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Schachmatt!

Der Bund streicht die Förderung der Brettspieler komplett, was die Frage aufwirft: Wann ist Sport eigentlich Sport?

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© Robert Michael

Von Daniel Klein

Es war eine lange Zitterpartie, die für die Schachspieler mit einer Niederlage endete. Anfang Mai teilte das Bundesinnenministerium (BMI) dem Verband in einem Schreiben mit, dass die Förderung von bisher jährlich 130.000 Euro komplett gestrichen wird. Schachmatt.

Damit wollen sich die 90.422 organisierten Spieler in Deutschland jedoch nicht abfinden, protestieren energisch. „Als Begründung führt das BMI aus, dass Schach kein Sport sei“, empört sich Hans Joachim Schätz, Präsident des sächsischen Verbandes, und argumentiert wortreich, warum eine Partie durchaus konditionell anstrengend sein kann: „Der Schachsportler muss seine Körperspannung über viele Stunden kontrollieren, Schockzustände durch unerwartete Züge des Gegners verarbeiten und unter anwachsendem Zeitdruck wohlüberlegte Entscheidungen treffen.“

Das ist sicher Auslegungssache – für das Ministerium jedoch nicht. Das BMI verweist auf einen Beschluss der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vom vergangenen Dezember über die Fördersystematik für den nichtolympischen Spitzensport bis Ende 2017. Darin werden Kriterien aufgelistet, die zu erfüllen sind. So etwa eine weltweite Verbreitung, ein nationales wie internationales Meisterschaftssystem, die Anerkennung des Antidoping-Codes. Das alles ist für Schach kein Problem – bis auf eins: „Die Ausübung der Sportart muss durch eine sportartbestimmende motorische Aktivität des Sportlers gekennzeichnet sein. Diese (...) liegt insbesondere nicht vor bei Denksport-, Geschicklichkeits- und Glücksspielen.“ Deshalb sei Schach aus der Förderung gefallen, erklärt BMI-Sprecher Harald Neymanns. Sportangeln aber nicht, da bleibt der Geldhahn geöffnet.

Schätz findet das ungerecht und zieht einen weiteren Vergleich – mit einem Sportschützen. Von dem werde verlangt, „dass er sich möglichst gar nicht bewegt, bis er abdrückt und die Kugel in das Ziel lenkt“. Und schon ist man mittendrin in der Diskussion, wann Sport eigentlich Sport ist. Der Landessportbund Sachsen (LSB) fasst den Begriff weiter, unterstützt zum Beispiel auch die Segelflieger, Billardspieler, Lebensretter, Kegler und Tauchsportler. Sowie weiterhin Schach – mit rund 64.000 Euro jährlich. „Für uns ist Schach nach wie vor Sport“, erklärt LSB-Generalsekretär Ulf Tippelt. „Die Entscheidung des BMI ist für uns unverständlich, hat aber keinerlei Auswirkungen für unsere Talentförderung.“ Vom Land gibt es also weiterhin Geld, vom Bund nicht mehr. Zu verstehen ist das nicht.

Juristische Haarspalterei

Für BMI-Sprecher Neymanns geht es dabei nicht um die Frage, ob „Schach Sport ist oder nicht“, sondern lediglich darum, ob diese Sportart die Kriterien für eine Förderung erfüllt. Dreht es sich also einzig ums Geld? Dem Schachspieler könnte doch egal sein, ob er als Sportler bezeichnet wird oder nicht, solange er eine Institution findet, die ihm die Trainingslager und Wettkampfreisen bezahlt.

Doch hinter dem Aufschrei der Schachspieler steckt mehr: Sie wollen von der Gesellschaft anerkannt und ernst genommen werden, wollen quasi von hoher Stelle den Nachweis, dass sie etwas beherrschen, das auf diesem Niveau nur wenige können. Sie wollen raus aus der Freizeit- und Hobbyecke, wollen sich abheben von den Skat- und Romméspielern, weg vom Kneipenmief. Letztlich geht es um das Selbstwertgefühl. Mit der Aussortierung durch das Innenministerium wurde das den Schachspielern ein Stück weit genommen. Das schmerzt vermutlich mehr als die 130.000 Euro.

Sachsen-Präsident Schätz lässt deshalb nicht unerwähnt, dass Schach vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt sei und der FC Bayern München 1980 eine Schachabteilung gegründet habe. Höhere Weihen gibt es quasi nicht. Nun muss nur noch das BMI seine Meinung revidieren. Die Schachspieler hoffen zumindest auf eine Hängepartie mit ungewissem Ausgang. Selbst der DOSB möchte sich in Berlin für den Schachsport einsetzen. Geht es nach Ministeriumssprecher Neymanns, ist die Aussicht auf Erfolg jedoch gering: „Eine Revidierung der Entscheidung ist nicht angedacht.“ Vorerst bleibt es also beim schachmatt.