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Sand zu Gold

In sächsischen Kiesgruben findet sich das Edelmetall, aber niemand, der es einfängt.

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Von Udo Lemke

Gleich in 25 von 26 untersuchten sächsischen Kies- und Sandgruben gibt es Gold. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des sächsischen Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Was ist das für Gold? Wie kommt es in die Kiesgruben? Und wie kann man es da wieder rausholen?

In Sachsen gibt es 155 privat betriebene Kies- und Sandgruben, wie diese in Strauch bei Großenhain – 26 Gruben wurden auf Goldvorkommen untersucht. In 25 wurden die Geologen fündig.Fotos: Klaus-Dieter Brühl, LfULG
In Sachsen gibt es 155 privat betriebene Kies- und Sandgruben, wie diese in Strauch bei Großenhain – 26 Gruben wurden auf Goldvorkommen untersucht. In 25 wurden die Geologen fündig.Fotos: Klaus-Dieter Brühl, LfULG © Anne Hübschmann

„Es handelt sich um sogenanntes Seifengold“, erklärt Uwe Lehmann, der zuständige Referatsleiter, der die Untersuchungen geleitet hat. Dabei hat Seifengold nichts mit Seife zu tun, sondern mit den Eigenschaften des glänzenden Edelmetalls. Gold kommt zwar in der Natur überwiegend elementar vor, aber es ist meist in Gestein eingebettet. Dieses kann durch Verwitterungsprozesse zerstört und von Bächen und Flüssen aus dem Gebirge zu Tal transportiert werden. An Stellen, wo eine Vertiefung im Grund ist, oder das Wasser plötzlich schneller fließt, weil das Gefälle zunimmt, werden die leichteren Teilchen des Gesteins mit der Strömung bevorzugt mitgerissen, das schwere Gold sinkt auf den Grund. Solche Ansammlungen werden Seifen genannt. Daher der Name.

„Wie, wenn sich Steine in Bächen und Flüssen aneinander rund reiben, so wird auch das Gold verändert. Je weiter weg vom Gebirge, je näher zum Meer, desto stärker verformt sind die Goldteilchen und desto kleiner sind sie“, so Lehmann. In seiner Studie „überwogen flache Goldpartikel (Flitter) mit Korngrößen zwischen etwa 0,1 und 0,2 mm“. Das heißt, dass die Goldteilchen etwa doppelt so dick wie ein Menschenhaar waren.

Ohne richtige Nuggets? Nur solche Winzlinge? Was soll man damit anfangen? Zumal, wenn der höchste gefundene Goldgehalt in Ablagerungen der Elbe und der Vereinigten Mulde bei 5 Milligramm pro Tonne bzw. bei 10 Milligramm pro Tonne lagen – also maximal 10 Tausendstel Gramm Gold auf 1 000 Kilogramm Sand bzw. Kies? Dagegen ist die berühmte Nadel im Heuhaufen ein Riese.

Was den Laien schier entmutigt, ist für den Fachmann eine handhabbare Größe. Lehmann rechnet vor. Wenn eine Grube eine Million Tonnen Sand mit einem Goldgehalt von 5 Milligramm pro Tonne fördert und man würde das darin enthaltene Gold komplett gewinnen, „dann wären das fünf Kilogramm.“ Bei dem derzeitigen Goldpreis von 35 000 Euro pro Kilogramm kommen Summen heraus, die schon nach etwas klingen. Und die geringe Größe der Gold-Flitter ? „Auch beim Abbau von Kupfer, Wolfram und Zinn sind die Erzminerale meist genauso klein.“

Die Kies- und Sandgruben, die einstige Flussablagerungen abbauen, bergen also Goldschätze. Allerdings hebt diese niemand. Keiner der Betreiber, der 25 goldführenden Gruben in Sachsen kümmert sich um das Gold. Es wandert mit den Lkw auf die Baustellen und verschwindet in Maurermörtel, Putz und Beton. „Die Betreiber der Gruben haben alle Hände voll zu tun, ihren Kies oder Sand abzubauen, sie haben keine Zeit eine Nebenproduktion aufzubauen“, sagt Lehmann. „Die entscheidende Frage ist, ob man mit möglichst simplen Verfahren, die automatisiert sind, also kein zusätzliches, kostenintensives Personal benötigen, die Goldflitter aus dem Sand und Kies herausholen kann?“

Lehmann erklärt, wie das gehen könnte. „Gold zählt zu den dichtesten Stoffen in der Natur. Ein Würfel von einem Zentimeter Kantenlänge wiegt 19,3 Gramm. Der gleiche Würfel Quarz dagegen, ein Hauptbestandteil des Sandes, wiegt nur 2,6 Gramm.“ Dass Gold so schwer ist, kann man sich zunutze machen. In den Kies- und Sandgruben entstehen im Produktionsprozess wie in den Bächen und Flüssen Goldfallen, also Stellen, wo sich besonders viele Gold-Flitter ansammeln. „Innerhalb der Kieswerke fand bei bestimmten Anlagenteilen – z. B. Bandübergabestellen, Sandentwässerung – eine Anreicherung der Goldflitter bis auf das 20.000-fache des Gehaltes im Rohkies statt.“ Wenn man diese goldhaltigen Lösungen durch eine Zentrifuge schickt, werden die schweren Goldteilchen durch die Drehung nach außen geschleudert und können „abgesammelt“ werden. Das Kieswerk in Rheinzabern (Rheinland-Pfalz) betreibe eine solche Zentrifuge, erzählt Mineraloge Lehmann. Sie trennt Sand und Gold mit 92-facher Erdbeschleunigung voneinander. „Aber die Zentrifuge ist teuer in der Anschaffung und verbraucht viel Strom“, das hält andere Grubenbetreiber ab. Ein zweites Verfahren setzt auf Wasser und Schwerkraft. Dabei werden die goldhaltigen Lösungen aus dem Produktionsprozess über Rinnen zum Boden geleitet, wo sich das Gold in Matten mit kleinen Vertiefungen – also winzigen Goldfallen – absetzt. Ein Verfahren, dass ohne Zentrifuge und Strom auskommt, aber am Ende Leute braucht, die die Goldflitter aus den Matten spülen. Doch auch hier werde gegenwärtig an einem automatisierten Verfahren gearbeitet, erklärt Lehmann.

Damit keine unerwünschten Schatzsucher die Kies- und Sandgruben, in denen Gold nachgewiesen worden ist, überrennen, nennt Lehmann keine konkreten Standorte in seiner Studie. Aber er weiß natürlich, dass es solche Schatzsucher gibt. Und er weiß, dass sich diese regelmäßig goldangereicherten Sand aus den Förderanlagen holen, um „innerhalb eines Jahres fünf oder zehn Gramm Gold daraus zu gewinnen“. Die grundlegende Frage bleibt, ob effiziente Verfahren entwickelt werden können, um künftig das Gold aus den Gruben zu gewinnen. „In diese Richtung wird sich der Bergbau generell entwickeln – Erze abzubauen, die Wertstoffe enthalten, deren Korngrößen und Gehalte sehr klein sind.“

Was die Gold-Flitter betrifft, so geht von ihnen jenseits aller wirtschaftlichen Überlegungen eine ästhetische Faszination aus. Unter dem Mikroskop zeigen sie eine unglaubliche Formenvielfalt – ein Beweis dafür, dass Gold ganz verschieden glänzt.