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Schlanker, aber stärker

Was auf Marco Koch zutrifft, gilt auch fürs gesamte deutsche Schwimmteam – das sich aber gerade zweiteilen muss.

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© dpa

Von Jörg Soldwisch

Auf diese Art der Gewichtsreduzierung hätte Marco Koch liebend gern verzichtet. Ein Magen-Darm-Virus legte den Schwimmer in der unmittelbaren Vorbereitung auf die Kurzbahn-EM in Kopenhagen vier Tage flach. Ein paar Kilos purzelten, doch das hätte Koch gar nicht gebraucht. Durch eine Umstellung der Ernährung und des Kraftkonzepts wirkt der Kurzbahn-Doppelweltmeister so austrainiert wie lange nicht.

„Marco sieht im Moment super aus. Er hat eine absolut schmale Taille und starke Kraftwerte“, sagt Bundestrainer Henning Lambertz. „Er hat seine Kraft gesteigert und sein Gewicht reduziert.“ Aber macht ihn das bessere Kraft-Last-Verhältnis automatisch schneller im Wasser? Das Rennen auf seiner Paradestrecke über 200 Meter Brust beendet er am Donnerstag als Zweiter. 41 Hundertstelsekunden fehlten ihm zur erfolgreichen Titelverteidigung, eine gute Sekunde zu seinem Weltrekord. „Darauf kann man schon mal aufbauen“, erklärt er. Die Folgen des Virus habe er leider doch ein bisschen gemerkt.

Das langfristige Ziel ist klar: Rückkehr in die Weltspitze. Nach dem blamablen Halbfinal-Aus bei der WM vor vier Monaten in Budapest mit einer indiskutablen Zeit zog Koch Konsequenzen. Mit Ex-Weltmeister Mark Warnecke, der als Ernährungsmediziner mit seinen Produkten eine „schnelle und effektive“ Gewichtsabnahme verspricht, stellte er ein neues Ernährungsprogramm auf. Auf Kohlenhydrate verzichtet der Darmstädter fast komplett. „Er ist in seiner Ernährung mittlerweile hochdiszipliniert“, sagt Heimtrainer Alexander Kreisel. Mit ihm hat Koch einiges umgestellt. Dank „CrossFit“, einer Methode, bei der Gewichtheben, Sprinten und Eigengewichtsübungen miteinander verbunden werden, ist Koch mittlerweile so etwas wie das „Kraftmonster“ im deutschen Team. Bei der obligatorischen Kraftüberprüfung war er im Bankdrücken die Nummer eins und bei den Kniebeugen Zweiter. Nicht schlecht für einen, der im Vergleich zu anderen Leistungsschwimmern körperlich oft weniger austrainiert wirkte.

Eigener Kurs beim Krafttraining

Das umstrittene Kraftkonzept von Bundestrainer Lambertz setzt Koch dabei nicht mehr so stringent um. Das sieht Lambertz aber nicht als persönliche Niederlage, weil für Kochs WM-Pleite nachweislich andere Parameter ausschlaggebend gewesen seien. „Für mich ist nicht wichtig, dass jemand mein Kraftkonzept eins zu eins umsetzt“, sagte Lambertz, „sondern dass er das gewünschte Resultat erzielt.“ Für Koch bedeutet das: Podestplätze.

Bei Philip Heintz ist die Vorgabe identisch, seine Problematik im Vorfeld war jedoch eine andere. Bei der WM hatte er nach seinem enttäuschenden siebten Platz über 200 Meter Lagen einen lange schwelenden Konflikt mit dem Bundestrainer öffentlich gemacht und unter anderem die Terminplanung kritisiert. Zweieinhalb Jahre vor Olympia in Tokio können sich aber weder Heintz noch Lambertz atmosphärische Störungen erlauben. Deshalb gab es eine Aussprache. „Wir haben uns viel Zeit genommen und versucht, all das aus dem Weg zu räumen, was in der Vergangenheit vielleicht zwischen uns stand“, berichtete Lambertz über das Treffen, das in den Räumen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor zwei Wochen in Frankfurt/Main stattgefunden hat. Heintz meinte dazu: „Er hat meine Probleme verstanden, ich seine. Von der Seite her sind wir wieder im Lot.“

Bei der Kurzbahn-EM holt er auf der 400-Meter- Lagenstrecke wie Koch Silber. „Mit der Zeit bin ich nicht ganz so zufrieden, aber über den Vize-Europameister freue ich mich einfach“, sagt er. In der Vorbereitung hatte er den Fokus auf Ausdauer und weniger auf Schnelligkeit gelegt, „trotzdem ist es mein Ziel, zwei Medaillen zu holen“, sagte der Lagenspezialist. Eine hat er jetzt schon.

Zudem holte überraschend Schmetterlingsspezialist Marius Kusch aus München über 100 Meter in persönlicher Bestzeit Bronze. Bei aller Freude über die Medaillen – viel Aussagekraft haben sie nicht. Entweder meiden die Stars die Wettkämpfe auf der 25-Meter-Bahn oder sie bestreiten sie aus dem vollen Training heraus. Den Stellenwert demonstriert selbst der Deutsche Schwimmverband mit seinem Terminplan überdeutlich. Parallel zur EM in Kopenhagen werden derzeit in Berlin die nationalen Kurzbahnmeister gekürt. Lambertz sieht darin eine Chance, für „Athleten, die eigentlich in der zweiten Reihe stehen“.