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Rettung für Schloss Nöthnitz

Nach Jahren des Stillstandes will der Schlossherr das historische Anwesen bei Dresden wieder für Besucher öffnen. Was ihn dazu bewegt.

Von Verena Schulenburg
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„Es geht nur gemeinsam“, sagt Schlossherr Jan Horsky (r.). Der Bannewitzer Jürgen Voitel unterstützt den 23-Jährigen dabei, Schloss Nöthnitz wieder voranzubringen. In Zukunft sollen hier wieder regelmäßig Besucher ein- und ausgehen.
„Es geht nur gemeinsam“, sagt Schlossherr Jan Horsky (r.). Der Bannewitzer Jürgen Voitel unterstützt den 23-Jährigen dabei, Schloss Nöthnitz wieder voranzubringen. In Zukunft sollen hier wieder regelmäßig Besucher ein- und ausgehen. © Karl-Ludwig Oberthür

Seine Gesichtszüge werden ernst. Dann rückt er den dunklen Hut zurecht und sagt bestimmt: „Nein, ich möchte keinesfalls als derjenige in die Geschichte eingehen, der dieses Schloss verfallen lässt“, sagt Jan Horsky. Er sei fest entschlossen, das um 1630 erbaute Anwesen im Dresdner Süden wiederzubeleben.

Dies sagt der junge Schlossherr so selbstverständlich, dass kaum mehr vorstellbar ist, warum es zuvor so lange still um die historischen Gemäuer war. Abgesehen vom Weihnachtsmarkt im Hof, einem kleinen alljährlichen Parkgottesdienst und wenigen Veranstaltungen im Festsaal gab es über Jahre hinweg keinerlei öffentliche Nutzung. Es schien, als wären Fronten auf ewig verhärtet, als blieben Türen verschlossen. Das soll sich ändern. Hat den Schlossherrn etwas zum Umdenken bewegt?

Jan David Horsky, so sein voller Name, ist gerade einmal 23 Jahre alt. An diesem Nachmittag im Februar steht der junge Mann, der sonst in Prag wohnt, inmitten seines Schlossparks, neben ihm Jürgen Voitel. „Er wollte unbedingt, dass ich heute diesen Mantel trage“, sagt Horsky und lächelt verschmitzt. „Ich stünde sonst in Bomberjacke hier.“ Das sei wohl aber unangemessen für das erste offizielle Pressefoto, so der Rat seines Begleiters.

Der Blaue Salon war einst Teil der historischen Bibliothek. In Zukunft könnte hier hinein die Winckelmannstube ziehen, die derzeit noch im Bürgerhaus untergebracht ist. 
Der Blaue Salon war einst Teil der historischen Bibliothek. In Zukunft könnte hier hinein die Winckelmannstube ziehen, die derzeit noch im Bürgerhaus untergebracht ist.  © Karl-Ludwig Oberthür

Jan Horsky und der Possendorfer Jürgen Voitel kennen sich kaum mehr als ein halbes Jahr. Dennoch verbindet sie bereits eine enge Freundschaft. „Ich vertraue ihm“, sagt der junge Schlossbesitzer. So oft habe er das in der Vergangenheit nicht gekonnt.

Vor genau zehn Jahren, erzählt Horsky, stand er erstmals mit seinem Vater vor dem Nöthnitzer Schloss. Sein Vater, ein österreichisch-tschechischer Unternehmer, der gleichfalls Jan Horsky hieß, kaufte im April 2009 das Anwesen von Viktor Freiherr von Finck, der es wohl aus wirtschaftlichen Gründen abgab. Zu dem Freiherrn, der zum Zeitpunkt des Kaufgeschäftes sehr betagt war, hatte der junge Horsky eine besondere Verbindung. „Er war noch einer dieser Aristokraten, zu denen ich aufgeschaut habe“, sagt Jan Horsky, der damals etwa 14 Jahre alt war. So gut die Verbindung zu dem alten Freiherren auch war. Nach dessen Tod verlief die Übergabe des Schlosses an seinen Vater alles andere als reibungslos. Viele bedeutende Exponate, die bis dato im Schloss standen, gingen raus. Mit der Studienstätte Schloss Nöthnitz, die ebenfalls noch ihren Sitz hinter den Gemäuern hatte, gab es Streitigkeiten. „Es lief nicht alles glatt“, resümiert der junge Jan Horsky heute. Auch sein Vater sei nicht ganz einfach gewesen.

Nach langer schwerer Krankheit verstarb dieser im Februar 2012. Mit gerade einmal 16 Jahren musste der junge Mann das Erbe antreten. Dazu gehöre nicht nur das Nöthnitzer Anwesen, sondern auch einige weitere Immobilien in Tschechien, in weniger gutem Zustand. Eigentlich wollte Horsky nach dem Abitur in Dresden Geschichte in Prag studieren. Dazu kam es nicht. Der Tod seines Vaters warf ihn aus der Bahn. Allen Papierkram, Verträge, das gesamte Erbe habe er neu sortieren müssen. Seine Mutter und seine Tante, die in Tschechien wohnen, hätten ihm dabei zur Seite gestanden. „Man wächst in die Verantwortung hinein“, sagt Jan Horsky. Er habe lernen müssen, damit umzugehen.

