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Sagen zum Anfassen

Langzeitarbeitslose haben mit 14 Stationen in Zittau einen Pfad geschaffen, der von Geistern, Hexen und Dämonen erzählt.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Etwas schüchtern, aber mit einem Lächeln auf den Lippen übergibt Anett Ehrentraut einen kleinen Königsstuhl, der mit einer Blüte geschmückt ist, an Oberbürgermeister Thomas Zenker (Zkm). Weshalb ihm das Modell des Königsstuhls ganz besonders gefällt, verrät er später. Anlass der Beschenkung ist die feierliche Übergabe des Sagenpfades der Stadt Zittau, zu der sich zahlreiche am Projekt beteiligte Menschen am Dienstagmittag am Prof.-Kiesow-Weg eingefunden haben.

Station 5 erzählt die Sage von den Steinringen.
Station 5 erzählt die Sage von den Steinringen. © Matthias Weber
Auch dieses Kunstwerk gehört zum Sagenpfad.
Auch dieses Kunstwerk gehört zum Sagenpfad. © Matthias Weber
Zimmermann Petr Hildebrand hat den „Glockenstuhl“ an der Johanniskirche gebaut.
Zimmermann Petr Hildebrand hat den „Glockenstuhl“ an der Johanniskirche gebaut. © Matthias Weber
© SZ-Grafik

Seit Monaten sorgen die im Stadtgebiet verteilten Figuren und Objekte für Diskussionen in Zittau und den sozialen Netzwerken. Nun ist der aus 14 Stationen bestehende Sagenpfad fertiggestellt. Skurile Figuren und bunte Gegenstände erzählen jahrhundertealte Geschichten von Geistern, Hexen und Dämonen.

Zehn Langzeitarbeitslose, darunter vier Frauen, beschäftigten sich seit Jahresbeginn unter Leitung ihres Ausbilders Michael Sperlich mit den Zittauer Sagen. Der Inhalt der Geschichten stützt sich auf das im Jahr 1903 erschienene „Sagenbuch des Königreichs Sachsen“ von Dr. Alfred Meiche. Er schrieb die über die Jahrhunderte mündlich überlieferten Geschichten auf. „Es hat einige Wochen gedauert, bis wir erste Ideen hatten“, erzählte Dorit Klemm von der bao GmbH. Der Bildungsträger führte die vom Jobcenter des Landkreises finanzierte Arbeits- und Weiterbildungsmöglichkeit durch. „Mit kreativen Ideen, handwerklichem Geschick und jeder Menge Ehrgeiz“ entstanden in den Werkstätten der bao die Objekte und Stationen, die den Inhalt der Sagen symbolhaft widerspiegeln, so Annett Kinast, Geschäftsführerin des bao-Schulungszentrums.

Wer sich auf den Weg macht, den Sagenpfad zu entdecken und die Werke betrachtet, wird feststellen, dass sich nicht jede Sage auf den ersten Blick erschließt. Aus diesem Grund hat die Stadt Zittau einen Flyer herstellen lassen, in dem die zu den Stationen gehörigen Sagen nachgelesen werden können. Und die haben es in sich: Ein nackter Mönch, ein unmündiger Prinz, eine hässliche Alte und ein verschlafener Tischlerlehrling sind nur einige der Protagonisten aus längst vergangenen Zeiten. Auf den Flyer sollte niemand beim Rundgang verzichten, nicht nur, weil eine Karte den Standort der Stationen zeigt. Die zur Volksdichtung gehörenden Geschichten sind darin komprimiert aufbereitet und in Kurzform erzählt. Interessierte können die Sagen der Stadt so in kurzweiliger Art und Weise kennenlernen. Zittauer Kindereinrichtungen werden den Rundgang vermutlich bald in ihr Programm aufnehmen. Heimatgeschichte ist durch den Sagenpfad nun auch für die Jüngsten erlebbar. Sagen zum Anfassen, Draufsetzen und Spielen.

Am Ende seiner kurzen Ansprache verriet Thomas Zenker dann, warum der Königsstuhl auf der Oberen Neustadt sein Lieblingsobjekt ist. Nicht weil er gern darauf säße, sondern weil seine Tochter die Stuhlbeine „so cool“ fände, so der OB. Es sind vier schwarze Stiefel, vermutlich mit Beton gefüllt, die den Sitz halten. „Über Sinn und Zweck der Objekte ist in den vergangenen Monaten viel geredet worden“, erinnerte der OB und weiter: „Jeder Künstler muss die Diskussion über sein Werk aushalten, das gehört dazu“. Über die Stadt ins Gespräch zu kommen, sei wichtig, so der Rathauschef. Am kommenden Sonnabend eröffnet er um 17.10 Uhr auf dem Klosterplatz die 6. Zittauer Kulturnacht und noch einmal den Sagenpfad.