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Schleicht der Wolf durch die Nassau?

Ein Reh wurde gerissen. Das war der Wolf, ist sich ein Jäger sicher. Hundehalter fürchten um ihre Vierbeiner.

Von Peggy Zill
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Gesehen wurde der Wolf auch zwischen Weinböhla und Niederau schon. Allerdings wohl nur als Einzeltier.
Gesehen wurde der Wolf auch zwischen Weinböhla und Niederau schon. Allerdings wohl nur als Einzeltier. © Symbolfoto: dpa/Carsten Rehder

Weinböhla. Die tote Ricke lag wenige Meter neben dem Weg. Ein Spaziergänger entdeckte das Tier am vergangenen Freitagmorgen in der Nassau auf Weinböhlaer Flur. Das Reh war komplett ausgeweidet. „Selbst der Pansen war weg“, erzählt der Jäger, der als zuständiger Jagdpächter informiert wurde, und ist sich sicher: „Das war definitiv der Wolf“. Der Kehlbiss, die Kampfspuren, die Trittsiegel. Und dass die Bauchdecke herausgerissen und alle Innereien weg waren.

Den Pansen würde der Wolf wegen der Enzyme fressen, weiß Hubert B.*. Füchse oder Hunde würden das nicht tun. Allerdings wäre es sein erster Wolfriss, gibt er zu. „Ich vermute, dass es ein Durchzügler war.“ Sichtungen habe es in der Vergangenheit in der Gegend schon einige gegeben. Ein Jagdkollege habe im Frühjahr am Buschhaus einen Wolf gesehen. Am Waldbad Oberau ist er mal in eine Fotofalle gelaufen. Obwohl die deutschen Wolfsexperten damals meinten, es sei ein Hund, kam die Bestätigung von Biologen aus Kanada.

Das offenbar von einem Wolf in der Nassau gerissene Reh.
Das offenbar von einem Wolf in der Nassau gerissene Reh. © privat

Der Jäger wünscht sich mehr Transparenz bei dem Thema. „Es sollte offen gesagt werden, wie viele Tiere es gibt und wo sie überall leben und durchziehen.“ Er habe nichts gegen den Wolf, sagt Hubert B. immer wieder. Aber wie in Deutschland mit Isegrim seit seiner Rückkehr umgegangen wird, verstehe er nicht. „Wenn der Wolf ein Schaf holt, wird alles bezahlt. Wenn die Wildschweine ein Feld umgraben, hafte ich mit meinem Geld.“

Und die Schweine zum Beispiel, sind, seit es den Wolf gibt, in viel größeren Horden unterwegs. „In der Gruppe sind sie stark“, sagt der Jäger. Bis zu 60 Tiere schließen sich deshalb zusammen und hinterlassen auf den landwirtschaftlichen Flächen einen entsprechenden Schaden. Von Gleichgewicht in der Natur könne da keine Rede mehr sein. Ein schwieriges Thema. Deshalb soll auch nicht sein voller Name in der Zeitung erscheinen. Jäger haben es nicht selten mit militanten Tierschützern zu tun, die zum Beispiel Hochsitze beschädigen.

Laut Kreisverwaltung ist aktuell von sechs Wolfsrudeln auszugehen, die die Flächen des Landkreises frequentieren. Heimisch sind das Königsbrücker Rudel, das in der Gohrischheide und im Raschütz. Die in den benachbarten Kreisen lebenden Rudel suchen ebenfalls regelmäßig die Flächen des Landkreises auf. In anderen Gebieten wie dem Friedewald und Nossener Raum häufen sich Beobachtungen, für diese Räume fehlen aber Nachweise, um einen „Rudel-Status“ festzulegen, heißt es aus dem Landratsamt. Alle Beobachtungen und Hinweise sollten deshalb gemeldet werden.

© SZ-Grafik: Gernot Grunwald, Romy Thiel

Hubert B. hat seinen Fund nicht gemeldet. Das Corpus Delicti hat der Jäger schon beseitigt. Vergraben. Im Nachhinein habe er sich ein wenig geärgert, dass er keinen der Experten gerufen hat. Aber ausgraben will er die Überreste des Rehs nun auch nicht wieder. Wozu auch? „Was soll’s. Vielleicht kommt er auch noch mal durch Weinböhla oder ein anderer“, so B. Der Jäger ist gespannt, wie sich der Umgang mit dem Wolf in Zukunft entwickelt. Dass sich in der Gegend ein Wolf auf Dauer niederlässt, glaubt er nicht. Dazu seien die Wälder zu stark frequentiert.

Nur anhand von Fotos können die Wolfsexperten vom Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ keine Aussage treffen, wie das Reh in Weinböhla umgekommen ist. „Hierfür sind die Umstände vor Ort sehr wichtig, zum Beispiel um zu sehen, ob es einen Kehlbiss gab, ob Schleifspuren festzustellen sind, wie genau die Fraßspuren aussehen und vieles mehr“, erklärt Sophia Liehn vom Kontaktbüro. Denn anhand des Fotos lasse sich nicht erkennen, ob Nachnutzer ein bereits durch andere Ursachen wie Krankheit oder Alter verstorbenes Reh geöffnet und gefressen haben oder ob das Tier tatsächlich gerissen wurde.

„Wurde es tatsächlich gerissen, kann auch erst durch Vor-Ort-Untersuchungen festgestellt werden, welches Raubtier als Verursacher infrage kommt – Wolf, Fuchs oder Hund“, so Sophia Liehn.

Die Weinböhlaer Hundehalter fürchten vor allem um ihre Vierbeiner. Die Nassau ist beliebt für Gassirunden. Dass ein Wolf einen Hund anfällt, hält Hubert B. aber für sehr unwahrscheinlich. Zumal der Wolf sich tagsüber nicht blicken lässt. „Viel gefährlicher sind die Wildschweine für die Hunde.“

Ab Mitte März gibt es die ersten Frischlinge. Wenn ein Hund dem Wurfkessel einen Besuch abstattet, wird er das vermutlich nicht überleben. Auch deshalb bittet der Jäger die Hundehalter, ihre Tiere im Wald an der Leine zu lassen. Und noch ein Hinweis: Die Grünstreifen an den Bächen und Gräben sollten nicht betreten werden. Dort wollen die Bodenbrüter ihre Ruhe haben.

* Name der Redaktion bekannt


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