krentz.

Dagegen veranstaltet der Nationale Jugendblock (NJB) in Zittau wieder mehr Konzerte, die von bis zu 150 Rechtsextremisten besucht werden. Das zeige laut Verfassungsschutz, dass der Verein immer noch einen gewissen Bekanntheitsgrad in der rechtsextremistischen Szene besitzt.

Die NPD verliert ihrerseits immer mehr an Bedeutung. Sachsenweit sind in der Partei 400 Mitglieder organisiert, vor zehn Jahren sind es noch rund 850 gewesen. Auch der regionale Kreisverband entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einer weitgehend bedeutungslosen und kleinen Struktur. Das zeigt sich auch am Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017: Die NPD erhielt im Landkreis 1,5 Prozent der Zweitstimmen – vier Jahre zuvor waren es noch 4,2 Prozent. Die rechtsextreme Partei sei aber keinesfalls „tot“, meint der Verfassungsschützer, da sie in den sächsischen Kommunalparlamenten immer noch eine recht hohe Zahl an Mandaten habe. Und die ehemaligen NPD-Mitglieder seien weiter aktiv. So hatte ein langjähriger NPD-Vertreter aus Ostritz das „Schild und Schwert“- Festival im April in der Neißestadt organisiert. Auch andere frühere NPDler sind längst woanders aktiv, sagt Krentz – beispielsweise in der Partei „Der Dritte Weg“, die sich zu einer bestimmenden Größe der rechtsextremistischen Szene in Sachsen entwickelt hat. Im Landkreis Görlitz versuche die Partei laut Verfassungsschutz ebenfalls „anzulanden“ – großen Erfolg hatte sie damit aber noch nicht.

Deshalb sind die hiesigen Rechtsextremen nicht weniger gewaltorientiert als im Rest des Freistaates. Die Zahl der Straftaten, die dieser Szene zuzuordnen sind, stieg im Vorjahr um gut 13 Prozent auf 148 Delikte. Sachsenweit sind die rechtsextremistischen Straftaten dagegen zurückgegangen.

Eine Zunahme registrieren die Verfassungsschützer bei den – vordergründig unpolitischen – rechtsextremistischen Veranstaltungen wie beispielsweise Konzerten oder sportlichen Aktivitäten. Das „Hotel Neißeblick“ in Ostritz spielt dabei als Veranstaltungsort, und das nicht erst seit dem Festival im April, eine große Rolle. Schon 2017 fand hier das 2. Ostsächsische Sport- und Familienfest mit rund 150 Teilnehmern statt. Erst vor zwei Wochen gab es dann den „Kampf der Nibelungen“ mit 850 Besuchern und am ersten Novemberwochenende steht das nächste „Schild und Schwert“-Festival ins Haus. Henry Krentz rechnet hier zwar mit weniger Teilnehmern als im April, aber bis zu 1 000 Personen könnten es dennoch werden. Das große Interesse der Öffentlichkeit und der starke Gegenprotest im April schrecke manchen Rechtsextremen ab.

Mit dabei beim Gegenprotest war auch Jan Kirchhoff, der Leiter der Netzwerkstatt der Hillerschen Villa. Er habe damals unter den Rechtsextremen drei Leute gesehen, mit denen er noch einige Monate zuvor ein Bier in der Kneipe getrunken hatte. Dass sie der rechten Szene angehören, habe er nie vermutet, erzählt Kirchhoff am Donnerstag. Er ist froh, dass die Unternehmer sich überhaupt mit dem Thema Rechtsradikalismus beschäftigen. Und hofft, dass es später noch tiefergreifendere Diskussionen gibt. Er bot den Anwesenden gleich an, Hilfestellung beim Argumentieren mit Mitarbeitern zu leisten.