SZ +
Merken

Schüler lehren Schüler

Ein Pirnaer Verein entwickelt ein neues Konzept, um Jugendliche auf ein verantwortungsbewusstes Leben vorzubereiten.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Marcus Herrmann

Leander Rauwolf hat seine Klasse im Griff. Mit deutlicher Stimme und viel Selbstbewusstsein erklärt er Sachverhalte und beantwortet Fragen seiner Schüler aus einer neunten Klasse des Herder-Gymnasiums in Pirna. Selbstverständlich ist das nicht, denn der 18-Jährige ist kein Lehrer, sondern selbst noch Schüler. Einer, der sich auch außerhalb der Schule engagiert. „Ich bin seit einem Jahr für den Verein Aktion Zivilcourage tätig. Der Kontakt kam über meinen Geschichtslehrer zustande, außerdem ist mein Bruder auch in dem Verein“, erklärt Rauwolf.

Der politikinteressierte junge Mann passt perfekt ins Anforderungsprofil des seit 16 Jahren tätigen Vereins. Der hat seinen Hauptsitz in Pirna und organisiert zahlreiche Projekte, in denen junge Menschen in Workshops oder Gesprächsrunden etwas zu Themen wie Rechtsextremismus, Asylpolitik oder Diskriminierung im Alltag lernen. „Diesmal geht es aber um die Landtagswahl am 31. August in Sachsen und um das Wahlsystem in Deutschland allgemein“, sagt Ronald Becker, als die SZ kurz vor Ferienende vor Ort ist.

Der 29-jährige Politikwissenschaftler ist seit sieben Monaten im Verein tätig. „Für mich ist das ein Traumjob. Weil 30 Prozent der etwa 150 Vereinsmitglieder Schüler sind, kann ich mit jungen Menschen arbeiten und mein Wissen weitergeben“, sagt Becker. So wie bei Leander Rauwolf. In einem dreitägigen Kurs wurden er und knapp 30 Schüler aus dem Landkreis Sächsische Schweiz auf ihre Lehrerrolle vorbereitet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Rauwolf, selber Schüler am Herder-Gymnasium, referiert über direktes und indirektes Wahlrecht sowie die Grundregeln freier, unmittelbarer und geheimer Wahlen. Mit spielerischen Einlagen, in denen die Schüler zum Mitmachen animiert werden, geht es dann um Sitzverteilungen im Landtag und Wahlprogramme von Parteien. Einige Male hilft Becker aus und erklärt Sachverhalte an der Tafel genauer.

Die Neuntklässler werden einbezogen, studieren Wahlprogramme von Parteien und arbeiten in Gruppen als eine Art Wahlaufsicht. Die Veranstaltung findet im regulären Gemeinschaftskundeunterricht statt. Lehrerin Ulrike Winkler stellt die gerne zur Verfügung. „Der Verein war schon vor der letzten Bundestagswahl in der Schule aktiv. Um den normalen Stoff zu festigen, ist die Methodik gut und kommt bei den Schülern prima an“, sagt Winkler. Sie ist sicher, dass sich Schüler gegenüber ihren Mitschüler mehr zutrauen und viel lockerer im Unterricht sind. Schüler Max Höhne bestätigt das. „Mir hat die Stunde viel Spaß gemacht. Die lockere Atmosphäre und die Gruppenarbeit helfen, dass alle mitmachen und auch etwas von den Inhalten hängenbleibt“, sagt der 15-Jährige. Zumindest wird das Interesse der Schüler für die Arbeit des Vereins geweckt.

„Schon fünf Schüler des Herder-Gymnasiums sind bei uns im Verein dabei“, sagt Ronald Becker. Die Erfahrungsberichte aus den einzelnen Klassen seien sehr positiv. Das motiviert die Schüler manchmal sogar dazu, selbst politisch aktiv zu werden. So wie Leander Rauwolf. „Ich bin seit einiger Zeit bei der Jungen Union und möchte später für die CDU tätig sein“, erklärt er.

Den Verein für Zivilcourage bestätigt das in seiner Arbeit gegen Politikverdrossenheit unter jungen Menschen. „Wir sind froh, dass es Jugendliche wie Leander gibt“, sagt Ronald Becker. „Das zeigt uns, dass wir etwas bewegen können.“ Damit leistet der Pirnaer Verein, der in ganz Sachsen verzweigt ist, einen wichtigen Beitrag zu einer lebendigen Demokratie nicht nur im Landkreis.