Der Festsaal dient für Konzerte und Lesungen.
Der Festsaal dient für Konzerte und Lesungen. © Karl-Ludwig Oberthür

Auch mit Nöthnitz sei es nicht so einfach gewesen. Hin und wieder ist ihm zu Ohren gekommen, da wäre dieser unfähige Sohn, der nichts auf die Reihe bekommt, der das Schloss verfallen ließe. Das sei ganz anders gewesen, als er Jürgen Voitel traf. Voitel ist in der Gemeinde vor allem für sein Engagement im Elternrat der Musik-, Tanz- und Kunstschule Bannewitz bekannt. Mit Schloss Nöthnitz verband der 69-Jährige bisher nur wenig. Das änderte sich im vorigen Jahr.

Auf Initiative der Musikschule wurden 2017 und 2018 in Bannewitz der 300. Geburts- und 250. Todestag von Johann Joachim Winckelmann gefeiert. Winckelmann gilt nicht nur als Begründer der wissenschaftlichen Archäologie und Kunstgeschichte, sondern war auch sechs Jahre lang Bibliothekar auf Schloss Nöthnitz. Dort verwaltete Winckelmann die riesige, etwa 42 000 Bände umfassende Bibliothek des damaligen Schlossbesitzers Heinrich Graf von Bünau. Teile dieser Sammlung befinden sich heute in der Dresdner Staats- und Universitätsbibliothek.

Die Festlichkeiten zu Winckelmann in Bannewitz und vor allem im Schauplatz Nöthnitz gaben den Anstoß. Jürgen Voitel, der sich damals dazu bereiterklärte, an einer szenischen Darstellung auf der Bühne mitzuwirken, sprach im vergangenen Sommer den jungen Schlossherren auf einer der Veranstaltungen an. Er bot ihm seine Unterstützung dabei an, Schloss Nöthnitz wieder voranzubringen. Horsky sei von dem Angebot überrascht gewesen. So konkret, sagt er, habe ihm zuvor noch nie jemand Hilfe angeboten, einfach so, völlig uneigennützig. Es ist aber nicht nur die helfende Hand, über die sich Horsky nun freut. In Jürgen Voitel traf er den Menschen, der ihm fehlte seit dem Tod seines Vaters. „Er ist mein Mentor“, gesteht Jan Horsky.

Der 23-Jährige hat nicht nur einen Vertrauten gefunden. Er hat auch gemerkt, es sind nicht alle gegen ihn. „Eine Entwicklung von Schloss Nöthnitz geht nur gemeinsam“, weiß er. Mit dem Denkmalamt, der Bannewitzer Rathausspitze und anderen Behörden und Institutionen hat es bereits Gespräche gegeben. Ziel ist es, das Anwesen in Zukunft als internationales Kultur- und Begegnungszentrum auszubauen.

Dazu soll das Schloss, soweit wie möglich, wieder öffentlich zugänglich werden. Um das zu erreichen, soll auf Initiative von Jürgen Voitel und der ehemaligen Bannewitzer Musikschulleiterin Irmela Werner ein neuer Verein „Freunde Schloss Nöthnitz“ gegründet werden. „Es wäre toll, wenn wir viele Interessierte dafür gewinnen können, uns bei den Plänen um das Schloss zu unterstützen“, sagt Jürgen Voitel. In der ersten Etage ist nicht nur eine Ausstellung über die Schlossgeschichte geplant. Die Winckelmannstube, die seit dem Jubiläum im Bannewitzer Bürgerhaus weilt, soll ebenfalls ins Schloss. „Dort gehört sie hin“, sagt auch Bürgermeister Christoph Fröse. Für ihn sei die freudige Entwicklung um Schloss Nöthnitz eine Wendung um 180 Grad. Darüber sei er glücklich. Die Gemeinde werde die Pläne unbedingt unterstützen, auch wenn sie erst noch am Anfang stünden. Fröse denkt auch darüber nach, Schloss Nöthnitz wieder als Trauungsort bekannt zu machen.

Zunächst aber müsse das Schloss auf Vordermann gebracht werden. Der Eigentümer wird mit Unterstützung des Denkmalamtes das Schlossdach erneuern. Überlegungen gibt es auch dahingehend, in den ruinösen Wirtschaftsgebäuden neben dem Schloss ein Museumszentrum zu etablieren. Da Horsky selbst die Finanzierung nicht leisten könne, müsste dies ein anderer Investor übernehmen. Derzeit werde überlegt, ob dies durch einen Verkauf gelingen kann. Eine zehnjährige Verkaufssperre, die auf dem Eigentum Horskys lastet, läuft im April ab. Für Jan Horsky aber steht fest: „Das Schloss veräußere ich nicht.“ Er wisse, welch’ Perle er habe.

In der Sitzung des Gemeinderates am Dienstag, dem 26. Februar, um 19 Uhr, im Bürgerhaus wird über einen Beitritt der Gemeinde zum Förderverein entschieden.

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