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Sachsen müssen jetzt beweisen, dass sie grün arbeiten

Viele Firmen schmückten sich bislang mit dem Label der Umweltallianz Sachsen.

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© kairospress

Von Jonas Gerding

Georg Brückner will sich nicht ausruhen auf dem, was er erreicht hat. Erst tauschte er die Ölheizung seiner Tischlerei aus durch eine, in der er Holzabfälle verfeuern kann. Dann ließ der Geschäftsführer von Innenbau & Design Fotovoltaikpaneele auf dem Dach montieren. Er hat für die 18 Mitarbeiter einen Firmenwagen angeschafft, der mit elektrischem Strom angetrieben wird und sich Wissenschaftler einer Leipziger Hochschule ins Haus geholt, um die Energieeffizienz zu steigern.

Für das Engagement wurde der Betrieb aus Markkleeberg kürzlich in die Umweltallianz Sachsen aufgenommen. Eine Ehre, die jedoch verblasst, wenn sich die Firma mit anderen Mitgliedern vergleicht: Von den neun konkurrierenden Tischlereien haben sechs die Auszeichnung vor mehr als zehn Jahren bekommen. Kontrolliert wurden sie seitdem nicht mehr.

„Wenn ein Unternehmen im Jahr 2002 mal bewertet wurde, ist heute nicht mehr nachvollziehbar, welche aktuellen Umweltleistungen es vollbringt“, sieht selbst Henryk Gutt ein. Deshalb hat der Leiter der Geschäftsstelle der Umweltallianz eine Reform umgesetzt. Ab diesem Jahr wird Unternehmen keine Mitgliedschaft mehr in Aussicht gestellt, sondern ein Siegel verliehen, das eine konkrete Jahreszahl trägt.

Die Umweltallianz Sachsen wurde vor 18 Jahren gegründet. Unter der Koordination des Sächsischen Staatsministeriums für Umwelt- und Landwirtschaft einigten sich Wirtschaftsverbände des Freistaats auf Umweltkriterien, die für die Auszeichnung erfüllt werden müssen. Mehr als 880 Firmen haben sich bereits erfolgreich beworben. Darunter sind VW, das ein Umweltmanagementsystem eingeführt und Radeberger, das nachweislich den Energieverbrauch reduziert hat. In der Liste finden sich auch viele kleine und mittelständische Unternehmen: Orthopädieschuhmacher, die Umweltbilanzen erstellen, Kunsthandwerker, die nur zertifiziertes Holz einkaufen und fast 200 land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die sich beispielsweise an Naturschutzprogrammen beteiligen. Auch Chemiekonzerne wie Dow und Filialen von McDonald’s haben es in den Klub geschafft.

„Die Geschäftsform an sich darf nicht Teil der Leistung sein“, erklärt Henry Gutt. So seien Solarfirmen und Umweltberatungen nicht per se ökologisch. Entscheidend seien die konkreten Maßnahmen, die Unternehmen durchführen. „Wir würdigen freiwillige Umweltleistungen, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen“, fasst Gutt zusammen.

Freiwilligkeit nütze nichts

Bewerber für die Umweltallianz können anerkannte Standards vorlegen, die sie bereits erlangt haben: das EMAS-Zertifikat der EU zum Beispiel, das den Aufbau eines Umweltmanagementsystems bescheinigt. Firmen können auch einzelne ökologische Verbesserungen auflisten.

Für die Bewerbung von Innenbau & Design hat der Geschäftsführer alle Umweltmaßnahmen der vergangenen Jahre zusammengetragen. Seit der Gründung vor 19 Jahren hat Georg Brückner mit Öl geheizt. Als vor sechs Jahren eine neue Werkshalle errichtet wurde, stieg er auf einen Ofen um, der die Holzreste verbrennt, die bei der Produktion von Möbeln für Büros, Gaststätten und Privathaushalten anfallen. „Davor haben wird das zentral gesammelt und dann entsorgt“, berichtet der 47-Jährige. 50 bis 60 Tonnen Abfall könneN so jährlich gespart werden. Die Fotovoltaikanlage produziere jährlich 83 000 Kilowattstunden Strom und dank des Elektroautos, einem Renault Kangoo Z.E., könne auf 1 200 Liter Kraftstoff im Jahr verzichtet werden. Mit der Auszeichnung der Umweltallianz ist Brückner nun nicht nur Teil eines Netzwerkes. Auf der Webseite kann er die Firma nun auch mit dem Logo der Initiative als nachhaltig präsentieren. Und je anspruchsvoller die Vergabe eines Siegels ist, desto besser. Das weiß auch Brückner, der mit Skepsis auf Firmen blickt, die bereits vor Jahrzehnten in die Umweltallianz aufgenommen wurden, aber seitdem keine ökologischen Maßnahmen mehr belegen mussten.

„Mit dem Siegel möchten wir nun einen Anreiz schaffen, dass sich die Unternehmen immer wieder neu bewerben,“ sagt Gutt von der Geschäftsstelle der Umweltallianz. Rückwirkend bekommen nur die Teilnehmer der Umweltallianz das Siegel ausgestellt, die vor weniger als drei Jahren beigetreten sind. Der Rest kann sich neu bewerben.

„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, wird die Reform von Wolfram Günther kommentiert, der für Bündnis 90/Die Grünen im sächsischen Landtag sitzt. Er zweifelt jedoch an der Glaubwürdigkeit der Auszeichnung, die er in seiner bisherigen Form als „leicht zu bekommendes Marketinglabel“ bezeichnet. „Es sollte Mindestanforderungen auf verschiedenen Ebenen geben“, meint er. Bewerber müssten beispielsweise nachweisen, dass sie bei der Vergabe von Aufträgen auf ökologische Kriterien achten würden und Güter nachhaltig, also vermehrt mit Eisenbahnen anstelle von Lkws, transportieren würden. Auch Tabu-Kriterien, deren Verletzung eine Auszeichnung unmöglich machen, hält Günther für sinnvoll. Initiativen wie die Umweltallianz, die auf reiner Freiwilligkeit beruhen, sieht der BUND Sachsen kritisch. „Wenn durch ständig steigenden Konsum der ökologische Fußabdruck ständig steigt, reicht es nicht, die ganzen überflüssigen Produkte nachträglich ein bisschen grüner zu machen“, urteilt Felix Ekardt, der Sprecher des Umweltverbands. Er fordert strengere gesetzliche Rahmenbedingungen.