Von Elke Schmidt
Ein einziger Satz genügt: Aus dem kurzen und unscheinbaren Fragment „Sie ist auf dem Weg nach X“ entstehen beim Mini-Schreibkurs von Martina Rellin in nur zwei Stunden sieben völlig unterschiedliche Ansätze für eine Geschichte.
Für Christine Hoppe und ihren Sohn Markus sind es nicht die ersten Versuche. Die beiden Urlauber aus Heiligenstadt schreiben schon länger, der 13-jährige Markus hat im Undine-Verlag sogar schon zwei eigene Bücher veröffentlicht. Trotzdem sitzen sie nun schon zum zweiten Mal in einem der Kurse von Martina Rellin, denn sie schätzen das fachkundige Urteil der ehemaligen Chefredakteurin der Zeitschrift „Magazin“. Die anderen fünf Frauen, die sich am großen Tisch im Gartenhaus eingefunden haben, schreiben selten oder gar nicht und sind eher aus Neugier hier. Weil sie noch fast gar nichts mit kreativem Schreiben zu hatten, passt Martina Rellin den Kursablauf daran an. Sie erzählt aber nicht nur graue Theorie. Nach einer kurzen Einführung geht es sofort los mit dem praktischen Schreiben. Die Fachfrau möchte zeigen, dass jeder schreiben kann, der das gerne möchte. Mehr als Papier und Stift brauche man dafür nicht, sagt sie und tritt auch gleich den Beweis für diese These an.
Sehr wichtig sei zum Beispiel, welchen Namen die handelnde Person erhält, erklärt sie. Damit lege man auch gleich ihr ungefähres Alter fest. Als zusätzliche Hilfe gibt sie noch den Ort vor, den die fiktive Figur erreichen will. Dann fangen alle an zu schreiben. Dafür haben sie nur zehn Minuten Zeit. Hilfreich sei, einfach ohne großes Nachdenken loszuschreiben. Auftauchenden Fragen und notwendigen Korrekturen könne man sich später widmen, gibt Martina Rellin einen letzten Tipp.
Besonders die Frauen, die sich zum ersten Mal mit dem Schreiben beschäftigen, sind erstaunt, wie viel Text sie in dieser Zeit produziert haben. Das hatten sie nicht erwartet. Weniger überraschend ist für sie alle die Vielfalt der Ideen. Sieben Menschen erfinden sieben völlig unterschiedliche Geschichten. Mal ist der Weg an sich das Thema, während andere sich eher auf das Ziel konzentrieren. Die Storys spielen in der Gegenwart, Zukunft oder Vergangenheit. Auch verwendet jeder Schreiber seinen eigenen Stil. Einer schreibt in langen, eleganten Sätzen, während seine Nachbarin lieber kurze und prägnante verwendet.
Zum Abschluss liest jeder seine Geschichte vor. Denn das helfe dabei, Unstimmigkeiten im Text besser zu erkennen, so der nächste Tipp der Fachfrau. Beim Kurs kommt das Feedback der anderen dazu. Dabei hat die erfahrene Autorin einen ganz anderen Blick auf die Sache als die Neulinge. Für die Hoppes ist das besonders reizvoll, denn so erfahre man sofort, wie die eigene Idee auf Fremde wirkt.
Zudem sei es sehr interessant, wie andere Schreiber an ihre Geschichte herangehen, sagen sie. Das ist auch für Martina Rellin jedes Mal überraschend. Sie bietet Schreibkurse schon seit Längerem an und ist immer wieder fasziniert von der Fantasie der Leute. In Oybin sind solche Kurse eine Premiere. Die Autorin kaufte erst 2015 gemeinsam mit ihrem Mann ein Umgebindehaus mitten im Ort. Schon damals konnte sie sich gut vorstellen, hier eine Schreibwerkstatt anzubieten. Nun setzt sie diese Idee in die Tat um.
Christine und Markus Hoppe überlegen unterdessen, ob sie noch ein drittes Mal teilnehmen, ehe ihr Urlaub zu Ende geht. „Es hat riesigen Spaß gemacht“, sagen sie. Möglich wäre das noch zwei Wochen lang jeweils am Dienstag und Donnerstag. Sollten sich für einen Kurs mehr Leute anmelden, findet der Kurs im nahe gelegenen „Haus des Gastes“ statt.
Kurse: 14. Juli, 2., 4., 9., 11. August, jeweils 10 - 12 Uhr, Anmeldung unter 035844 170067
Lesung „Göttergatten” Donnerstag, 14. Juli., 19.30 Uhr, Haus des Gastes, Hauptstraße 15, Oybin