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Rügen statt Dnjepr-Metropole

Zwei Saporoshez-Oldtimer starteten am Donnerstag auf Nostalgie-Rundfahrt. Das Ziel war eigentlich ein anderes.

Von Uwe Schulz
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Vier Männer, zwei Autos, ein Ziel. Die Fahrzeuge gehören den beiden Hoyerswerdaern Frank Graumüller (2.v.li.) und Christian Martak (re.).
Vier Männer, zwei Autos, ein Ziel. Die Fahrzeuge gehören den beiden Hoyerswerdaern Frank Graumüller (2.v.li.) und Christian Martak (re.). © Foto: Gernot Menzel

Hoyerswerda. Saporischschja liegt in der südlichen Ukraine am Dnjepr und ist mit etwa 760.000 Einwohnern die sechstgrößte Stadt des Landes. Hier sollte dieser Tage das 60. Jubiläum der Automarke Saporoshez stattfinden – mit Fahrzeugen dieser Marke aus aller Welt. Na ja, besser gesagt vor allem aus den ehemaligen Bruderländern der UdSSR. Doch die Corona-Reisebeschränkungen lassen eine solche Fahrt in diesem Jahr nicht zu. Vor zehn Jahren waren über 350 Fahrzeuge angereist, darunter einige aus Deutschland. Mit dabei war auch Christian Martak aus Hoyerswerda. Er schätzt den Bestand der in Deutschland zugelassenen Sapos auf 80 Exemplare. Er selbst besitzt zwei und Frank Graumüller, ebenfalls aus Hoyerswerda, einen weiteren. Dieser Tage wollten sich nun beide auf den Weg in die Ukraine machen. Es wäre ein Trip von insgesamt rund 5.000 Kilometern geworden.

Jetzt haben sie einfach das Ziel geändert: Sassnitz wollen sie Freitagabend erreicht haben. Am Donnerstag ging es los. Es wurden am Morgen Mitfahrer am Bahnhof abgeholt. Auf dem Marktplatz noch schnell ein Erinnerungsfoto. Dann machten sich die beiden Fahrzeuge mit jeweils zwei Mann Besatzung auf den Weg. Aber nicht einfach Richtung Großräschen und dann auf die Autobahn, sondern immer dem Verlauf der alten Fernverkehrsstraße 96 nach, der sich heute nur bedingt mit dem Verlauf der Bundesstraße 96 deckt. Der Verlauf wurde verlegt, teils auf Umgehungsstraßen, teils wurde der Verkehr aus den Innenstädten herausgenommen. Also: Wo es geht, da soll die Fahrt auf der alten Fernverkehrsstraße entlangführen. Navigiert wird nach einem DDR-Straßenatlas aus dem Jahr 1962. Aber selbst das ist den Oldtimerfans noch nicht genug. Sie wollen eine Liste von ehemaligen Reparaturwerkstätten für Fahrzeuge aus sowjetischer Produktion abklappern und mal schauen, was man da noch so sieht. Eine Saporoshez-Werkstatt ist auch für Hoyerswerda in der Dresdener Straße 10 vermerkt.

Übernachten wollen die Männer in Hotels. Die erste Etappe gestern führte bis nach Fürstenberg. Am heutigen Freitag geht es bis zum Ende der Fernverkehrsstraße in Sassnitz auf Rügen. Dort leistet man sich einen Tag Pause. Weiter geht es auf möglichst alten Strecken nach Schwerin und Havelberg und schließlich wieder nach Hoyerswerda. Alles in allem werden es mindestens 1.380 Kilometer sein, abgespult in sechs Tagen.

Christian Martak hat seinen Wagen noch einmal gewaschen, die Technik gecheckt, im Motorraum alle Schellen nachgezogen. Frank Graumüller wollte das erst am Abend vor der Abfahrt erledigen. Im Gepäck sind die nötigsten Ersatzteile – Benzinpumpe, Keilriemen, was man halt so am ehesten gebrauchen könnte. Angst vor der Strecke haben die Männer nicht. „Das Auto hat einen schlechteren Ruf, als es tatsächlich ist“, sagt Christian Martak. Im Jahr 2010 sind sie mit mehreren Fahrern die Distanz vom einstigen Werk zurück nach Hoyerswerda in 36 Stunden durchgefahren. „Da tat uns nicht der Rücken weh“, erinnert sich der 45-Jährige.

Er besitzt einen blauen Saporoshez 966 (das Übergangsmodell) aus dem Jahr 1973 und seit vier Jahren zudem einen orangefarbenen 966er aus dem Jahr 1971. Der Wagen ist im Prinzip im Originalzustand, unrestauriert. Sein Erstbesitzer hat ihn erst verkauft, als er selbst 80 Jahre alt war. Christian Martak ist der vierte Besitzer.

Frank Graumüller schaute vor gut zehn Jahren eigentlich nach einem VW Käfer, als Christian Martak ihm von einem Saporoshez 968 aus dem Jahr 1975 erzählte, der im Oberland zum Kauf angeboten wurde. Sie fuhren 2011 zur Besichtigung und nahmen das Fahrzeug auf dem Rückweg gleich mit.

Mittlerweile sieht man die Sapos hin und wieder im Stadtbild. Christian Martak fährt seine in der Freizeit, am Wochenende. Frank Graumüller nutzt seinen durchaus als Alltagsauto, wenn es sich anbietet. Beide registrieren, dass die Preise für die Oldtimer aus sowjetischer Produktion langsam anziehen. Wolga und Tschajka waren schon immer hochpreisiger, der kleine Sapo stand viele Jahre etwas abseits.

Auch für ihn gilt: simple Technik, alles überschaubar. Und wie das so ist – Frank Graumüllers Familie gehörte ein solches Fahrzeug in den 1970ern. Nun ist der 60-Jährige wieder mit einem unterwegs.