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Einmal Tür öffnen - 4.000 Euro 

Betrügerische Schlüsseldienste ergaunern immer höher Summen. Dagegen hilft vor allem ein Mittel, rät die Polizei. 

Von Franziska Springer
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Haustür zu und keinen Schlüssel mit? Wer dann einen Notdienst ruft, geht schnell Abzockern auf den Leim. Die Suche nach seriösen Anbietern ist oft schwierig.
Haustür zu und keinen Schlüssel mit? Wer dann einen Notdienst ruft, geht schnell Abzockern auf den Leim. Die Suche nach seriösen Anbietern ist oft schwierig. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Ein Vorfall, wie viele ihn aus eigener Erfahrung kennen: Ein schneller Gang nach draußen, ein Moment der Unachtsamkeit und die Tür fällt ins Schloss. Erst am Sonntag geschah das einer 54-jährigen Frau in der Bautzener Fiedlerstraße. Ein eilig herbeigerufener Schlüsselnotdienst versprach den Ausweg aus dem Dilemma und öffnete die Tür binnen von Sekunden – mit einer Plastikkarte. Für diese schnelle Dienstleistung forderte der Mann anschließend 670 Euro von der Geschädigten. Eine Zahlung der Summe per Rechnung akzeptierte er nicht. Den Betrag beglich die Mieterin schließlich mit der EC-Karte. Anschließend erstattete sie bei der Kriminalpolizei Anzeige wegen Wucher.

Wucher-Fälle mehr als verdoppelt

Elfmal wurden Fälle überteuerter Rechnungen von Schlüsseldiensten 2017 im Landkreis Bautzen registriert. Im Jahr zuvor waren es gerade einmal fünf. Das geht aus der Antwort auf eine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Janina Pfau an das sächsische Sozialministerium hervor. Probleme im Zusammenhang mit überteuerten Türöffnungen sind Ralf Margout, Geschäftsstellenleiter von Interkey, dem Fachverband europäischer Sicherheits- und Schlüsselfachgeschäfte, schon lange bekannt. 

Ob derartige Vorfälle in den letzten Jahren gehäuft auftreten, ließe sich nicht feststellen. „Allerdings beobachten wir, dass die Höhe der Rechnungsbeträge immer weiter steigt“ sagte er auf Anfrage der SZ. Kosten von 4.000 Euro habe die höchste Schlüsseldienstrechnung ausgewiesen, von der er bislang gehört habe, erzählt er. Allein 2 000 Euro hätte in dem Fall der neue Profilzylinder gekostet. Ein Bauteil, das es im Fachmarkt bereits für etwa 30 Euro gibt.

Fälle wie diesen kennt Polizeisprecher Michael Verch aus der täglichen Arbeit genau wie aus dem eigenen Erleben: „Als ich einmal auf einen Schlüsseldienst angewiesen war, kam ein großer, kräftig gebauter Mann und forderte nach der Türöffnung statt der vereinbarten eine unangenehm hohe Summe“, erinnert er sich. „Wenn Dienstleister ungehalten reagieren, etwa eine Drucksituation aufbauen um unverschämte Beträge durchzusetzen, befindet man sich ganz klar im Bereich der Straftat“, betont er. 

Gerade für ältere oder hilflose Menschen, die deutlich häufiger zum Ziel von Betrügern werden, kann es dann ratsam sein, die Polizei zu Hilfe zu holen. – Damit es gar nicht erst soweit kommt, hat Verch einen simplen Rat. „Leute, seid vorsichtig“, appelliert er an das eigene Urteilsvermögen. 

Häufig sei das Problem, dass Betroffene sich vorab nicht richtig informiert hätten. Ratsam sei es, die Kosten für die Türöffnung bereits im Vorfeld zu regeln – bestenfalls im Beisein von Zeugen.

Kosten liegen meist im zweistelligen Bereich

In welchem Rahmen sich die Ausgaben für eine Türöffnung bewegen sollten – darüber gibt eine Marktanalyse der Verbraucherzentrale Auskunft: Demnach belaufen sich die Kosten für eine Türnotöffnung in Sachsen tagsüber an Werktagen auf durchschnittlich 63,72 Euro. Nachts, an Sonn- und Feiertagen steigt der Preis auf durchschnittlich 101,44 Euro.

Beatrix Pausch, die gemeinsam mit ihrem Mann das Unternehmen Sicherheitstechnik Schlenkrich in Neukirch betreibt, erklärt, wie sich Kosten in ihrer Firma ergeben: „Zwischen 50 und 60 Euro kostet eine Notöffnung bei uns. Je nach Anfahrtsweg kommen 10 bis 15 Euro Fahrtkosten hinzu.“ Möglich seien Mehrkosten – etwa dann, wenn der Schlosszylinder ausgetauscht werden müsse. Etwa drei- bis viermal pro Woche ist ihr Mann zu einer Türöffnung zwischen Bautzen und Bischofswerda unterwegs. 

Auch ihr sind Fälle von überteuerten Notöffnungen in der Region bekannt. Das Problem, vermutet sie, sei in Städten aber noch viel größer: „Wir haben viel Stammkundschaft. Die wendet sich direkt an uns und sucht nicht erst lang im Internet nach Anbietern“, erklärt sie den Unterschied. Außerdem sei es in ländlichen Regionen üblicher, bei Vertrauten einen Zweitschlüssel zu hinterlegen.

Ersatzschlüssel deponieren

Die Strategie, einen Ersatzschlüssel zu deponieren und die Nummer eines ortsansässigen, seriösen Handwerkers im Handy abzuspeichern, ist auch nach Meinung von Ralf Margout der Königsweg, um dubiosen Geschäftemachern zu entgehen. Der 54-jährigen Bautzenerin, die am Sonntag auf die Masche eines Betrügers hereinfiel, nutzt das wenig. Unsicher ist, ob sie jemals die Chance hat, ihr Geld zurückzuerhalten. 

Laut Margout liegt das Hauptproblem im Zusammenhang mit betrügerischen Schlüsseldiensten in deren nicht geschütztem Berufsbild. „Firmen wechseln in diesem unübersichtlichen Segment ständig ihre Identität. Eine Chance, den Schaden ersetzt zu bekommen besteht nur dann, wenn überhaupt eine ladungsfähige Anschrift des Anbieters vorliegt“, erklärt er.