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Schafsriss am Barockschloss

Wölfe in Dörfern sind keine Ausnahme mehr. Nicht nur ein Rammenauer macht sich deswegen große Sorgen.

Von Ingolf Reinsch
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Norbert Krüger hat seit 50 Jahren mit Schafen zu tun. Kürzlich wurde eines seiner Tiere gerissen – gleich hinterm Wohnhaus und in direkter Nachbarschaft zum Barockschloss. „Wölfe haben in den Dörfern nichts zu suchen“, sagt der Rammenauer.
Norbert Krüger hat seit 50 Jahren mit Schafen zu tun. Kürzlich wurde eines seiner Tiere gerissen – gleich hinterm Wohnhaus und in direkter Nachbarschaft zum Barockschloss. „Wölfe haben in den Dörfern nichts zu suchen“, sagt der Rammenauer. © Steffen Unger

Rammenau. Fünf Schafe weiden hinterm Haus von Norbert Krüger in Rammenau. Eins büßte der Mittsechziger kürzlich ein. „Am Abend hat es noch gefressen“, sagt er traurig, während er mit dem Finger auf dem Smartphone wischt und ein Foto heraussucht. „Am nächsten Morgen war es gefressen“, fügt er hinzu und zeigt das Bild: Nur Kopf und Knochen blieben übrig. Norbert Krüger hat keinen Zweifel, dass er „Wolfsbesuch“ hatte. Wie der oder die Räuber den Weidezaun durchbrochen haben, kann er nur ahnen. Vermutlich fanden die Tiere am Boden ein Schlupfloch, wo sie durchkriechen konnten.

Dieser Schafsriss vom Dezember geschah nur wenige Meter vom Wohnhaus der Familie und gut 100 Meter Luftlinie vom Barockschloss entfernt. Es war das erste Schaf, das Norbert Krüger einbüßte. Doch schon zuvor wurden mehrfach gerissene Schafe in Rammenau gemeldet. So verlor ein Züchter in der Tannebergsiedlung in den Jahren 2017 und 18 jeweils ein Tier, berichtet der zuständige Jagdpächter Holger Scheumann. Am Luisenberg zwischen Rammenau und Hauswalde werden regelmäßig Wölfe gesehen. Im April 2017 wurde ein Wolf auf der Straße zwischen den beiden Nachbardörfern von einem Auto erfasst und verendete. Mehrere Quellen berichten, bei einer Ansitz-Drück-Jagd im Dezember 2018 in der Massenei bei Seeligstadt, nur wenige Kilometer von Rammenau entfernt, sichteten Jäger 14 Wölfe. In dem Waldgebiet werden mittlerweile schon zwei Wolfsrudel vermutet. Der Forst zwischen Seeligstadt, Frankenthal und Großröhrsdorf bietet zwar eine zusammenhängende, relativ große Waldfläche. Doch für zwei Rudel ist sie viel zu klein, sagen Jäger.

Wirksame Grenzen 

Was Norbert Krüger vor allem Sorgen macht: Der Wolf kommt immer näher an die Zivilisation. Er fühlt sich inzwischen selbst in den Dörfern zu Hause, verliert die Scheu vor dem Menschen. „Der Wolf hat keinen Feind. Er fühlt sich von niemandem bedroht, auch von Menschen nicht“, sagt der Rammenauer. Er fordert nicht, den Wolf auszurotten. Wohl aber die Zahlen zu reduzieren und wirksame Grenzen zu schaffen, damit der Wolf nicht in die Orte kommt. Hier sieht der Rammenauer die Politiker in der Pflicht. Jäger, wie Holger Scheumann, pflichten ihm bei. „Wir leben nun mal in einer Kulturlandschaft“, sagt er. Ein gesunder Wolf, sagen Jäger, zieht sich zurück, wenn er Menschen wahrnimmt. Von einem kranken Tier sei das nicht zu erwarten. Jäger wollen nicht ausschließen, dass auch gesunde Wölfe früher oder später für Menschen gefährlich werden könnten, sollten sie erkennen, dass der Mensch eine relativ leichte Beute ist.

Ein Gutachter des Landratsamtes schaute sich den Schaden auf der Weide von Norbert Krüger an. Er gab Empfehlungen, wie der Weidezaun aufgerüstet werden sollte und welche Förderprogramme es dafür gibt. 80 Prozent des Aufwandes können gefördert werden. Er werde auf jeden Fall einen Antrag stellen, sagt Norbert Krüger. Allerdings müsse er in Vorkasse gehen. Er rechnet mit einem Aufwand in vierstelliger Höhe. Geld, das man erst einmal haben muss, um vorfinanzieren zu können.

Schäfer gelernt

Norbert Krüger züchtet nicht nur Schafe, sondern auch Pferde – Vollblutaraber. Viele Rammenau-Besucher bleiben stehen, wenn sie eine Runde ums Schloss drehen. Seinen Pferden konnten die Wölfe bisher noch nichts anhaben. Doch die Gefahr ist latent. „Pferde sind Fluchttiere, wie auch Rinder“, sagt der Putzkauer Jäger Andreas Wunde. Werden sie bedroht oder gejagt, können sie ausbrechen. Die Tiere bringen dann nicht nur sich, sondern beispielsweise auch die Insassen von Fahrzeugen in Gefahr, sollten sie in ein Auto laufen.

Ein Leben ohne Schafe kann und möchte sich Norbert Krüger nicht vorstellen. Seit 50 Jahren hat er mit den Tieren zu tun. Er lernte ab 1969 Schäfer und arbeitete bis 1989 in diesem Beruf, viele Jahre in der LPG Lichtenberg bei Pulsnitz. Nach dem Aus der Schafszucht sattelte er beruflich um. Er fährt jetzt als Händler auf Wochenmärkte, freitags zum Beispiel nach Bischofswerda. Die Schafszucht betreibt er im kleinen Rahmen für den Eigenbedarf. Darauf verzichten möchte er nicht. Auch nicht nach der Erfahrung vom Dezember.