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Risikojob Kontrolleur

Bei einer Fahrkartenüberprüfung rastet ein Bahnpassagier aus und schlägt rücksichtslos zu.

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© Sven Ellger

Von Tobias Wolf

Die Fäden sind inzwischen gezogen. Doch die Erinnerung an diesen Arbeitstag wird Frank Schückel wohl noch länger erhalten bleiben. Jedes Mal, wenn er in den Spiegel guckt, wird er die Narbe einer Platzwunde sehen. Ein Fahrgast der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) brachte dem 45-Jährigen die Verletzung bei, als er das Ticket überprüfen wollte. Seit eineinhalb Jahren arbeitet Schückel als Kontrolleur für ein Sicherheitsunternehmen im Auftrag der DVB. Aber so einen brutalen Angriff hat er bisher noch nicht erlebt.

Es ist der 26. August, ein milder Spätsommertag kurz nach dem Mittag, als Schückel an der Karcherallee in die Straßenbahn der Linie 2 einsteigt. Nur wenige Hundert Meter sind es bis zur Zwinglistraße. Als die Bahn losrollt, spricht der Kontrolleur einen Mann an, direkt neben der letzten Tür. Wer den Job macht, bekommt schnell einen Blick dafür, wen er kontrollieren muss und wie er im Zweifelsfall deeskalieren kann. Spezielle Schulungen sind Teil der Ausbildung. In diesem Fall ist es ein Italiener, wie sich später herausstellen soll. „Der wollte mich gar nicht verstehen, als ich ihn nach seinem Fahrschein fragte“, sagt Schückel. „Da habe ich es mit Englisch versucht.“ Der Kontrolleur spricht mit dem Italiener, bis die Bahn an der Zwinglistraße zum Stehen kommt, geht mit ihm nach draußen. „Ich wusste, der will wegrennen.“

Instinktiv hält er die Tasche des Schwarzfahrers fest. Ein anderer Fahrgast hilft dabei. Der Italiener widersetzt sich. „Plötzlich konnte der Deutsch und wollte 40 Euro gleich bezahlen“, sagt Schückel. „Ich habe ihm erklärt, das kostet inzwischen 60 Euro.“ Dazu kommt meist noch eine Strafanzeige. Schwarzfahrer dürfen festgehalten werden, bis die Polizei kommt. Lässt der Delinquent seinen Ausweis da, kann er gehen.

Schückel prüft das italienische Dokument und die deutsche Krankenkassenkarte. Der Fahrgast sei derweil hin- und hergelaufen und habe mit drohendem Unterton gesagt: „Das ist nicht das letzte Mal, dass wir uns sehen.“ Dann versucht er, dem Kontrolleur seine Papiere zu entreißen. Schückel versucht, sie hinter dem Rücken zu verstecken. Den Angriff kann er deshalb nicht mehr abwehren. Mit der Stirn verpasst der Italiener dem Kontrolleur eine heftige Kopfnuss. Die Haut über der linken Augenbraue platzt auf. „Ich habe sofort richtig krass geblutet“, sagt Schückel. Der brutale Schwarzfahrer rennt weg, seine Papiere bleiben liegen. Die gibt Schückel wenig später der Polizei. Ein Passant ruft ihm zu: „Ich habe für euch Kontrolleure eigentlich nichts übrig, aber das geht zu weit.“ Dieser Mann habe dann auch den Rettungswagen angerufen, erinnert sich Schückel.

Den Schock über die Gewaltattacke hat er immer noch nicht verwunden. „Tätliche Angriffe sind fast schon normal, aber nicht so extrem“, sagt er. Am schlimmsten seien Fahrgäste aus dem arabischen Raum, wenn sie erwischt werden. Schückel ist nicht der Einzige, der immer wieder angerempelt wird. „Eine Kollegin von mir wurde so heftig geschubst, dass sie sich beim Hinfallen die Schulter gebrochen hat.“

Zum Vorfall mit dem Italiener ermittelt die Polizei nun wegen Körperverletzung und Erschleichung von Leistungen. Der Mann sei in Deutschland geboren, habe aber die italienische Staatsangehörigkeit, sagt Polizeisprecherin Jana Ulbricht. Es komme vor, dass Kontrolleure angegriffen werden. „Wir werden nur gerufen, wenn es zu einem Gerangel oder Handgreiflichkeiten kommt.“

Der Ruf der Ticketprüfer ist indes nicht der beste. „Kontrollieren wir, werden wir kritisiert, tun wir es nicht kommt ebenso Kritik, man kann es niemandem recht machen“, sagt DVB-Sprecher Falk Lösch. 50 000 Schwarzfahrer werden jedes Jahr überführt. Der Schaden für die Verkehrsbetriebe: bis zu drei Millionen Euro. Andere Kunden müssten für diese hohen Verluste aufkommen.

Noch dreister sind Fälscher. „Da wird mit Rasierklinge oder Radiergummi der Stempel weggemacht und das Ticket sieht für Laien wie neu aus“, sagt Lösch. Kontrolleure erkennen die Fälschungen binnen Sekunden. Die Tickets werden eingezogen. In Gerichtsverfahren dienen sie als Beweise. Lösch appelliert an die DVB-Kunden, bei Kontrollen entspannt zu bleiben. „Jeder ehrliche Fahrgast sollte daran interessiert sein, dass wir schwarze Schafe rausfiltern.“