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Schwester Agnes ist zurück

Praxisassistenten entlasten die Hausärzte und ersparen Patienten weite Wege. Das Modell gab es früher schon.

Von Peggy Zill
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Luzie Dornfeld ist eine von etwa 40 Patienten, die die Arzthelferin Silvana George regelmäßig besucht. Als nicht-ärztliche Praxisassistentin nimmt die 36-Jährige ihrer Chefin viel Arbeit ab.
Luzie Dornfeld ist eine von etwa 40 Patienten, die die Arzthelferin Silvana George regelmäßig besucht. Als nicht-ärztliche Praxisassistentin nimmt die 36-Jährige ihrer Chefin viel Arbeit ab. © Sebastian Schultz

Wülknitz/Meißen/Riesa. Die Tür wird geöffnet, bevor Silvana George klingeln kann. Sie wird erwartet. Im Wohnzimmer im Obergeschoss liegt Luzie Dornfeld auf einem Sessel, die Beine auf einen Hocker gelegt und strahlt, als sie sie sieht. Es folgt eine herzliche Begrüßung. „Meine Gute“, nennt die 90-Jährige die Arzthelferin, die nebenbei das Tablet auf den Tisch stellt und das Blutdruckmessgerät auspackt. Alles in Ordnung. Auch die Herzfrequenz. Ein Problem gibt es jedoch mit dem Urin. Silvana George macht ein Foto vom Urinbeutel und schickt es sofort an die Praxis in Wülknitz.

Dort behandelt Dr. Marion Zillmann gerade andere Patienten. Sobald Zeit ist, wird sie sich das Foto anschauen und mit Silvana George den Befund abstimmen. Die moderne Technik spart Zeit, entlastet die Ärztin, die vorher jeden Hausbesuch selbst erledigen musste. Oft noch nach Tagen mit langen Sprechzeiten. Zwischen 1 .000 und 1 .200 Patienten kommen pro Quartal in die Praxis.

Seit Anfang des Jahres ist Silvana George ausgebildete nicht-ärztliche Praxisassistentin, kurz Näpa. Eine von drei, die die Elbland Polikliniken in ihren Praxen beschäftigen. Neben Wülknitz gibt es sie noch in Riesa und in Meißen. Es sollen mehr werden, sagt Praxismanagerin Claudia Schumann. Denn die Näpas haben gut zu tun. Und sie unterstützen nicht nur die Ärzte, sie ersparen auch Patienten lange Wege.

Das System erinnert an die Gemeindeschwestern, die zu DDR-Zeiten die Patientenversorgung auf dem Land sicherstellten. Die Bekannteste dürfte Schwester Agnes gewesen sein. Im Kittel und mit ihrer Dienst-Schwalbe knatterte diese über Land von Patient zu Patient. Nach der Wende verschwanden die Gemeindeschwestern von den Straßen, erleben nun aber ihre Renaissance. Wo die Bevölkerung immer älter und die Wege immer weiter werden.

Mit dem Fernseh-Pendant hat Silvana George wenig gemeinsam. Vorgefahren kommt sie im schwarzen Skoda. Alles, was sie für ihren Hausbesuch braucht, steckt in einer großen Umhängetasche. Etwa 40 Patienten betreut sie. Manche sieht sie mehrmals pro Woche, wenn zum Beispiel Wunden versorgt werden müssen, andere seltener. „Hausbesuche waren schon immer spannend. Es ist eine schöne Abwechslung zum Praxisalltag“, sagt die 36-Jährige. Man lerne die Patienten anders kennen. „Die meisten freuen sich, wenn ich komme. Auch weil sie merken, dass ich Zeit habe.“ Es gibt keine Vorgabe, wie lange sie sich bei den Patienten aufhalten darf.

Luzie Dornfeld wird von ihrer Tochter gepflegt, lebt mit ihr in Frauenhain. Rund 13 Kilometer ist die Praxis entfernt. Die 90-Jährige kann zwar noch laufen, die Gefahr von Stürzen und Knochenbrüchen ist jedoch hoch, erzählt ihre Tochter Jutta Eube.

Verbände wechseln, Blut abnehmen, Blutzucker und Blutdruck messen, Urinkontrollen: Es sind vor allem Routinesachen, die Silvana George für ihre Chefin erledigt. Die Näpa springt auch ein, wenn jemand in der Praxis anruft, sich unwohl fühlt. Aber es gibt Grenzen. 

„Wenn einer über Herzschmerzen klagt, dann braucht er einen Arzt“, sagt Silvana George. Was die Näpa darf und was nicht, regelt die Vereinbarung über die Delegation ärztlicher Leistungen. Und die medizinischen Fachangestellten müssen vorher einen Lehrgang besuchen. 271 Stunden Fortbildung in Theorie und Praxis, die Silvana George meist am Wochenende absolviert hat.

Die Näpas sind nicht nur ein Mittel gegen den Hausarztmangel, so ein Hausbesuch durch eine Näpa hat auch Vorteile für die Krankenkasse: Er kostet weniger, als wenn die Ärztin rausfährt. Ganz ohne Hausbesuche der Ärztin geht es aber nicht. Alle sechs Wochen etwa kommt Dr. Marion Zillmann zu Luzie Dornfeld.

Eine Videosprechstunde bietet die Praxis noch nicht an. Die nötige Technik sei aber vorhanden, sagt Claudia Schumann. Aber es hapert noch an der Umsetzung. Denn so ein Videotelefonat kann nicht während der Sprechzeiten stattfinden. Die Fotos hingegen, die die Näpa macht, können zeitunabhängig begutachtet werden. Und noch ein Problem könnte es mit der Technik geben: „Viele der älteren Patienten haben sie einfach gar nicht“, erklärt Claudia Schumann. Und die meisten Jüngeren würden es noch in die Praxisräume schaffen.

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