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Schönheiten aus Sandstein

Robert Vallentin aus Ostritz restauriert die Figuren vom Görlitzer Kaufhaus. Alte Gebäude reizen ihn schon länger.

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© Matthias Weber

Von Thomas Christmann

Er schaut sich die Köpfe in seiner Werkstatt an. Mit den Händen fährt Robert Vallentin über den Sandstein. „Die Gesichter sind nicht so stark herausgearbeitet, damit die Konturen aus der Ferne erkannt werden können“, sagt der Steinmetz- und Bildhauermeister aus Ostritz. Die dazugehörigen Körper zieren noch die Fassade des Görlitzer Kaufhauses, an der 24 Einzel- und zwei Gruppenfiguren angebracht sind. Anfang Januar fiel einer der Köpfe ab, die sowieso schon leicht nach vorn geneigt sind. Der Sohn von Ex-Landrat Günter Vallentin erhielt daraufhin den Auftrag, die Standfestigkeit aller Figuren zu überprüfen und beschädigte Stellen zu dokumentieren. In dem Fall stammt der Sandstein aus Unterfranken und enthält Anteile aus Ton. „Der geht bei Feuchtigkeit auf und Trockenheit zu“, erklärt der 37-Jährige. Dadurch sind Risse aufgetreten. Vallentin soll die Plastiken nun restaurieren. „Eine sehr abwechslungsreiche Aufgabe“, sagt der Ostritzer und spricht von einem besonderen Auftrag. Einerseits arbeitet er nach eigener Aussage an der Sanierung eines weltbekannten Kaufhauses mit, andererseits hat der Steinmetz in seiner Laufbahn noch nie so viel Figuren auf einmal bearbeitet.

Die Leidenschaft für den Beruf begann in der Schulzeit. In den Ferien arbeitete er bei einem Ostritzer Steinmetz. Ihn faszinierte nach seinen Worten, wie aus einem sonst unbeachteten Klumpen etwas Brauchbares und Schönes herauskommen kann – und die nötigen Werkzeuge sind über die Jahrhunderte nahezu dieselben geblieben. Ein einwöchiges Praktikum in Kulmbach folgte, wo Vallentin erstmals direkt am Stein arbeiten konnte. Im Ergebnis entstand ein Pflanzkübel, den er seinen Eltern schenkte. Ab 1994 begann der Ostritzer eine dreijährige Ausbildung zum Steinmetz- und Bildhauer in einem Betrieb in der Nähe von Bamberg und stellte dort Teile für Fassaden her. „Eine schöne Zeit“, sagt er. Schließlich konnte Vallentin nicht nur die Blöcke verarbeiten, sondern auch aus dem Steinbruch herausschlagen – und so den Ablauf kennenlernen.

Nach der Ausbildung ging die Reise kurz nach Baden-Baden, bis er 1998 in seine Heimatstadt zurückkehrte und beim dortigen Steinmetz anfing. Zwischenzeitlich absolvierte der Ostritzer seinen Wehrdienst. Der habe ihn überhaupt nicht weitergebracht, sagt Vallentin und spricht von verschwendeter Zeit. Von 2002 bis 2004 lief die Meisterausbildung. „Um die Möglichkeit zu haben, sich selbstständig zu machen“, sagt der Steinmetz. Das Meisterstück – eine Sonnenuhr – steht seither im Garten der Eltern. Die damals geringen Chancen auf Arbeit in der Region zogen ihn wieder in die alten Bundesländer. Bei einem Betrieb in Konstanz begann Vallentin, restaurierte dort unter anderem die Dreifaltigkeitskirche mit. Aber er pendelte jedes Wochenende nach Hause. „Auf Dauer war das zu weit weg“, sagt der 37-Jährige. Eine Firma in Bamberg lag da schon näher, wo der Ostritzer kurz darauf landete. Dort arbeitete er bundesweit an Gebäuden mit, beispielsweise am Wiesbadener Jagdschloss. „Ein abgefahrener Bau“, berichtet Vallentin angesichts der Kombination aus Historie und Moderne.

Als 2006 ein gesundheitlicher Rückschlag folgte, pausierte er beruflich. Zu der Zeit wohnte Vallentin mit seiner damaligen Freundin und jetzigen Frau Susi in Ostritz zusammen. Ihr erster Sohn Moritz kam ein Jahr zuvor auf die Welt, der zweite Emil 2010. Der 37-Jährige wollte aufgrund dessen nun sein eigener Chef sein, sich die Arbeit selbst einteilen – und eröffnete einen Steinmetzbetrieb in der Heimatstadt.

Zwei Jahre später erhielt Vallentin den ersten großen öffentlichen Auftrag: das Humboldt-Denkmal in Görlitz zu restaurieren. Und ob das Hotel Paul Otto, die Villa an der Blumenstraße, der Brunnen auf der Berliner Straße oder das Haus am Untermarkt 11 – seither hat er an einigen Objekten in der großen Kreisstadt mitgewirkt. Aus Görlitz kommen auch die meisten Aufträge. Vor allem die Gebäude aus der Renaissance interessieren ihn dabei, die aus einer, seiner Sicht, verspielten Epoche stammen. So ein altes Gebäude habe eben Charme und Seele, sagt Vallentin. „Das spürt man, was dort passiert ist.“ Der Ostritzer wohnt mit seiner Familie in einem wohl um 1820 gebauten Haus an der Klosterstraße, in der sich zuletzt eine Bäckerei befand. Anhand der abgenutzten Granitschwellen kann er sich vorstellen, wie viel Tonnen Mehlsäcke darüber glitten. Die ausgelatschte Türschwelle zeigt ihm, wie viel Menschen dort ein- uns ausgegangen sind. „Das macht ein Haus erst lebendig“, sagt der 37-Jährige.

Der neueste Auftrag ist gleichzeitig der bisher weiteste für ihn. In Freital restauriert er mit seinem Team gerade eine Villa vom Giebel bis zum Fenster. „Sie sah schlimm aus, der Sandstein völlig zerstört“, berichtet Vallentin. Seinem Betrieb bringt das Arbeit für die nächsten Monate. Beim Kaufhaus in Görlitz hingegen wartet er noch auf ein Startzeichen. Fest steht schon jetzt: bei vier Figuren muss der Ostritzer die Köpfe neu modellieren, bei allen anderen reichen Ausbesserungen. Am Ende sollen alle eine künstliche Außenhaut erhalten,, zum Schutz vor der Witterung. Das Ziel dabei: die Figuren sollen so originalgetreu wie möglich aussehen. Deshalb ärgert ihn auch nie die Frage, was er denn überhaupt an einem Objekt gemacht hat. „Das ist doch das größte Lob“, sagt er.