Von Tobias Winzer
Das Dresdner Ostragehege wird von der gerade aufgehenden Sonne in tief oranges Licht getaucht, doch Oliver Helbig hat keinen Blick dafür. Der Freitaler wuselt um den Ballon herum, der jetzt noch schlaff auf dem Gras liegt. Manchmal verschwindet er komplett unter dem bunten Nylongewebe, um den Stoff zu spannen und ein paar Falten zu lösen. Manchmal macht er Bewegungen, so als ob er eine Bettdecke aufschütteln wollte. Am anderen Ende des Ballons sorgt ein großer Ventilator dafür, dass in das 29 Meter hohe und 22 Meter breite Stoffgebilde Luft geblasen wird. Bis zum Start sind es noch zehn Minuten.
„Der Start und die Landung – das sind eigentlich die heikelsten Momente bei der Ballonfahrt“, sagt Helbig, der mit seinem Unternehmen Bluesky, zu deutsch: blauer Himmel, in Wurgwitz beheimatet ist. Der 34-Jährige besitzt seit 2002 den Pilotenschein zum Ballonfahren und bietet seit 2004 mit seiner eigenen Firma Fahrten an – mittlerweile bringt er es auf insgesamt etwa 400 Touren.
Die meisten Kunden wollen über Dresden schweben, er ist aber auch hin und wieder über Freital oder über der Sächsischen Schweiz unterwegs. Zum Team gehören noch zwei sogenannte Verfolger – sie verfolgen den Ballon vom Boden aus und sammeln das Gefährt und die Mitfahrer nach der Landung ein. „Man weiß nie, wo es hingeht“, sagt Helbig.
Um zumindest eine grobe Ahnung davon zu haben, hat er sich heute Morgen vor dem Start noch einmal den Ballonwetterbericht des Deutschen Wetterdienstes angeschaut. Der sagte Wind von Westen voraus. „Ich schätze, dass wir irgendwo im Schönfelder Hochland landen“, prophezeit Helbig. Mit Gewissheit sagen kann er es nicht. Außerdem musste sich der Ballonfahrer vor dem Start in der sogenannten Kontrollzone, in diesem Fall in der Dresdner, anmelden. Dafür rief er die Flugsicherung in Klotzsche an. Wenn gerade viele Flugzeuge unterwegs sind, darf Helbig nur bis 1000 Fuß, also etwa 300 Meter, aufsteigen, ansonsten auch höher. Weil jetzt gerade Ferienzeit ist und viele Ferienflieger in Klotzsche starten, muss der Freitaler heute zunächst vergleichsweise tief bleiben.
Weiter geht es mit den Startvorbereitungen. Helbig ist mittlerweile in den kleinen Passagier-Korb geklettert und gibt am Brenner, der mit einem Propan-Butan-Gasgemisch versorgt wird, eine gewaltige Flamme frei. Mit deren Hilfe wird die Luft in dem Ballon erwärmt. Da heiße Luft leichter ist als kalte Luft, steigt der Ballon mitsamt des Korbes auf – so das simple physikalische Prinzip. 60 Grad Celsius Temperaturunterschied zwischen Innen- und Außenluft braucht es dafür in etwa.
Die Hitze des Brenners sorgt nun dafür, dass sich der einstmals schlaffe Ballon langsam vom Boden hebt und auch Helbig im Korb allmählich wieder aufrecht stehen kann. „So, bitte einsteigen“, ruft er seinen sechs Mitfahrern zu, die jeweils 180 Euro für das Abenteuer und die Aussicht bezahlt haben. Die Kunden mühen sich über den etwa 1,10 Meter hohen Korbrand.
Dann geht alles sehr schnell. Der Ballon hängt nur noch per Seil am Verfolgungsfahrzeug. Als Helbigs Helfer den Karabiner löst, steigt der Ballon rasant in die Höhe.
„Wenn der Start geschafft ist, kann ich auch entspannen“, sagt Helbig. Etwa alle 20 Sekunden betätigt er den Brenner, um die Höhe zu halten. Ansonsten kann er die Aussicht genießen und mit seinen Gästen reden. An diesem Morgen treibt der Wind den Ballon über die Neustadt Richtung Blaues Wunder. Vom Flughafen bekommt Helbig das Okay auf 2500 Fuß, 760 Meter, aufzusteigen. „Auch wenn ich manche Strecke schon oft gemacht habe, sieht man immer wieder Dinge, die neu sind.“
Wie viele seiner Gäste ist Helbig per Gutschein-Geschenk zum Ballonfahren gekommen. Die Tour damals begeisterte ihn so sehr, dass er bei dem Unternehmen als Verfolger weiterarbeitete. Später machte er seinen Pilotenschein – ein halbes Jahr dauerte die Ausbildung – und gründete sein Unternehmen. Nebenher betreibt der gelernte Maurer eine kleine Baufirma. „Nur vom Ballonfahren allein kann man nicht leben“, sagt er. Denn nur im Frühjahr und Sommer läuft das Geschäft so gut, dass an manchen Tagen am Morgen und am Abend gestartet wird – entweder kurz nach dem Sonnenaufgang und kurz vor dem Sonnenuntergang.
Das wiederum hängt mit der Thermik zusammen, die nicht gerade der Freund der Ballonfahrer ist. Thermik ist sozusagen das, was Helbig mit seinem Brenner erzeugt – heiße Luft, die allerdings auf natürliche Weise durch Sonnenkraft entsteht. „Wenn ich als Ballonfahrer in die Thermik reinkomme, steige ich und habe keine Chance, aus dieser Blase wieder herauszukommen.“ Zu gefährlich.
Deswegen meidet Helbig diese Luftströme. „Die Thermik beginnt in den Sommermonaten etwa zwei Stunden nach Sonnenaufgang und endet zwei Stunden vor Sonnenuntergang“, sagt er. An stressigen Tagen legt sich Helbig zwischen den Fahrten noch einmal kurz zum Mittagsschlaf hin.
Nach anderthalb Stunden Fahrt schwebt der Ballon mittlerweile über dem Schönfelder Hochland. Dort ist die Auswahl an Feldern, auf denen man sicher und relativ weich landen kann, groß. Dass er einmal aus lauter Not auf einer vielbefahrenen Straße oder gar auf einem Dach landen musste, ist Helbig noch nicht passiert. Einen Meter über dem Boden öffnet der Freitaler per Seil ein kleines Stück Stoff, dass sich am oberen Ende des Ballons befindet. Die Luft entweicht wie bei einem geöffneten Ventil aus dem riesigen Sack. Der Korb gleitet sanft nach unten.
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