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Schwebend durch den Plauenschen Grund

Technische Großprojekte bewegten einst die Gemüter. Es wurden Luftschlösser – auch weil das Geld fehlte.

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Von Heinz Fiedler

Die Idee könnte von Jules Verne stammen. Um 1900 träumt man in unserer Gegend von einer Schwebebahnverbindung zwischen Eckersdorf (nahe Rollmopsschänke) über Deuben/Schweinsdorf bis Zschiedgeberg Burgk. Ein abenteuerliches Projekt, das erstaunliche Aktivitäten auf den Plan ruft. Die Gründung einer Aktiengesellschaft mit Dresdner Beteiligung namens Elektra ist beschlossene Sache. Architekten und Verkehrsfachleute reichen Entwürfe ein, die sich nicht nur auf die anfangs beabsichtigte Strecke beziehen. Weshalb bloß bis Burgk? Wäre eine Verlängerung bis Dresden nicht sinnvoll? Einige Konzeptionen sehen als Endstation den Weißen Hirsch vor. Auch eine Route Postplatz–Pirnaischer Platz–Blasewitz–Endpunkt Pirna wird angeregt.

Vor über 100 Jahren im Gespräch: Schwebebahnverbindung Eckersdorf–Zschiedgeberg/Burgk, die erfinderische Leute bis zum Weißen Hirsch verlängern wollten.
Vor über 100 Jahren im Gespräch: Schwebebahnverbindung Eckersdorf–Zschiedgeberg/Burgk, die erfinderische Leute bis zum Weißen Hirsch verlängern wollten.
In Höhe der Begerburg im Plauenschen Grund war ein Haltepunkt geplant mit Aufgang und Aufzug.
In Höhe der Begerburg im Plauenschen Grund war ein Haltepunkt geplant mit Aufgang und Aufzug.

Keine Frage – die Schwebebahn beflügelt die Fantasie vieler Leute. Ernüchterung tritt ein, als es ans Bezahlen geht. Gar bald steht nämlich fest, dass sich das Projekt selbst bei sparsamster Ausführung nicht finanzieren lässt. Ganz abgesehen vom technischen Aufwand, der die Grenzen des Machbaren beträchtlich überschreitet. Gigantische Stahlaufbauten wären erforderlich. Das Einrichten von Haltepunkten in Nähe von Wohnsiedlungen ließe sich nur durch Umleitungen bewerkstelligen. Probleme über Probleme. Für die Initiatoren ist das alles einige Nummern zu groß.

In aller Stille wird das Unternehmen Schwebebahn abgeblasen. Für die Öffentlichkeit bleibt das Ganze allerdings ein Gesprächsthema. An den Stammtischen einheimischer Gastwirtschaften wird ebenso über die geplatzte Seifenblase gelästert wie in der örtlichen Tagespresse. Ein drastisch gereimter Vierzeiler macht die Runde:

Nimmst teil du an der tollen Fahrt,

auf diesem gefahrvollen Stege,

brichst du das Genick auf besondere Art,

auf elektromechanischem Wege.

Der Traum ist aus. Die Schwebebahnfantasterei entschwebt für alle Zeiten.

Unter der Elbe und auf der Alm

Im April 1931 berichtet der lokale Anzeiger in einem längeren Beitrag über den bevorstehenden Bau einer Hoch- und Untergrundbahn von Freital-Deuben via Weißer Hirsch. Die Rede ist von einem kühnen, kostspieligen Vorhaben, das von der soeben gegründeten Hoch- und Untergrundbahn-Aktiengesellschaft Hubag gesteuert wird. Als schwierigste Phase der umfangreichen Arbeiten bezeichnet das Journal die Untertunnelung der Elbe: „Wie wir dazu aus gut informierten Kreisen erfahren, werden bei der Realisierung der komplizierten Baumaßnahmen auch zwei Dutzend Taucher eingesetzt. Weitere Einzelheiten lesen Sie in unserer morgigen Ausgabe.“

Der angekündigte Bericht am nächsten Tag fällt denkbar kurz aus. Der verehrte Leser möge bitte entschuldigen und einen Blick auf den Kalender werfen. Das Ganze verstehe sich als ein Beitrag zum 1. April. Im Übrigen lässt sich der Weiße Hirsch nach wie vor mit der Elektrischen erreichen, allerdings mit Umsteiger.

Ein Jahr darauf nimmt der Anzeiger die Öffentlichkeit termingerecht wieder auf die Schippe. Es heißt, auf der Schweinsdorfer Alm soll Freital ein großes Sportstadion nebst Schwimmbad erhalten. Auch im Kulturteil wird mit einer fettgedruckten Nachricht geflunkert: „Deutschlands Filmstar Nummer eins, Henny Porten, stellt sich zur Aufführung ihrer neuen Produktion ,Kohlhiesels Töchter‘ im Freitaler Lichtspieltheater Capitol vor und gibt nach der Vorführung Autogramme.“

Das alarmiert natürlich die einheimischen Kinogänger. Indes, die gefeierte Künstlerin wird die Stadt am Windberg nie kennenlernen, aber „Kohlhiesels Töchter“ läuft damals tatsächlich im Capitol, seinerzeit ein attraktives Lichtspieltheater mit 850 Plätzen. Wer kann sich das heute noch vorstellen?