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Schnee von morgen

Dank der Schnee-Macher von Sotschi muss Klingenthal nicht um seinen Skisprung-Weltcup im November bangen.

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© Ralph Köhler

Von Michaela Widder

Beim Blick zum Thermometer bleibt Alexander Ziron entspannt. Zehn Grad plus sind es. Und die Vorhersage für die nächsten Tage ist eine ähnliche. Doch der Organisationschef des Klingenthaler Weltcups muss anders als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres diesmal nicht um den Saisonauftakt der Skispringer am 22./23. November bangen. Schnee ist in Sicht.

Aus einem zehn Meter hohen Silo schießen unaufhörlich weiße Schneekristalle und sammeln sich schon nach kurzer Zeit zu einem großen Haufen auf dem Grün in der Vogtland-Arena. „Es fühlt sich fast wie feiner Pulverschnee an. Es hat nichts mit Crush-Eis zu tun“, erklärt Ziron. Der OK-Chef entschied sich vor einer Woche für „Plan B“ – und damit für die Schnee-Macher von Sotschi. Weil der Wetterbericht für die nächsten Wochen weder Schneefall noch frostige Temperaturen voraussagt, sind die Klingenthaler auf die Experten aus dem hohen Norden angewiesen. Die eigenen Kanonen stehen still, weil dafür Minustemperaturen von fünf Grad nötig wären. Anders als 2012/13 konnten im vergangenen Winter auch keine Schneedepots angelegt werden. Vor zwei Jahren noch wurden Schneereserven in ein schattiges Waldstück nahe der Schanze gebracht und dort – mit Sägespänen abgedeckt – den Sommer über gelagert.

Um ohne Depot den Weltcup durchführen zu können, vertrauen Ziron und seine Kollegen auf die Spezialtechnik der finnischen Firma Snowtek. „Wir sind durch die Fernsehbilder aus Sotschi auf den Anbieter aufmerksam geworden“, erklärt er. Dort hatten die Finnen trotz Plusgraden im zweistelligen Bereich Kunstschnee für die olympischen Anlagen der Skispringer und Kombinierer produziert. Ein Depot für insgesamt 15 Millionen Euro soll für Sotschi angelegt worden sein.

Über die Kosten in Klingenthal spricht Ziron nicht, er deutet aber an: „Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand ist es von Kosten und Aufwand her besser, als ein Depot im Wald anzulegen.“ Jedenfalls ist es sicherer, denn die Firma garantiert eine Schneeproduktion bis 30 Grad plus. Die Klingenthaler hatten sich das System erst im September in Vuokatti angeschaut. „Dort waren wir vor allem von der Schneequalität absolut überzeugt“, erklärt Ziron. Neben den Finnen sind dem Weltcupchef nur drei weitere Anbieter von Allwetterschnee aus Israel, Holland und Deutschland bekannt.

Allwetterschnee taut langsamer

Wie das System genau funktioniert, bleibt Firmengeheimnis. Nur so viel: „In unseren Kühltrucks wird das eingespeiste Wasser so stark heruntergekühlt, dass eine Art Eis entsteht“, erklärt Snowtek-Techniker Ants Käis. Vergleichbar sei das mit der Konsistenz eines Slush-Getränkes, das bei Kindern beliebte, halbgefrorene Zuckerwasser. Allerdings kommen hier Stoffe wie Salz hinzu. „Und dieses Eis wird dann im großen Silo abgeschabt und als Kunstschnee herausgeschossen.“ Das System komme ohne den Einsatz umweltschädlicher Chemikalien aus, wie Käis betont. Zwei 25 Tonnen schwere Kühlaggregate sowie die Schneekanone in Form eines Silos stehen seit Montag im Schanzenauslauf und produzieren in den kommenden zehn bis 15 Tagen insgesamt etwa 3 000 Kubikmeter der weißen Pracht. Die Vorräte werden nicht im Wald deponiert, sondern dann per Pistenbully gleich auf dem Aufsprunghang der Großschanze aufgebracht. Das spart Transportkosten.

Das Besondere am finnischen Allwetterschnee ist, dass er auch bei höheren Temperaturen längst nicht so schnell schmilzt wie das Naturprodukt. Ziron rechnet zwar mit einem „Tauverlust von zehn bis 15 Prozent“, dennoch habe man genug Reserven. Bis 20. November soll die Präparierung der Schanze abgeschlossen sein.

Der dafür verantwortliche Thomas Meisinger „war anfangs skeptisch, vor allem in Bezug auf die Qualität des Schnees“. Inzwischen sei er aber überzeugt, „dass wir auf diese Weise eine absolut weltcuptaugliche Anlage präparieren können“. Und einen schönen Nebeneffekt sieht Weltcupchef Ziron schon jetzt: „Diesmal wird der Schnee nicht braun, sondern weiß sein.“