Von Sebastian Beutler
Am Morgen danach singt Roland Schied gegen die Ohnmacht an. „Singen hilft“, sagt der 44-Jährige. Er steht in seinem kleinen Garten. Hier fand er Muße, die Sträucher sind ordentlich gebunden. Doch drum herum herrscht nun Chaos. Überall liegen Hausrat, kleinere Möbel, Computer-Bücher – was man so im Haus stehen hat, das zugleich Büro ist. In seinem Häuschen am tiefsten Punkt von Schlauroth ist alles hin. Ein Gewitter mit starkem Regen krempelte innerhalb einer halben Stunde Schieds Welt am Dienstagabend um. Als er vom Einkauf in einem Görlitzer Supermarkt zurückkehrte, fand er ein Wassergrundstück vor. Der Dorfbach war einmal durch sein Häuschen geschossen, hatte Schlamm mitgeführt und das Erdgeschoss 40 Zentimeter hoch überschwemmt. Bis früh um fünf Uhr am Mittwochmorgen schleppte er alles mit Nachbarn und ersten Helfern raus. Nun begreift er langsam, was geschehen ist.


Wie Schieds Gebäude wurden zwei weitere Häuser in Schlauroth überschwemmt. Der Nachbar, dessen Haus noch tiefer im Wasser stand, hat die Folgen noch gar nicht gesehen – er arbeitet im Ausland. 35 Mitglieder der Berufs- und Freiwilligen Feuerwehr pumpten Dienstagabend die Gebäude aus, sicherten einen gefährdeten Gastank und sperrten die völlig überflutete Kastanienallee kurzzeitig.
Genau dort hatte sich das Unheil an der Landeskrone zusammengebraut. Innerhalb von 16 Minuten waren rund 23 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, wie Holger Schönberg von der Görlitzer Wetterwarte erklärt. Ein Regenguss, wie er in Görlitz selten vorkommt. Zuvor waren noch fünf Millimeter große Hagelkörner heruntergekommen. Das Gewitter aus dem Südosten hatte zudem nach Beobachtungen von Anwohnern stärker in Weinhübel und Biesnitz gewütet. In Biesnitz konnten Regenrinnen und Abwasserrohre auf den Balkonen das Wasser kaum noch auffangen. Ähnlich die Lage auch an der Landeskrone. Die Wassermassen schossen von den Feldern am Berg herab, die Straßengräben konnten das Wasser nicht mehr fassen, so dass sich die Fluten über Felder, Straßen und Gärten ergossen und schließlich am tiefsten Punkt des Ortes sammelten.
Entlang der Dorfstraße sind an den Einfahrten zu den Grundstücken am Mittwochmorgen provisorisch aufgeschichtete Sperren aus Blumenerdesäcken zu sehen. Auch Sonja und Hans-Jürgen Karger haben ihr Haus auf diese Weise geschützt. Trotzdem lief die Schlammbrühe die steile Rampe hinab bis zur Schwelle an ihrer Eingangstür, ins Haus drang sie nicht ein; und an der Rückfront ihres Grundstückes floss das Wasser vom Feld durch den Garten. „Gott sei Dank waren wir zu viert zu Hause“, erinnert sich Sonja Karger am Tag danach, „da konnten wir schnell alles wegspritzen“. Zum vierten Mal erleben die Kargers schon solche Überschwemmungen. Dass solche Ereignisse scheinbar häufiger stattfinden, bestätigt auch Ekkehart Knoenagel. Er leitet die Löbauer Außenstelle des Landesumweltamtes. Der Sohländer bekamt selbst von dem Unwetter nichts mit: Am Fuße des Rotsteins habe es nur getröpfelt. Bei allem Bemühen der Landwirte hält es Knoenagel für schwierig, solchen Wetterkapriolen entgegenzuwirken. Egal, wo das Wasser herunterkommt, sagt er, in solchen Massen wird es immer Folgen haben.
Die Stadt hatte nach dem letzten schlimmen Vorfall gehandelt. Ende Januar vergangenen Jahres hatte ähnlich starker Regen nicht im gefrorenen Erdreich versickern können. Daraufhin brach sich die Flut über die neu gebaute Schlaurother Straße Bahn bis zum Haus von Martina und Frank Müller und setzte es 30 Zentimeter unter Wasser. Als Reaktion darauf errichtete die Stadt zwischen Biesnitz und Schlauroth eine Rückhalteanlage für Regenwasser. Da das Becken aber nur 100 Kubikmeter Wasser fasst, räumte die Stadt schon seinerzeit ein, das Problem nicht komplett in den Griff zu bekommen. So war das Becken dieses Mal auch schnell voll und lief über. Trotz der erneuten Überschwemmungen sprach die Stadt gestern davon, dass sich das Becken ausgezahlt habe. Schließlich sei das Grundstück der Müllers nicht überschwemmt worden. Doch gegen solch kleinteilige Starkregengebiete wie am Dienstag sei die beste Anlage machtlos.
Ortsvorsteher Bernd Müller will sich damit nicht abfinden. „Wir müssen weiter daran arbeiten, dass das Wasser nicht zeitgleich am tiefsten Punkt des Ortes ankommt“, sagte er. Natürliche Stauräume, kleinteilige Felder mit Grünstreifen, all das seien Möglichkeiten, die geprüft werden müssten. Tatsächlich versucht die Stadt gerade nach eigenen Angaben weitere Flächen für Schutzmaßnahmen zu erwerben. Doch stehen im Haushalt keine Gelder zur Verfügung. Angesichts der Lage fordert Müller in den nächsten Jahren, mehr für Schlauroths Sicherheit zu tun. Roland Schied plant erstmal nur von Tag zu Tag. Auf die Frage, wie es weitergeht, zuckt er mit den Schultern. „Vielleicht ist es einfach eine Prüfung mitten im Leben“.