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„Schiedsrichter sind keine Blitzableiter“

Nach Spielabbruch in der Fußball-Kreisoberliga: Verbandsvize Mike Kohllöffel äußert sich zur Situation.

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Fungiert seit 1985 als Schiedsrichter und Beobachter: Mike Kohllöffel, Vizepräsident des Fußballverbandes Muldental/Leipziger Land.
Fungiert seit 1985 als Schiedsrichter und Beobachter: Mike Kohllöffel, Vizepräsident des Fußballverbandes Muldental/Leipziger Land. © Archiv/Dirk Westphal

Döbeln. In der Kreisoberliga des Fußballverbandes Muldental/Leipziger Land hat es am Wochenende gleich zwei Spielabbrüche gegeben. In Böhlen, wegen der schweren Verletzung eines Spielers, und bei der Partie SV Naunhof gegen Blau-Weiß Deutzen, wo sich der Waldheimer Schiedsrichter Daniel Helbig nach einer vermeintlich handgreiflichen Situation an der Seitenlinie zu diesem Schritt gezwungen sah. 

Der Ehrenpräsident des Heimvereins, Rainer Lisiewicz, hätte einen der beiden Schiedsrichterassistenten mit der flachen Hand geschubst. Der dagegen sieht sich, laut Medienberichten, als Opfer und wäre von der Mutter des Linienrichters mit einem Schirm geschlagen worden. 

„In einem solchen Fall sind wir angehalten, das Spiel sofort abzubrechen“, hatte Helbig seine Entscheidung bereits in der Montagausgabe des Döbelner Anzeigers begründet. Über den Sachverhalt hat nun das Sportgericht zu entscheiden. 

Der Döbelner Anzeiger sprach über den Vorfall und die derzeitige Situation auf den Fußballplätzen mit dem Vizepräsidenten des FV Muldental/Leipziger Land, Mike Kohllöffel, der selbst jahrzehntelang als Schiedsrichter und Beobachter aktiv ist.

Mike Kohllöffel, ist der Ton auf den Sportplätzen der Region in den vergangenen Jahren rauer geworden?

Sicherlich sind die Verhaltensweisen der Spieler und auch Mannschaftsverantwortlichen und wenigen Zuschauer, die noch kommen, schon etwas angespannter als noch früher.

Wie macht sich das bemerkbar?

Es wird schon mehr Energie abgeladen, insbesondere auch von Fans, was sich dann in einem gewissen Maße auch auf das Spiel übertragen kann.

In dem speziellen Fall wird Aussage gegen Aussage stehen. Praktisch die eines Nachwuchsschiedsrichters gegen die einer Fußballlegende. Wie kann das Sportgericht im Nachhinein eine Entscheidung treffen?

Das Sportgericht behandelt den Fall nach Vorlage der Berichte. Es handelt sich derzeit aber um ein schwebendes Verfahren, zu dem niemand der Beteiligten Aussagen treffen kann und auch darf. Deshalb äußere ich mich nicht zu dem speziellen Fall.

Handelt es sich in der Region um einen Einzelfall, oder sind solche Entgleisungen an der Tagesordnung?

Im vergangenen Spieljahr hat es im gesamten Bereich des Fußballverbandes schon einige Aggressionen und Übergriffe gegen Schiedsrichter gegeben. Ein Anstieg ist zu verzeichnen, aber nicht im Übermaß.

Sind Ihnen solche Vorkommnisse auch im Gebiet des ehemaligen Döbelner Fußballverbandes bekannt?

Soweit wie ich mich jetzt erinnern kann, hat es hier noch keine Vorfälle dieser Art gegeben. Beleidigungen von Schiedsrichtern oder Assistenten allerdings schon, welche dann auch sportgerichtlich geahndet wurden. Denn Schiedsrichter sind keine Blitzableiter.

Wie sieht es anderswo in Sachsen aus?

Soweit mir bekannt ist, beschränken sich diese Einzelfälle zum Großteil auf Beleidigungen. Die passieren auch gegen erfahrene Sportfreunde, aber vor allem werden Schiedsrichteranfänger und junge Unparteiische teilweise unterhalb der Gürtellinie und nicht mit dem nötigen Respekt behandelt. 

In der Folge bedeutet dies in einigen Fällen, dass die Jungs und Mädels die Lust verlieren und sich einem anderen Hobby zuwenden. Damit gehen sie dem Fußball verloren und somit ist dann die rührige Tätigkeit einiger Vereine, Referees zu werben, umsonst gewesen. Und das ist schade.

Gibt es in manchen Fällen auch eine Mitschuld des Unparteiischen?

Sicher ist es auch so, dass bei jungen Schiedsrichtern eine Fehlerquote vorhanden ist, da sich diese in einem Lernprozess befinden. Da ist Toleranz auf beiden Seiten gefragt und keine Überheblichkeit. Auch die Spieler treten über den Ball. Das müssen speziell auch bei Nachwuchsspielen die anwesenden Eltern und Betreuer akzeptieren. Die Kinder können mit den Situationen oft besser umgehen als die Eltern.

Wenn etwas in der Art wie in Naunhof passiert, werden in der Regel auch sofort Handys gezückt und die Szenen ins Netz gestellt. Inwieweit schaukelt sich die Situation dadurch weiter hoch?

Zu Thema Social Media habe ich eine eigene Meinung. Dass die gesamten Dinge übertrieben werden und nicht mehr die Wahrheit widerspiegelt, ist bekannt. Dass dann Kommentare oder Fakes durch das Netz gehen, ist eine logische Konsequenz. Einfacher macht es das Ganze nicht. Als Fan oder Beteiligter muss man sich schon überlegen, was man ins Netz stellt. Denn das Ganze wird über Jahre sichtbar sein.

Sie selbst besitzen eine jahrzehntelange Erfahrung als Unparteiischer. Was raten sie jungen Schiedsrichtern, wenn sie in eine solche Situation kommen?

Auf jeden Fall, einen kühlen Kopf zu bewahren, nicht voreilig zu reagieren und die Situation zu durchdenken. Man kann ein Spiel auch unterbrechen. Dann hat man immer noch die Möglichkeit mit den Assistenten und gegebenenfalls den Mannschaftskapitänen und Übungsleitern eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.

 Einfach, um der Situation nach angemessen zu reagieren. Nicht immer ist der Spielabbruch ein Allheilmittel. Ist es zu Tätlichkeiten gegen die Unparteiischen gekommen, ist der aber das einzige Mittel, weil dann die Autorität des Schiedsrichters untergraben ist. Dafür kann es kein Verständnis geben. Dem müssen sich alle bewusst sein.

Gespräch: Dirk Westphal

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